Der Tod ist ein allgegenwärtiger Begleiter unseres Lebens. Doch sollte man keine Angst davor haben, egal, wie nahe man dem Ableben ist. Mir als Mittvierziger, der langsam von der Midlife- in die Endlife-Crisis gerät, ist dies durchaus bewusst. Doch was, wenn die Angst vor dem baldigen Ableben wie ein Virus um sich greift, dass ansteckender als die derzeit grassierende Delta-Variante ist? KOCH FILMS hat den passenden Film zu dieser Frage just veröffentlicht und wir haben uns mit FFP2-Maske und Mindestabstand vor den heimischen TV gesetzt, um Euch viruskonform zu informieren, ob die Angst auch auf uns übergegriffen ist.
Drehbuch und Regie: Amy Seimetz
Darsteller: Kate Lyn Sheil, Jane Adams, Kentucker Audley, Katie Aselton, Chris Messina
Artikel von Christian Jürs
Amy (Kate Lyn Sheil) wacht allein auf einer Couch auf. Ihr Gesicht ist von Sorgen geplagt. Warum, dass schlüsselt She Dies Tomorrow erst nach und nach in Rückblenden auf, auch wenn der Titel einen dezenten Spoiler vorgibt. Lethargisch wandert sie im Anschluss durch ihr neu erworbenes Haus, welches erst zur Hälfte renoviert wurde. Doch anstatt sich an die Arbeit zu machen, die neue Behausung bewohnbar zu machen, bricht Amy in Tränen aus.
Die junge Frau ist fest davon überzeugt, dass morgen ihr persönlicher Aschermittwoch ist, denn dann ist alles vorbei. Sie wird sterben. Die nächsten Stunden verbringt sie damit, ungewöhnliche Dinge zu tun, wie ihren Kopf an der Wand zu reiben oder draußen Pflanzen anzufassen, um nochmal zu fühlen, ehe der Sensenmann vor der Türe steht. Doch zunächst kommt stattdessen Jane (Jane Adams) vorbei, eine gute Freundin, die die verzweifelte Amy mit einer Flasche Alkohol in der Hand erblickt. Die Todesvisionen schiebt die Besucherin auf den Einfluß der berauschenden Flüssigkeit, mit der Amy wohl des Längeren schon ein Problem hat. Die reibt sich derweil am Fußboden, mit der Erkenntnis, dass das Holz der Dielen einst lebendig war und auch sie nach ihrem Ableben zu funktionierenden Gegenständen verarbeitet werden möchte (Leder, Seife, whatever). Jane, die sich sichtlich Sorgen macht, verlässt kurz darauf das Haus, um an einer Geburtstagsfeier teilzunehmen. Dort angekommen, wirkt auch Jane plötzlich geistesabwesend und beginnt ebenfalls davon zu faseln, dass am nächsten Tag der Tod auf sie warten würde. Was sich von Amy auf Jane übertrug, macht im Folgenden auch nicht vor den Partygästen halt, die nach und nach mit ihrem Leben abschließen und seltsame, teils grausame und ziemlich endgültige Entscheidungen treffen…
Wer mit den falschen Erwartungen an She Dies Tomorrow herangeht, nämlich hier einen waschechten Horrorfilm zu bekommen, der wird unweigerlich enttäuscht werden. Denn auch wenn die Vorstellung, dass das eigene Leben in Kürze endet mit Sicherheit eine Horrorvision ist und die pandemische Ausbreitung des Todes auf eine gewisse, beklemmende Art unheimlich wirkt, so überwiegt doch das Genre Drama während der gesamten Laufzeit. In teils träumerischen, meist ruhig und künstlerisch inszenierten Bildern, werden wir Zeuge, wie der Lebenswille der Protagonisten in Sekunden schwindet, meist begleitet von wilden Farbspielen und interessanten Kameraeinstellungen, die She Dies Tomorrow zu einem nachdenklich machenden Filmerlebnis werden lassen, bei dem es viel zu entdecken gibt.
Denn überall wurden Hinweise verstreut, die aufklären, was mit dem ein- oder anderen Charakter geschehen ist. Sei es in Dialogfetzen, Bildern an der Wand oder nur einem Pizzakarton, der Aufschluss gibt, an welchem Zeitpunkt der Geschichte, die nicht durchweg chronologisch erzält wird, wir uns gerade befinden. Auch die Musik ist sorgsam ausgesucht worden. So legt Amy immer wieder eine Schallplatte mit Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem in d-Moll auf, einem Stück, welches das zu früh verstorbene Genie nicht mehr vollenden konnte. Die düstere Traurigkeit der Melodie fügt sich wunderbar in die Bilder der einsam auf den Tod wartenden, jungen Frau ein. Wer allerdings auf Erklärungen gegen Ende hofft, der ist hier ebenfalls an der falschen Adresse.
Regisseurin Amy Seimetz, die auch als Schauspielerin bekannt ist (u.a. Alien: Convenant), gelang ein recht beeindruckender, andersartiger Horrorfilm, der nicht gänzlich perfekt ist und ein Großteil seines Publikums langweilen dürfte. Wer sich aber auf den arthousigen Todestrip einlassen kann, bekommt einen unterschwellig beängstigenden und tripartigen Albtraum serviert, der nachhaltig zum Nachdenken einlädt.
Die Bildqualität (1,78:1 / 1080p) der zum Test vorliegenden Blu-ray ist fantastisch. Der Ton (Deutsch und Englisch in DTS-HD Audio Master 5.1 / DVD = Dolby Digital 5.1) ist ebenfalls sehr gut und die Synchronisation gelungen. Deutsche Untertitel sind optional enthalten. Im Bonusmaterial befindet sich der Trailer und eine Bildergalerie. Ein Booklet soll im Mediabook enthalten sein (hierzu kann ich leider keine Angaben machen, da mir lediglich die Blu-ray vorlag).