„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“. Wobei, nicht so ganz, denn auch wenn es im folgenden Artikel um einen Krimi nach Vorlage des britischen Schriftstellers geht, hat das Ganze nichts mit den schmissigen Pulp-Streifen aus der Rialto-Schmiede der 1960er Jahre zu tun. Was viele nicht wissen, ist, dass sich deutsche Produzenten schon viel früher, nämlich in den 1930er Jahren, an der beliebten Marke versuchten. Mit DER HEXER (1932) wurde der wohl bekannteste Wallace-Krimi schon verfilmt, als der Tonfilm noch in den Kinderschuhen steckte. Studio Hamburg hat dem Film nun eine DVD-Neuauflage verpasst.

Originaltitel: Der Hexer

Drehbuch: Knut Borries, Gigotte Walter; nach dem Roman „The Ringer“ von Edgar Wallace

Regie: Carl Lamarc, Mac Fric

Darsteller: Paul Richter, Marita Matray, Carl Walther Meyer, Fritz Rasp, Leopold Kramer…

Artikel von Christopher Feldmann

Der deutschsprachige Kriminalfilm ist nicht wie so oft angenommen ein Kind der 1960er Jahre. Zwar hatte das Genre in diesem Jahrzehnt unbestritten Hochkonjunktur, entsprechende Werke gab es aber auch schon viel früher. Zwar verschwanden diese mit Beginn des NS-Regimes und auch nach dem zweiten Weltkrieg waren Literatur und Filme dieser Art verpönt, nichts desto trotz gehören zu den großen deutschen Filmgattungen, angeführt von Fritz Langs wegweisendem Klassiker M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER (1931). Auch die Kriminalgeschichten von Edgar Wallace boten sich schon früh für hiesige Adaptionen an. Zwar sollten erst die Gassenhauer aus den 1960er Jahren unter Produzent Horst Wendlandt Kultstatus erlangen, das Verfilmen dieser Werke erwies sich aber schon rund 30 Jahre früher als gutes Geschäft. Mit DER HEXER (1932) verfilmte man dabei schon früh einen der bekanntesten Romane des Autoren und auch wenn hier natürlich nicht der Budenzauber vorhanden ist, den man später in der Version mit Joachim Fuchsberger und Heinz Drache sehen durfte, ein interessantes Zeitdokument ist dieses Frühwerk des deutschen Tonfilms aber allemal.

Handlung:

Gwenda Milton ist tot. Die Polizei findet sie tot in der Themse. Sie war dabei, die Machenschaften des dubiosen Rechtsanwalts Meister (Fritz Rasp) aufzudecken. Erst jetzt erfährt Meister, dass sie die Schwester des „Hexers“ war – eines in der Unterwelt gefürchteten Mannes, weil er an Verbrechern Selbstjustiz verübt. Mit der Bearbeitung des angeblichen Selbstmordes wird Chefinspektor Wenbury (Paul Richter) von Scotland Yard beauftragt. Er erfährt, dass sich Cora Ann Milton (Wera Engels), die Witwe des angeblichen in Australien tödlich verunglückten „Hexers“ auf dem Weg nach London befindet. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen dafür, dass der angebliche Tod des gesuchten Verbrechers nur vorgetäuscht war. Während sich Rechtsanwalt Meister immer weiter in seinem eigenen Lügengewebe verstrickt wird eines bald klar: Der „Hexer“ lebt! Aber hinter welcher Maske verbirgt er sich?

DER HEXER stellt nach DER GROßE UNBEKANNTE (1927), DER ROTE KREIS (1929), DER WÜRGER (1929) und DER ZINKER (1931) den fünften Edgar-Wallace-Film dar, der unter deutscher Ägide entstand. Insgesamt hält sich der Krimi relativ eng an seine literarische Vorlage, die Geschichte um einen Mann mit tausend Masken, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Mörder seiner Schwester zur Rechenschaft zu ziehen, bietet eben genug Material für ein spannendes Verwirrspiel. Allerdings muss man natürlich Abstriche machen, handelt es sich hier doch um ein Werk aus den 1930er Jahren, das wahrhaftig nicht mehr unseren heutigen Sehgewohnheiten entspricht. Immerhin ist es wirklich interessant zu sehen, wie die Macher zur damaligen Zeit die Romanvorlage adaptiert haben. Wirft man einen Blick auf die spätere und auch bekannteste Verfilmung von Alfred Vohrer, stellt man fest, dass diese sich weit mehr kreative Freiheiten nahm, um auch die Erzählung etwas moderner zu gestalten und dem Jahr 1964 anzupassen.

Im hier vorliegenden Film geht es somit nicht um Mädchenhandel, sondern um einen verbrecherischen Anwalt, der mit gestohlenen Juwelen handelt, ein Hehler eben. Den weiteren Handlungsverlauf von der Sekretärin, die zu viel wusste und deshalb sterben musste, über die Ermittlungen Scotland Yards, bis hin zur Bedrohung durch den „Hexer“ findet man so auch in der Rialto-Version, wobei man sich jedoch auch die Liebesgeschichte zwischen dem ermittelnden Inspektor und der Schwester des Juwelendiebs (die in besagter Version beide gar nicht auftauchen) geklemmt hat. Es ist schon ersichtlich, dass hier, also 1932, weniger Effekthascherei im Vordergrund stand, als das Erzählen einer guten Kriminalgeschichte. Leider rückt der Fall und das Spiel mit dem „Hexer“ auffällig, zu Gunsten der Figuren und ihrer Beziehungen zueinander, in den Hintergrund, was etwas schade ist, da der 90 Jahre alte Film in Sachen Charakterentwicklung, Rollentypen und auch Dialogen natürlich ziemlich altbacken und antiquiert wirkt. Das kann man in Anbetracht des Produktionsjahres natürlich nicht unbedingt als Kritikpunkt gelten lassen, anstrengend ist es aber doch. Ich habe mich wirklich ab und an dabei erwischt wie ich auf die Uhr geschaut habe.

Auch die Inszenierung kann nicht mit späteren Standards mithalten, wenngleich hier schon einige interessante Ansätze zu entdecken sind, etwa wie Carl Lamarc Spannung erzeugt, mit Zooms arbeitet oder mit Licht und Schatten spielt. Wie es schon Fritz Lang ein Jahr zuvor gezeigt hat, bietet auch DER HEXER einige inszenatorische Handgriffe, die das Kino nachhaltig beeinflusst haben dürften. Trotzdem lässt es sich nicht leugnen, dass alles, vermutlich auch aus technischen Gründen, sehr steif wirkt und auch die Darsteller sehr theaterhaft agieren, in der Art wie sie sich bewegen, ihre Mimik einsetzen oder ihre Dialoge aufsagen. Am Ende inszeniert Lamarc den finalen Twist zwar auffallend temporeich und pfiffig, der Rest des Films gestaltet sich aber durchaus behäbig.

Auch die Darsteller bleiben etwas profillos, allen voran Paul Richter als Inspektor Wenbury. Es ist schade, dass gerade der Protagonist, der Scotland-Yard-Inspektor, der ja, wie wir später sehen werden, auch immer die Heldenfigur in den Edgar-Wallace-Krimis darstellen sollte, blass bleibt. Das eigentliche Highlight ist definitiv UFA-Legende Fritz Rasp, der hier den verbrecherischen Rechtsanwalt Meister spielt. Rasps markante, fast schon gespenstische Erscheinung und sein unheimlicher Sprachduktus lassen ihn so ziemlich jeden in diesem Film überstrahlen. Kein Wunder, dass man ihn später auch in fünf Edgar-Wallace-Filmen der Rialto Film besetzte, darunter Klassiker wie DER FROSCH MIT DER MASKE (1959) und DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960). Übrigens, auch Franz Schaftheitlin, der hier als Wachtmeister auftritt, verschlug es nochmal zurück zu Wallace, nämlich als Sir John in DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961).

Ab sofort gibt es den Kriminalfilm als DVD-Neuauflage von Studio Hamburg, die dafür sorgen, dass er der Nachwelt erhalten bleibt. Nach seinem Kinoeinsatz wurde er nämlich nie wieder aufgeführt und galt jahrzehntelang als verschollen, bis man eine Nitrofilmkopie fand und ihn somit digitalisieren und restaurieren konnte. Das Ergebnis ist in Sachen Bild- und Tonqualität natürlich nicht vergleichbar mit gegenwärtigen Standards, etwas besseres wird es aber nicht mehr geben.

Fazit:

Die klassische Edgar-Wallace-Geschichte sorgte schon in den Anfangsjahren des Tonfilms für spannende Unterhaltung. DER HEXER (1932) ist natürlich in jeder Hinsicht nicht mehr zeitgemäß und hat einige Längen und altersbedingte Schwächen zu bieten, Krimi- und Wallace-Fans sollten hier aber dennoch einen Blick riskieren, um die Bildungslücke zu schließen.

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