Der Film basiert hauptsächlich auf dem Buch New World: Die Flucht und ist Teil der Jugendbuch-Trilogie New World, die auch auf dem deutschen Büchermarkt erschien. Vielleicht hatten die Produzenten von Chaos Walking die Tribute von Panem im Hinterkopf, auch eine Jugendbuch-Reihe, die recht erfolgreich verfilmt wurde, denn Chaos Walking haut in die gleiche Kerbe wie Die Tribute von Panem: Junge Menschen, Mitte 20, kämpfen in einer dystopischen Zukunftsvision um ihre Identität und ihr Leben… doch während bei der Produktion von Panem alles nach einem fertigem Drehbuch verlief, musste man sich in Chaos Walking mit einem Chaos-Drehbuch begnügen. Das Ergebnis wurde nun von STUDIOCANAL im Heimkino veröffentlicht.
Regie: Doug Liman
Darsteller: Tom Holland, Daisy Ridley, Mads Mikkelsen, Nick Jones, Kurt Sutter
Artikel von Kai Kinnert
In einer nahen Zukunft findet Todd Hewitt (Tom Holland) die mysteriöse Viola (Daisy Ridley), die nach einer Bruchlandung auf dem fernen Planeten „New World“ gestrandet ist. In Todds Heimatstadt Prentisstown sind alle Frauen verschwunden und die männlichen Bewohner stehen unter dem Einfluss des rätselhaften „Lärm“ – eine seltsame Kraft, die alle Gedanken für jeden und jederzeit hörbar werden lässt. In dieser gefährlichen und feindlichen Welt ist Violas Leben von Anfang an in Gefahr. Gemeinsam mit Todd begibt sie sich auf die Flucht vor dem Anführer von Prentisstown (Mads Mikkelsen) und seinen Männern. Dabei kommen die beiden einer unglaublichen, dunklen Wahrheit auf die Spur und müssen schon bald um ihr Leben rennen.
Ich bin erstaunt, wie viele Doug Liman-Filme mir schon untergekommen sind, ohne das mir der Regisseur dabei jemals auffiel. Dabei waren das allesamt irgendwie gute Filme und die Liste ist lang. Da ist Swingers, Go!, Die Bourne Identität, Mr & Mrs Smith, Jumper, der hervorragende Edge of Tomorrow und Barry Seal. Außerdem bastelt Doug Liman gerade an der Fortsetzung von Edge of Tomorrow herum (Live Die Repeat an Repeat), sowie am Remake von Auf dem Highway ist die Hölle los. Ein fleißiger Handwerker Hollywoods also, der, wie es das Making Of von Chaos Walking verrät, gerade dann angeheuert wird, wenn das Drehbuch noch nicht fest steht. Es gibt zwar eine Richtung, aber die Szenen formen sich erst während des Drehs, man improvisiert ständig. So landete Doug Liman dann bei Chaos Walking, einem Film mit großem Budget und einem schwammigem Drehbuch, das Probleme mit der Romanvorlage hatte.
Die Köpfe der männlichen Figuren sind nämlich vom Noise umgeben, farbig flirrende, unkontrollierte Gedankenströme, die von den anderen Typen gelesen werden können. Es ist das geistige Hintergrundrauschen, das ehrlich und ungefiltert durch die Atmosphäre visualisiert wird und in Interaktion mit anderem Noise treten kann. Frauen haben das Noise nicht, allerdings gibt es keine Frauen mehr auf dem Planeten. Was war passiert? Ein Geheimnis, das der Film später lüften wird.
Im Endergebnis ist Doug Liman und seinem Team die Interaktion und Darstellung der Noise Sphäre, die um die Köpfe der männlichen Schauspieler herum schwirrt, gelungen. Im Grunde haben alle Spielszenen eine Improvisationsebene für die Schauspieler, die so zeitgleich zwei Schienen bedienen mussten. Auf der einen Seite den festgeschriebenen, äußeren Dialog, auf der anderen Seite die nicht im Drehbuch stehenden Noise-Monologe, die aber Einfluss auf das Schauspiel hatten. Doug Liman ließ ständig improvisierte Gedankenströme am Set auf Band einsprechen, um sie so beim Dreh vor Ort für den jeweiligen Take während der Aufnahme per Lautsprecher einzuspielen. Wer sich mal mit Film beschäftigt hat, oder selber gar welche drehte, kann sich vorstellen, was für eine vertrackte Arbeit es sein muss, teil-improvisierte Szenen mit ständig eingeflüsterten Meta-Monolgen so hinzubekommen, das sie rund und geschlossen ins Große Ganze passen. Wer nur ein Crowdfounding-Budget verpulvert, hat beim Scheitern eines solchen filmischen Experimentes nur den Unbill in den Kommentarspalten des Internets zu befürchten, Doug Liman hingegen hatte eine Tasche mit 120 Millionen Dollar vor seine Tür gestellt bekommen und sollte seinen Low Budget erprobten Improvisationsriecher anwerfen, um das schwammige Drehbuch zu retten. Da zu experimentieren, ist schon etwas kostspieliger als gewohnt, aber Liman, Tom Cruise erprobt, nahm den Job an.
Aber 120 Millionen Dollar? Wo, zum Geier, sind die auf der Leinwand zu sehen? Der Film spielt hauptsächlich im Wald und auf einer Wiese, am Bach, dann neun Hütten, drei Innen-Sets und zwei Actionszenen. Klar, um die Köpfe der Schauspieler flirrt ständig Farbe herum, drei bis fünf CGI Grafiken gibt es auch noch, dann ein Raumschiff und am Ende explodiert auch mal was, aber weder Ausstattung noch Aufwand scheinen, oberflächlich gesehen, die Kosten zu rechtfertigen.
Der Film wirkt einfach, irgendwie unaufgeregt und ohne die üblichen Bilder, die das SF-Kino sonst so mit CGI & Co in bunter Breite produziert. Doug Liman lässt einfach nur eine handvoll Männer durch die Landschaft reiten, der Streifen wirkt teilweise eher wie ein Western, und die Story hat Potential, gerade wegen seiner filmischen Reduzierung. Die 120 Millionen Dollar sind der Look des Films, hier wurde das Geld nicht für CGI-Bombast ausgegeben, sondern für die Sorgfalt in der Optik. Das Geld ist also doch auf der Leinwand zu sehen, man muss nur genauer hinschauen. Die Landschaften wurden sorgfältig ausgewählt, die Farbgebung ist satt, das Licht passend, die Effekte geschmeidig eingearbeitet und die Kamera großartig geführt. Was einfach aussieht, wurde optisch durchdacht inszeniert.
Doch trotzdem hapert es bei Chaos Walking. Das technische Understatement ist zwar gekonnt, aber irgendwie will der Funke nicht so recht überspringen, was auch daran liegt, das Chaos Walking recht wortreich ist. Dem Noise wurde zu viel Platz eingeräumt, ohne das es, bis auf eine Stelle im Film, großen dramaturgischen Nutzen hätte. Und mögen die Schauspieler auch gute Arbeit leisten, sind ihre Gesichter am Ende dann doch austauschbar, keiner erreicht hier das Format eines Mads Mikkelsen, der einfach ein Filmtyp ist und selbst flach gestampften Rollen nur durch seinen Blick Kante geben kann. Das fehlt den jungen Nachwuchsstars wie Tom Holland und Daisy Ridley, die irgendwie ohne Wiedererkennungswert spielen. So wird der Film dann alsbald langweilig, weil einen weder die Story, noch die Besetzung vom Hocker haut. Da kommt dann die Action im letzten Drittel des Films schon zu spät, und auch die zerfällt, nach einem guten Anfang, leider in Konventionen. Da wird es dann ein bisschen wie immer, so mit Klettern in einer futuristischen Ruine oder dem Finish am Abgrund. Doug Liman hätte mehr auf Pferde setzen sollen, denn die Szenen stehen dem Film am Besten.
Chaos Walking trudelt sich so insgesamt zu einem recht lauwarmen SF-Film ein, der allerdings filmisch ziemlich gut ist, letztendlich aber mehr Spannung durch Handlung und weniger durch Worte verdient hätte. Doug Liman konnte den Film leider nicht so dolle retten.
Das Bild der mir vorliegenden Blu-ray ist gut, satt und klar, der Ton ebenso. Als Extras gibt es das Making Of Der Lärm des Regisseurs, Die Quelle der Stille, Innere Gedanken mit Patrick Ness, Die Bürger von Prentisstown, Eröffnungsszene mit Kameramann Ben Seresin, Die Musik von Chaos Walking und Zusätzliche Szenen mit Audiokommentar.