Es ist immer etwas schade, wenn hochgelobte Titel, die beim Fantasy Film Fest das Publikum begeistern konnten, lange auf sich warten lassen, bevor sie endlich im regulären Kino oder eben im Heimkino erscheinen. Im Falle von HUNTER HUNTER (2020) ging nun auch über ein halbes Jahr ins Land, bevor Koch Films den dichten Survival-Thriller demnächst (u.a. in einer Mediabook-Edition) auf den hiesigen Markt bringt. Warum sich Genrefans diese kleine Perle nicht entgehen lassen sollten, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Hunter Hunter

Drehbuch & Regie: Shawn Linden

Darsteller: Camille Sullivan, Summer H. Howell, Devon Sawa, Nick Stahl, Gabriel Daniels…

Artikel von Christopher Feldmann

Die Entstehungsgeschichte, die Shawn Lindens HUNTER HUNTER (2020) vorausgeht, ist fast schon genauso spannend wie der fertige Film und fußt sogar in Deutschland. So ließ sich der Independent-Regisseur, der bereits mit NOBODY (2007) und THE GOOD LIE (2012) auf sich aufmerksam machen konnte, von hiesiger Folklore inspirieren, nachdem er während einer Festivaltour hierzulande notlanden und in einer abgelegenen Pension auf dem Land übernachten musste. Um ihn herum erblickte er mit Nebel verhangene Wälder, die den Filmemacher schlussendlich zum Setting seines dritten Langfilms inspirierten, denn auch sein beinharter Survival-Thriller ist in den dichten Wäldern fernab der Zivilisation angesiedelt, wenn auch in amerikanischen und nicht in deutschen. Dass diese für eine gespenstische und raue Atmosphäre sorgen, liegt also auf der Hand und auch wenn der Film nicht unbedingt die größten Überraschungen bereithält, ist HUNTER HUNTER dennoch ein spannender, brutal konsequenter und überaus sehenswerter Film geworden.

Handlung:

Joseph (Devon Sawa) lebt mit Frau (Camille Sullivan) und Tochter (Summer H. Howell) tief in den nordamerikanischen Wäldern. Fernab der Zivilisation bestreitet die Familie ihren Lebensunterhalt als Fallensteller und Pelztier-Jäger. Als Joseph sich auf die Suche nach einem besonders gefürchteten Wolf begibt, lässt er die Frauen allein in der Hütte zurück. Das Warten auf seine Rückkehr wird für die beiden zur Tortur, denn schon bald bricht der Funkkontakt ab und Joseph bleibt im Wald verschwunden. Doch als ein schwerverletzter Fremder (Nick Stahl) vor der Tür liegt, überschlagen sich die Ereignisse und münden in einem blutigen Finale jenseits jeglicher Vorstellungskraft…

Schaut man sich den Plot genauer an, erkennt man hier und da deutliche Spuren der Gebrüder Grimm, deren Märchen ja auch den ein oder anderen deftigen inhaltlichen Schlenker zu bieten haben, den man nüchtern betrachtet nicht unbedingt als „kindgerecht“ einstufen würde. Auch hier geht es um die Jagd nach dem großen, bösen Wolf, der in den Wäldern sein Unwesen treibt. Dieser steht hier sinnbildlich für das Unheil, denn Wölfe gibt es immerhin auch in Menschengestalt. HUNTER HUNTER spielt sehr gekonnt mit dieser recht doppelbödigen Erzählung und der ihr innewohnenden Allegorie. Im Kern ist der Film aber ein klassischer Survival-Thriller über eine Familie am Rande der Zivilisation, die ihren Lebensunterhalt mit der Jagd und dem Verkauf von Pelztieren verdient.

Zu Beginn spielt Linden mit den Erwartungen des Zuschauers und serviert ein Drama im Slowburner-Gewand, so stehen erst einmal die Familie, ihr Leben in den Wäldern und die damit einhergehenden Probleme und Zweifel im Vordergrund. Das Drehbuch fokussiert sich darauf, den Charakteren Profil zu verleihen, was hervorragend gelingt. Zwar entsprechen diese allesamt etwas altbackenen Stereotypen, etwa dem Mann als Familienoberhaupt und der Frau als eine Art stille Partnerin, die für den Einkauf und den Haushalt zuständig ist, während der Gatte die Beute erlegt. Töchterchen hingegen wird als unschuldiges Mädchen skizziert, die zum eigenen Vater aufschaut. Trotz dieser Klischees besitzen allesamt Grauschattierungen und sind komplexer angelegt, als man es auf den ersten Blick denken würde. Besonders Anne hegt immer wieder Zweifel an ihrer Rolle und pendelt zwischen Sehnsucht nach einem „normalen Leben“ und Treuegefühl ihrem Mann gegenüber. Aber auch Joseph ist nicht nur der abgeklärte Jäger und Fallensteller, sondern zeigt auch viel Empathie, vor allem seiner Tochter gegenüber, der er einiges mit auf den Weg gibt.

Was als Drama beginnt, entpuppt sich später als beinharter Thriller, der gerade gen Ende ordentlich in die Vollen geht und den Zuschauer mit einem bitterbösen und äußerst blutrünstigen Finale überrumpelt. Dass spätestens mit der Ankunft des vermeintlichen Naturfotographen Lou der Ton in Horrorgefilde abgleitet, dürfte niemanden wirklich überraschen, denn wenn es eines ist, das man HUNTER HUNTER ankreiden könnte, ist es der Mangel an Überraschung. Es dauert nicht lange und der Zuschauer kann sich den Ablauf der Ereignisse gut ausmalen, die Art der Erzählung, die Shawn Linden hier wählt, sorgt aber dennoch für spannende Unterhaltung. Mit mehrfachem Perspektivwechsel fügt er einige Fäden zusammen, die zum Schluss ein stimmiges Ganzes ergeben. Das mag vielleicht komplexer klingen als es schlussendlich ist aber manchmal ist eben der Weg das Ziel und die kühlen, gespenstischen Bilder, sowie die unheilvolle Grundstimmung, mit denen Linden seinem blutigen Klimax entgegensteuert lassen manche Unzulänglichkeiten (wie ein ziemlich mieser CGI-Wolf) gar nicht so arg ins Gewicht fallen.

Getragen wird das ganze durch hervorragende Darsteller. Devon Sawa, der seit einiger Zeit gefühlter Dauergast bei mir ist, mimt mit den Familienvater, zwar rau und eigensinnig aber immer noch fürsorglich. Zwar ist seine Screentime begrenzt, dies führt aber dazu, dass Camille Sullivan ins Zentrum des Geschehens rückt, die vom Drehbuch auf eine emotionale Reise geschickte wird. Das funktioniert hervorragend und wird von ihr nuanciert gespielt. Das Gleiche gilt indes für Summer H. Howell, die sich wunderbar in das Gesamtwerk einfügt. Einzig Nick Stahl, der nach TERMINATOR 3 (2003) und SIN CITY (2005) irgendwie von der Bildfläche verschwand, bekommt wenig Chance, seine Rolle voll und ganz auszuspielen. Auch die Tatsache, dass der Zuschauer schnell merkt, was es mit seiner Figur auf sich hat, lässt ihn etwas hinter den restlichen Darstellern zurückbleiben.

Die Blu-ray aus dem Hause Koch Films, die uns dankenswerterweise zur Sichtung vorlag, punktet mit einer gestochen scharfen Bildqualität und einem sauberen wie satten Ton. Lediglich die Extras fallen mit Trailern und kurzen Interviews etwas schmal aus. Immerhin enthält das Mediabook noch ein ausführliches Booklet von Stefan Jung.

Fazit:

HUNTER HUNTER (2020) ist kein Film, der den geneigten Genre-Fan wahnsinnig überraschen wird, dafür verläuft er zu geradlinig und erwartbar. Allerdings glänzt der Survival-Thriller durch seine packende Inszenierung, gute Darsteller und beachtliche Konsequenz. Für Freunde des Nischenkinos auf jeden Fall sehenswert.

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