1998 befand sich Chuck Norris, seines Zeichens unzerstörbarer Spezialist für Roundhouse-Kicks und passionierter Vollbartträger, mit der Serie WALKER, TEXAS RANGER (1993-2001) auf der Höhe seines Fernsehrums, was den Sender CBS dazu veranlasste, die Popularität ihres Stars umfangreicher zu nutzen. So entstand in jenem Jahr der TV-Actioner ENTER THE HITMAN (1998), der mit Eddie Cibrian einen neuen Helden installieren sollte, der auch gleich vom guten alten Chuck in die Kunst der tödlichen Kicks eingeweiht wird. Imperial Pictures / Cargo Records haben den Streifen vor Kurzem als DVD-Neuauflage veröffentlicht. Ob es sich hierbei um ein vergessenes Genrejuwel oder standardisiertem TV-Schmonz handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: Logan’s War: Bound by Honor
Drehbuch: Walter Klenhard
Regie: Michael Preece
Darsteller: Eddie Cibrian, Chuck Norris, Joe Spano, Jeff Kober, Brendon Ryan Barrett, James Gammon…
Artikel von Christopher Feldmann
Chuck Norris hat es nie in die A-Liga der Actionstars geschafft und das, obwohl sich um kaum einen anderen Schlagetot der goldenen Ära des Actionfilms ein derartiger Kult gebildet hat. Nahezu jeder, der nicht gerade in einer Höhle ohne Internetleitung haust, kennt die sogenannten Chuck-Norris-Facts, simple Witze die dessen Image als überlebensgroßer, unzerstörbarer Actionhero überspitzt aufs Korn nehmen. Dabei sollte man aber immer bedenken, dass der erzkonservative Vollblutpatriot Norris in seiner Karriere so ziemlich alles dafür getan hat, um mit diesen Witzen geadelt zu werden. Man erinnere sich nur an die ganzen reaktionären Gassenhauer aus den 1980er Jahren, die von Cannon Films auf die zahlende Zuschauerschaft losgelassen wurden: MISSING IN ACTION 1-3 (1984-1988), INVASION U.S.A. (1985) oder DELTA FORCE (1986), in denen Chuck es stets mit amerikanischen Feindbildern aufnehmen musste, die Auseinandersetzungen wurden meist reichlich MG-Feuer und Explosionen bestritten und mit einem knackigen Roundhouse-Kick beendet. In den 1990er Jahren wanderte Norris wie so viele B-Recken in die Videotheken und die filmischen Ergüsse wurden immer schlechter, spätestens mit FOREST WARRIOR (1996) sogar nahezu unguckbar. Immerhin vermarktete sich der bärtige Karate-Champion erfolgreich als Zugpferd für seine eigene CBS-Serie, nämlich WALKER, TEXAS RANGER (1993-2001), in der das tat, was er am besten konnte, Baddies auf die Schnauze hauen und zwar Woche für Woche. Mit dem Erfolg der Serie schien auch der Sender seinen Fokus auf zielgruppenorientierte Actionkost zu legen und lieferte mit ENTER THE HITMAN (1998) einen eigens produzierten Film ab, der nicht nur auf einer Story von Norris selbst fußt, sondern auch verdächtige danach aussieht, als hatte man einen Piloten für eine neue Serie im Sinn. Warum es sich bei LOGAN’S WAR: BOUND BY HONOR (so der Originaltitel) um eine Eintagsfliege handelt, lässt sich recht leicht feststellen.
Handlung:
Als Kind mußte Logan Fallon (Eddie Cibrian) mit ansehen, wie seine gesamte Familie getötet wird. Nun lebt er bei seinem Onkel Jake (Chuck Norris), der ihm Kampfsport lehrt und den Umgang mit Waffen beibringt. Als Erwachsener entschließt er sich, wie sein Onkel zur Armee zu gehen, um Elitesoldat zu werden. Jahre später kehrt er mit Auszeichnung wieder zurück, um sein wahres Ziel ins Auge zu nehmen. Die Mörder seiner Eltern und deren Hintermänner zu überführen, damit sie ihrer gerechten Strafe nicht entgehen….
Bevor man(n) sich dafür entscheidet, ENTER THE HITMAN zu seinem Film des Abends zu küren, sollte erwähnt werden, dass es sich hierbei mitnichten um ein echtes Chuck-Norris-Vehikel handelt. Wer knackige, reaktionäre Action mit dem stählernsten Vollbart der Filmgeschichte erwartet, könnte daher bitter enttäuscht werden, denn der knurrige Altstar bekleidet hier nur eine Nebenrolle, auch wenn das DVD-Cover anderes vermuten lässt. Die Idee zu dem Film stammt übrigens von Norris persönlich, der hier nebst Brüderchen Aaron Norris auch als ausführender Produzent gelistet ist, und das merkt man dem Ganzen zu jeder Sekunde an, trieft der Streifen doch nur so vor pathetischen Apothekenweisheiten, Militärglorifizierung und Rechtfertigung von Selbstjustiz, also all die Dinge, für die der olle Chuck seit jeher steht. Das wäre auch alles kein Problem, solange hier ordentlich der Punk abgehen würde, allerdings handelt es sich hierbei um ein wirklich mageres TV-Filmchen für die Wochenquote.
Bevor der geneigte Fan etwas Krawumm serviert bekommt, vergeht ziemlich viel Laufzeit und das auf dem Niveau einer seichten Seifenoper. So begleiten wir Protagonist Logan als Zehnjährigen, der zu schmalzigem Gedudel mit Papa Baseball im Garten spielt, während Mutti liebreizend von Terrasse grinst. Natürlich wissen wir, dass die Familienidylle nicht lange währen wird, denn prompt wird die Sippschaft, inklusive der kleinen Tochter, von ruchlosen Auftragsmördern erschossen, weil Daddy eben Staatsanwalt war und den falschen Gangsterboss hinter Gitter bringen wollte. Von nun an tritt Onkel Chuck…äh, Jake auf den Plan, um seinen traumatisierten Neffen auf seiner Ranch zu hüten und ihn mit ur-amerikanischen Werten vertraut zu machen, nämlich Reiten, Schießen, Kickboxen und mit dem Messer kämpfen, damit klein Logan, der inzwischen um 15 Jahre gealtert ist, wobei das eigentlich gar nicht mit der Produktionszeit und dem Prolog hinhaut aber egal. Der geht zum Militär und darf ein wenig in der Fauna rumballern und sich sein Abzeichen abholen, nur um gleich wieder auszusteigen, nach Chicago zu reisen und die Gangster aufzumischen, die seine Familie auf dem Gewissen haben. Das ist in etwa der ganze Plot, der sich bei einer Laufzeit von 90 Minuten ziemlich zäh gestaltet. Das liegt in erster Linie daran, dass man sich viel zu viel Zeit damit lässt, Logans Kindheit zu zeigen, vermutlich um Chuck Norris mehr Screentime zu verschaffen, denn der muss seinen Neffen ja fachgerecht in die Kunst des Kampfes einweisen. So reiht sich eine Trainingsmontage an die nächste, untermalt von einem furchtbaren Score, der klingt als hätte sich der Komponist daran versucht, ein großes musikalisches Thema im Stil von John Williams zu schreiben und das in jeder Szene, egal ob es tonal passend ist oder nicht.
So plätschert das Ganze relativ ereignislos vor sich hin, bis Logan damit beginnt, den Mob in Chicago zu infiltrieren. Bis dahin ist aber schon so viel Laufzeit ins Land gegangen, dass man schlicht keine Zeit mehr für diesen Handlungsstrang hatte und somit auf Schnelldurchlauf schaltet. So kommt zu keinem Zeitpunkt nur ein Hauch von Spannung auf und das Finale ist dann auch nur so semi-cool. Immerhin darf dann nochmal Chuck Norris aus dem Nichts auftauchen, ein paar Schurken aufs Kreuz legen und sogar seinen legendären Frontscheibenkick aus BLACK TIGER (1978) ausführen. Das ist tatsächlich witziger und auch unterhaltsamer als die zahlreichen Szenen mit Hauptdarsteller Eddie Cibrian zuvor. Der Schauspieler, der zuvor im BAYWATCH-Spin-Off BAYWATCH NIGHTS (1995-1997) zu sehen war, fehlt jegliches Charisma und wirkliches Talent, weshalb gerade die emotionalen Szenen völlig unglaubwürdig wirken. In Sachen Action macht Cibrian keine allzu schlechte Figur, der Film hat davon einfach nur zu wenig. Bei der Sichtung hatte ich mir fast schon Brendon Ryan Barrett zurückgewünscht, der Logan als zehnjähriges Kind verkörpert. Dass der Junge einen siebten Sinn für Gefahr hat (also tatsächlich bildliche Vorahnungen) spielt irgendwann auch keine große Rolle mehr, es wird nur erwähnt, dass Onkel Chuck auch über diese Gabe verfügt, wobei…wenn nicht Norris, wer sonst?
Inszenatorisch bewegt sich ENTER THE HITMAN natürlich auf TV-Niveau und sieht aus wie eine Folge WALKER, TEXAS RANGER auf Spielfilmlänge aufgeblasen. Der Regisseur Michael Preece, der nicht nur bei zahlreichen Folgen für Norris‘ Hit-Serie Regie führte, sondern sich auch für die TV-Heuler BERETTA’S ISLAND (1993) und THE PRESIDENT’S MAN (2000) verantwortlich zeichnet, scheint ein Faible für Trainingsmontagen zu haben, so inflationär werden diese eingesetzt. Da hätte selbst Sylvester Stallone zu ROCKY-IV-Zeiten neidisch werden können. Ansonsten lässt sich nichts weiter negatives oder gar positives über dieses Filmchen sagen, außer, dass es ein Produkt seiner Zeit ist, in der Filme wie dieser hier oder Serien wie WALKER… der heiße Scheiß zur Prime-Time waren. Lang ist’s her.
Die DVD aus dem Hause Imperial Pictures/Cargo Records bietet den Film standesgemäß im 4:3-Format, die Bild-Qualität ist allerdings ganz ordentlich und auch der Ton ist solide. Immerhin wird Norris auch hier von seinem Stammsprecher Jürgen Kluckert gesprochen, der für mich einfach dazugehört. Neben einem Wendecover ohne FSK-Flatschen enthält die Scheibe noch den Trailer.
Fazit:
ENTER THE HITMAN (1998) ist klassisches TV-Futter aus den späten 1990er Jahren, als es sich Chuck Norris bei CBS bequem gemacht hatte. Ein über weite Strecken vergessenswerter, schlecht geschriebener Actionfilm, in dem die Action und auch Norris selbst zu kurz kommen und dem blassen Nullgesicht Eddie Cibrian dafür umso mehr Raum gegeben wird. Nur etwas für hartgesottene Norris-Komplettisten.
Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film