Regisseur Park Chan-Wook war wohl derjenige, der das südkoreanische Kino zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Westen bekannt machte. So begeisterte er zunächst die Asia-Actionfans mit dem Kracher JSA – Joint Security Area, ehe er 2003 mit dem Rachedrama Oldboy einen Kultfilm erschuf, der in den USA sogar zu Remakeehren kam (ohne dabei die emotionale Wucht des Originals zu erreichen). Der Film, der für sich alleine stehen kann, stellt aber tatsächlich den Mittelteil von Chan-Wooks Rache-Trilogie dar und wurde seitens CAPELIGHT PICTURES bereits vor geraumer Zeit ausgewertet. Jetzt legte der Verleiher nach und veröffentlichte den ersten- und letzten Teil der Reihe ebenfalls. Inhaltlich hängen die Filme aber nicht zusammen. Wir haben uns die „Limited Edition“ einmal genauer angesehen und uns für Euch auf den Pfad der Rache begeben.
Originaltitel: Boksuneun naui geot
Regie: Park Chan-Wook
Darsteller: Kang-ho Song, Shin Ha-kyun, Bae Doona, Ji-Eun Lim
Artikel von Christian Jürs
Ryu (Shin Ha-kyun) ist seit Geburt an taubstumm. So erträgt er es mit Leichtigkeit, in einer Fabrik voller ohrenbetäubendem Lärm seinem Tagewerk nachzugehen. Doch die Bezahlung ist schlecht und reicht nur knapp, um sich und seine bei ihm lebende, schwerkranke Schwester (Ji-Eun Lim), die er über alles liebt, durchzufüttern. Sie benötigt dringend eine lebensnotwendige Nierentransplantation, doch dafür ist kein Geld da. Ryu selbst kann ihr sein Organ nicht spenden, da die Blutgruppen der Geschwister nicht kompatibel sind.
Aus Verzweiflung wendet sich Ryu an eine Gruppe illegaler Organhändler. Da sein mühsam Erspartes jedoch auch hierfür nicht ausreicht, bietet man ihm an, zusätzlich seine Niere in Zahlung zu nehmen, um das benötigte Spenderorgan zu finanzieren. Der junge Mann willigt ein, wird jedoch übers Ohr gehauen und nach besagter Nierenentfernung ohne Geld und Spernderorgan zurückgelassen. Doch sein Leid soll noch lange nicht enden, denn zur Krönung des Ganzen verliert Ryu auch noch seinen Job. Yeong-mi Cha (Bae Doona), mit der er eine Beziehung führt, hat daraufhin die Idee, eine Entführung samt Lösegelderpressung durchzuführen, um an die nötige Kohle zu kommen. Die kleine Tochter von Ryus ehemaligem Chef (Kang-ho Song) ist es schließlich, die in die Fänge der verzweifelten Entführer gerät. Zunächst verläuft alles nach Plan und Ryu scheint seinem Ziel, seine Schwester zu retten, zum greifen nah zu sein. Doch das Schicksal hat andere Pläne und so läuft die Entführung gewaltig aus dem Ruder. Eine Odysee aus Leid und Tod nimmt ihren Lauf.
Sympathy for Mr. Vengeance war seinerzeit kein kommerzieller, jedoch ein künstlerischer Erfolg. Zu sperrig für ein großes Publikum wirkt die auf über zwei Stunden aufgeblähte Geschichte hier und da. Besonders in der ersten halben Stunde ist der Film zäh wie Leder. Da hilft es auch nichts, dass Regisseur Park Chan-Wook eine beeindruckende Bildkomposition bietet, bei der die Frisur der Hauptperson farblich zu seinem Arbeitsplatz passt. Hier und da blitzt etwas rabenschwarzer Humor auf, zum Beispiel, wenn sich die Männer aus der Nachbarschaft etwa an die Zimmerwand klammern, um zum lustvollen, weiblichen Stöhnen, welches aus Ryus Wohnung dringt, zu masturbieren. Die Kamera offenbart uns kurz darauf, dass die scheinbaren Sexgeräusche tatsächlich dem schmerzverzehrten Wimmern und Schreien der an Niereninsuffizienz leidenden Dame entstammen. Auch die Siloutte dreier Männer, die mehrere Treppen hinaufsteigen müssen, lädt zum Schmunzeln ein, da der Hintermann von Stockwerk zu Stockwerk immer weiter keuchend zurückbleibt. Der Film ist außerdem der Erste, der eine Sexszene mit Gebärdensprache abliefert (wenn sich jemand für diese Tatsache interessiert). Durchdachte Bildkompositionen als humoristische Einlage – Chan Wook versteht sein Handwerk.
Nach einer Stunde etwa bricht dann eine ungeahnte Tragödie über die Figuren hinein und der Film macht einen unerwarteten Schlenker, indem er den titelgebenden Mr. Vengeance auf gleich zwei Charaktere verteilt. Näher ins Detail möchte ich jedoch nicht gehen, um weitere Spoiler zu vermeiden. In dieser zweiten Hälfte entfacht der Film seine wahre Stärke. Der bereits im Titel angekündigte Rachefeldzug entpuppt sich mitnichten als gewaltverherrlichender Racheakt, wie man ihn aus genreüblichen Werken gewohnt ist. Im Gegenteil, die hier vollzogene Rache tut weh, sowohl den Protagonisten, als auch uns, den voyeuristischen Zuschauern. Ob eine tödliche Stromfolter oder das Ausbluten durch Fersenschnitt, man möchte eingreifen und den Figuren vor ihrem Handeln ins Gewissen reden. Doch man sitzt machtlos vor dem Bildschirm und muss mitansehen, wie am Ende nur Tod und Leid übrig bleiben.
So mausert sich der Film, vom anstrengenden, ruhigen Kunstkino der ersten Minuten, zu einer bitter-traurigen Satire in der übrigen Laufzeit. Neben der Regie muss man die Schauspieler loben, die einen fantastischen Job machen und teilweise sogar Gebärdensprache erlernen mussten. Ein überzeugendes Spiel. Lediglich der Steinewerfer am Flussufer neigt zum Overacting, aber wohl auch nur nach westlicher Sicht, denn hier spielt der typische, asiatische Humor eine wesentliche Rolle. Insgesamt ein wirklich sehenswerter, grandios inszenierter Film, der seinem Nachfolger Oldboy jedoch nicht das Wasser reichen kann. Diese Messlatte ist allerdings auch enorm hoch.
Die Veröffentlichung des Mediabooks von Capelight Pictures schmückt einmal mehr das Sammlerregal. Das Bild (UHD 2160p / Blu-ray 1080p / DVD anamorph 16:9) ist gestochen scharf, neigt aber auch, aufgrund seines gewollt hohen Kontrasts, zu leichter Schneebildung. Der Ton (Deutsch und Englisch in DTS-HD Audio Master 5.1 / DVD in Dolby Digital 5.1) ist super. Deutsche Untertitel sind vorhanden. Im Bonusbereich befindet sich ein Audiokommentar von Regisseur Park Chan-Wook (koreanisch mit UT), ein Making Of, Interviews mit dem Cast und Trailer. Auf Blu-ray und Ultra HD gibt es zusätzliche Featurettes und ein animitertes Storyboard. Das obligatorische, informative Booklet stammt diesmal von Lucas Barwenczik.
Ein weiteres Muss für Fans des südkoreanischen Kinos.