Heilige Scheiße, was war denn das für eine abgefahrene Nummer? BUSCH MEDIA GROUP hat mit dieser, laut Coverangabe, „aberwitzigen Zeitreise-Comedy“ mitten ins Schwarze getroffen. Ohne optisch sichtbare Schnitte, verfolgen wir hier die Darsteller, wie sie mit sich selbst in unmittelbarer Zukunft kommunizieren, nur, um kurz darauf dem Gegenstück aus eben dieser Zukunft, die dann die Gegenwart darstellt, aus der anderen Perspektive beiwohnen zu dürfen. Genauso chaotisch, wie sich diese Worte lesen, sind dann auch die Ereignisse, die sich in den 70 Minuten Laufzeit überschlagen. Wildes, japanisches Independentkino, dass man so noch nicht gesehen hat.

Originaltitel: Droste no hate de bokura

Regie: Junta Yamaguchi

Darsteller: Kazunari Tosa, Riko Fujitani, Gôta Ishida, Masashi Suwa

Artikel von Christian Jürs

Filme, die in nur einem Take gedreht wurden besitzen eine faszinierende, authentische Atmosphäre. Doch nur wenige Filme, wie etwa der deutsche Beitrag Victoria, wurden tatsächlich in einem Rutsch durchgedreht. Selbst Großmeister wie Alfred Hitchcock (Cocktail für eine Leiche) bedienten sich einiger Tricks, Schnitte so zu kaschieren, dass der Zuschauer diese nicht bemerkt. Heute, im digitalen Zeitalter, ist es für Filmemacher wie Sam Mendez, der 1917 inszenierte, natürlich leichter als damals, ihr Getrickse zu verbergen. Beeindruckend bleiben die mehrminütigen Plansequenzen aber dennoch. Erst kürzlich erschien mit dem Scott Adkins-Klopper One Shot – Mission außer Kontrolle ein saftiger Actionritt, der sich vor Mendez und Co. nicht verstecken braucht. Auch das Regiedebut von Junta Yamaguchi lässt beim Publikum des Öfteren die Kinnlade herunterhängen, denn der kleine Film treibt das Prinzip One Shot absurd auf die Spitze.

Die Handlung von Beyond the Infinite Two Minutes pendelt zwischen dem kleinen Café, irgendwo in einer japanischen Großstadt, welches Kato (Kazunari Tosa) betreibt und seiner direkt darüberliegenden Wohnung. Wir werden Zeuge, wie der junge Mann sich in seine Behausung begibt, um noch etwas an der Gitarre für den Auftritt seiner kleinen Band zu üben. Leider hat er sein Plektrum verlegt und beginnt, fieberhaft danach zu suchen, als er plötzlich unerwartete Hilfe erhält. Denn aus dem Monitor seines Computers, welcher mit dem Fernseher samt Webcam im Café verbunden ist, meldet sich sein Alter Ego aus dem Lokal und erklärt, dass der gesuchte Gegenstand unter den Teppich gerutscht sei. Verdutzt muss Kato feststellen, dass der Kato aus dem Café recht behalten soll. Des weiteren erklärt er ihm, dass zwischen der Übetragung aus der Wohnung und seinem Laden zwei Minuten Zeitunterschied herrschen. Bedeutet, der Kato aus der Wohnung spricht mit dem Kato aus der Zukunft, während der Kato aus dem Café mit dem Kato aus der Vergangenheit plaudert. Zukunfts-Kato meint, Vergangenheits-Kato solle herunterkommen und sich selbst das seltsame Phänomen erklären, danach verlässt der Kato aus der Zukunft das Bild, um wieder nach oben zu eilen.

Gesagt, getan. Wir folgen Kato – weiterhin ohne Schnitt – wie er seine Wohnung wieder verlässt und das Café betritt, wo er sogleich vor die Kamera seines Fernsehers tritt und seinem vergangenen Ich bei der Suche nach dem Plektrum begegnet. Fassungslos erzählt er nun genau das, was wir soeben aus der anderen Perspektive bereits erleben durften. Es dauert nicht lange und seine Angestellte Megumi (Aki Asakura) bemerkt, was vor sich geht und möchte die „Zeitmaschine“ ebenfalls ausprobieren. Kurz darauf treffen auch noch Freunde ein, die natürlich baff vom Zeitreisephänomen sind. So versammeln sich immer mehr Leute vor der Kamera, die mit sich selbst kommunizieren.

Irgendwann keimt dabei die Frage auf, wie man die Entdeckung gewinnbringend nutzen kann, doch was kann man schon mit zwei Minuten anfangen? Doch dann hat einer der Anwesenden eine schräge Idee, die tatsächlich funktioniert und mit deren Hilfe ein Blick in eine fernere Zukunft/Vergangenheit möglich ist. Als dann aber bewaffnete Gangster im Blick in die Zukunft auftauchen, droht die Situation zu eskalieren.

Beyond the Infinite Two MInutes besticht nicht unbedingt mit den talentiertesten Darstellern. Insbesondere Kato-Darsteller Kazunari Tosa nervt hier und da mit seiner abgehackten Sprechweise. Dass die deutsche Synchronisation dazu ebenfalls Luft nach oben bietet, passt sich dem Gezeigten irgendwie an. Wenn man aber gewillt ist, ein Auge zuzudrücken, bekommt man einen wilden Ritt geboten, der einen Blick warhaft wert ist. Eigentlich ein Spaßprojekt einer Theatergruppe und teilweise mit einem Smartphone aufgenommen, überträgt sich der Fun dank unfassbarer Kreativität der Macher beim Publikum. Hinzu kommt, dass man absolut keinen Schimmer hat, wohin die Reise letztlich geht.

Die Bildqualität des kleinen Films ist, bedingt durch sein Ausgangsmaterial, nicht unbedingt bahnbrechend, aber immer noch gut. Der Ton liegt in sauberem 5.1 Ton, sowohl auf Deutsch, wie auch auf Japanisch vor (deutsche Untertitel inklusive). Als Bonus gibt es ein Interview mit dem Regisseur, ein Making-Of und den Trailer (sowie weitere Werbetrailer). Das informative Booklet, welches der Mediabookvariante beiligt, wurde von Rouven Linnarz aus der deadline – Das Filmmagazin-Redaktion verfasst.

Wer auf schräges, originelles und experimentelles, aber auch flottes Unterhaltungskino steht, der sollte sich diese abgefahrene Nummer nicht entgehen lassen.

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