Es ist soweit. Auch im Heimkino könnt Ihr Euch nun das Ende der Ära Daniel Craig im James Bond Universum ansehen. Sein fünfter und letzter Einsatz als Doppelnullagent stand zunächst unter keinem guten Stern. Erst kündigte Craig kurz nach Veröffentlichung des Vorgängers Spectre an, nie wieder in die Rolle schlüpfen zu wollen, dann ließ er sich doch überzeugen und kehrte für einen Abschlussfilm zurück. Dieser musste jedoch, wegen Corona, um Monate verschoben werden. Als der Film dann endlich startete, schlug er ein wie eine Bombe. Doch nicht jeder Bondfan ist glücklich mit dem sehr melancholischen Abschied Craigs aus der Rolle, die ihn weltberühmt werden ließ. Warum dies so ist, könnt Ihr nun in der Veröffentlichung von UNIVERSAL PICTURES HOME ENTERTAINMENT herausfinden. Weswegen ich diesen Film als bestmöglichen Abschied empfinde, erfahrt Ihr hingegen im Artikel.
Originaltitel: No Time to Die
Regie: Cary Joji Fukunaga
Darsteller: Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Lashana Lynch, Ralph Fiennes, Ben Wishaw, Ana de Armas, Christoph Waltz, Naomie Harris, Jeffrey Wright, Rory Kinnear, Billy Magnussen
Artikel von Christian Jürs
Bevor 2006 mit Casino Royale ein Reboot des gesamten James Bond Franchises in die Kinos kam, waren die Unkenrufe bei den Fans groß. Die Sorge, Daniel Craig würde so gar nicht in die Rolle des smarten Gentlemenagenten, der mit scharfem jede Frau zum schmelzen bringt und jedem Bösewicht das Fürchten lehrt, passen. Tatsächlich sah sich so mancher alteingesessene Roger Moore und Pierce Brosnan Fan bestätigt: Daniel Craig war nicht der smarte Gentlemen, der nach getaner Arbeit knutschend sein Girl in den Armen hielt und so lyrische Sätze von sich gab wie „Ich dachte, Christmas kommt nur einmal im Jahr.„. Nein, dieser James Bond hatte mehr etwas von den anderen „JB“-Kollegen Jack Bauer und Jason Bourne, die eher mit konsequenter Härte, denn mit Zauberwaffen aus dem Koffer von Q, die Bösewichte erlegten. Er war ein ungeschliffenes, junges Rauhbein. Einer, der Probleme hatte, seine Gefühle zu offenbaren, bis, ja, bis die eine Frau in sein Leben trat und alles auf den Kopf stellte. Ihr Name: Vesper Lind.
Dass Vesper am Ende von Casino Royale starb, zeigte, welch frischer Wind die Reihe durchwehen würde. Denn fortan blieb ein dunkler Fleck in Bonds Herzen zurück. In den Folgefilmen kreuzten zwar immer wieder Frauen den Weg des Geheimagenten, doch Eva war immer allgegenwärtig für den Doppelnullagenten, der immer wieder auf Vorschriften pfeifte, um seine Ziele zu erreichen. Erst in dem Film, der den Namen der Verbrecherorganisation Spectre trug, wandelte sich das Liebesblatt für den Geheimagenten wieder. In diesem vierten Teil der Craig-Saga, traf Bond nicht nur erstmals auf seinen Erzwiedersacher Ernst Stravro Blofeld (Christoph Waltz), der sich zudem als sein verschollener Halbbruder entpuppte, er machte auch die Bekanntschaft mit Madeleine Swan (Léa Seydoux), der liebreizenden Tochter von Mr. White, einem der Spectre Killer, der nun in Ungnade gefallen war und starb. Für sie quittierte Bond am Ende des Films, nachdem er Blofeld hinter Schloss und Riegel brachte, endgültig den Dienst.
Endgültig? Naja, nicht so ganz. Denn in No Time To Die gerät er, nachdem Madeleine ihn darum bat, am Grab von Vesper Lind, welches sich in einer Kleinstadt in Süditalien befindet, endgültig von seiner Verflossenen Abschied zu nehmen, in eine Falle. Diese wurde ihm von Blofeld, der sich zu diesem Zeitpunkt im Hochsicherheitsgefängnis von London befindet, gestellt – offenbar mit Hilfe von Madeleine Swan. Zwar kann Bond sich und seine bis dato Geliebte in Sicherheit bringen, sein Misstrauen veranlasst ihn aber, seine zweite, große Liebe, die unter Tränen ihre Unschuld beteuert, zu verlassen.
Fünf Jahre später genießt Bond seinen Ruhestand unentdeckt auf Jamaika, doch sein alter Kumpel Felix Leiter (Jeffrey Wright) und seine Nachfolgerin Nomi (Lashana Lynch), die nun seinen Doppelnull-Status ausfüllt, machen ihn ausfindig und nehmen, unabhängig voneinander, Kontakt zu Bond auf. Hintergrund ist, dass Spectre den Wissenschaftler Obruchev (David Dencik) in seine Gewalt gebracht hat und mit ihm die DNA-basierte Biowaffe Herakles. Während Leiter Bond um Hilfe bittet, warnt ihn Nomi, sich von Herakles und damit Spectre, fernzuhalten. Doch Bond wäre nicht Bond, wenn er nicht trotzdem versuchen würde, die Welt zu retten und der Verbrecherorganisation endgültig das Handwerk zu legen. Dabei lernt er einen noch viel gefährlicheren Gegner kennen, den schwer entstellten Lyutsifer Safin (Rami Malek), der, versteckt auf einer Insel, seine eigenen, tödlichen Pläne verfolgt. Auch Madeleine kreut wieder James Bonds Weg – und die hat eine ganz besondere Überraschung für den Geheimagenten außer Dienst.
Niemals zuvor polarisierte ein Film aus der James Bond-Reihe so sehr, wie dieser hier. Alleine auf Amazon findet man mehrere Hundert lächerliche „Ein Stern“-Bewertungen von eingeschnappten Fans, die sich verhalten, als habe man einem Teenager das Smartphone weggenommen. Warum diese Bond-Autisten, die sich knapp 40 Jahre nach Roger Moore immer noch den Sugar-Daddy, der jede Frau, die seinen Weg kreuzt flachlegt, zurückwünschen, sich dermaßen auf den Schlips getreten fühlen, wird selbstverständlich nicht gespoilert (obwohl die halbe Welt den Film ja bereits im Kino gesehen hat). Ich musste mir von eigeschworenen Bondfans anhören, dass Barbara Broccoli sowohl Franchise, als auch Lebensinhalt der ewig gestrigen Jünger zerstört habe und Craig die Figur zu einem weinerlichen Kneipenschläger degradierte.
Natürlich muss man die Richtung, in die die Reihe seit Casino Royale steuerte, nicht mögen. Dem Film aber sämtliche Qualitäten abzusprechen und sich zu empören wie ein Querdenker, dem heimlich eine Impfdosis verabreicht wurde, ist einfach lächerlich. Dieser James Bond, den Daniel Craig darstellt, ist der einzige, der eine Entwicklung durchmacht. Man denke mit Grausen an damalige Zeiten zurück, als Sean Connery in Diamantenfieber der im Film zuvor genial eingebauten Tod seiner frisch vermählten Ehefrau nach wenigen Filmminuten schlichtweg egal ist und er fröhlich mit der nächsten Dame ins Bett hüpft. Damals, vor 50 Jahren, war das okay, ja, selbst Schwachsinn wie unsichtbare Autos oder Madonna als Fechtlehrerin konnte man vor 20 Jahren dem eleganten Pierce Brosnan noch verzeihen. Doch Zeiten ändern sich und wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit, wie Kollege Volker Robrahn treffend anmerkte.
James Bond: Keine Zeit zu sterben ist, wenn man sich darauf einlassen mag, einen erwachseneren Film als gewohnt zu schauen, ein wunderschön gefilmtes Actiondrama, bei dem sich Regisseur Cary Joji Fukunaga als legitimer Sam Mendez Nachfolger entpuppt. Er hat sowohl die Action, die immer wieder eingestreute Komik (insbesondere die Cuba-Sequenz sei hier erwähnt), als auch die Dramatik fest im Griff. Und da der Film sein Ziel, 750 Mio Dollar weltweit einzuspielen, um Gewinn zu erzielen, trotz der pandemiebedingten Schwierigkeiten, erfüllt hat, ist es durchaus vorstellbar, dass zumindest er im nächsten Teil des Franchises zurückkehrt.
Auch auf Seiten des Casts überzeugt im Grunde jeder. Ob alteingesessene Franchiseteilnehmer wie Ralph Fiennes, Ben Wishaw oder Naomie Harris, aber auch Neuzugänge wie Lashana Lynch und vor allem Ana de Armas, die mit Craig bereits im Krimihit Knives Out – Mord ist Familiensache agierte, bereichern den Film. Immer wieder liest man, dass Rami Malek hinter den Erwartungen als großer Bösewicht geblieben ist und zudem zu wenig Screentime bekommen hat. Diese Meinung kann ich jedoch nicht teilen. Ich mag sein Spiel und erinnere an Man lebt nur zweimal, in dem Donald Pleasence nur kurz gegen Ende als Blofeld vorbeischaute, was niemanden damals störte. Vor allem geht es diesmal aber auch gar nicht primär um den Bösewicht, sondern um James Bond selbst. Für mein Empfinden war das alles rund. Qualitativ vielleicht nur knapp hinter Casino Royale und Skyfall, aber funktionierend und trotz der ausufernden 163 Minuten Laufzeit auch keinesfalls zu lang oder gar weilig.
Mir lag zur Rezension die DVD-Version vor, die eine sehr gute Bild- und Tonqualität zu bieten hat. Als Bondfan kam ich aber nicht umher, mir auch die HD-Variante zuzulegen. Diese – und mit großer Sicherheit erst recht die 4K-Version – legt natürlich nochmal eine Schippe drauf. Für ausreichend Bonusmaterial ist, dank Zusatzscheibe, gesorgt. So findet man hier folgende Featurettes: Anatomie einer Szene: Matera, Bei der Wahrheit bleiben: Die Action von „Keine Zeit zu sterben“, Eine globale Reise und Das Design von Bond. Der Film ist zudem, trotz erstaunlich hohem Bodycount, in seiner FSK 12 Variante, komplett ungekürzt.
Wer James Bond: Keine Zeit zu sterben noch nicht kennt, sollte dies schleunigst nachholen, in welcher Veröffentlichungsversion auch immer. Schlichtweg, um mitreden zu können. Vielleicht gefällt Euch der Film aber auch so gut wie mir. Ich habe ihn im Kino schon geliebt und mag ihn seit der Zweitsichtung noch ein wenig mehr. Ich konnte sogar noch mehr der gut über den Film verstreuten Eastereggs entdecken, die jedem Bondfan ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern dürften – zumindest, wenn er sich auf den etwas anderen Franchisefilm einlassen kann. Für mich der perfekte Abschluss, der die beiden schwächeren Vertreter des Daniel Craig-Universums, Ein Quantum Trost und Spectre, im Nachhinein noch ein wenig aufwertet, da alle fünf Filme ein homogenes Ganzes ergeben.
Ach ja, die Musik von Hans Zimmer ist genial und auch der, von vielen gehasste, Bondsong von Billie Eilish passt perfekt zum Film. James Bond will return – In welcher Form auch immer.