Wenn aus dem Hause TIBERIUS FILM ein neuer Horrorfilm kommt, ist diese Tatsache für so manchen Konsumenten schon gruselig genug. Doch diesmal, liebe Leser, ist der Film, der in den USA beim Streamingdienst Shudder gezeigt wird, tatsächlich einen Blick wert. Zwei recht unterschiedlich begabte Drehbuchautoren treffen in verschneiter Einöde aufeinander. Als eines Abends der Strom wegbleibt, versuchen sie sich mit dem Erzählen von Schauergeschichten die Zeit zu vertreiben. Klingt nicht sonderlich spektakulär – ist es auch nicht – aber durchaus unterhaltsam und sehr originell.

Drehbuch & Regie: Josh Ruben

Darsteller: Josh Ruben, Aya Cash, Chris Redd, Rebecca Drysdale

Artikel von Christian Jürs

Als Hörspielfan weiss ich sie zu schätzen: Gruselgeschichten, die nicht auf visuellen Horror setzen, sondern auf die Kraft der eigenen Vorstellung. In Ferienlagern ist das ähnlich. Dort erzählt man den Kindern und Jugendlichen Schauergeschichten, während die Marshmallows am Lagerfeuer rösten. Hier reicht die Stimme des Erzählers und vielleicht eine gezogene Fratze in seinem Gesicht, um wohligen Grusel zu erzeugen. Dies sind auch die Zutaten, die sich Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller Josh Ruben (Werewolves Within) für seine kleine Horrorfarce Scare Me zu Nutzen machte.

Darin spielt er Fred, einen erfolglosen Schauspieler und Drehbuchautor, der übers Wochenende eine abgelegene Waldhütte mietet, um in der Einsamkeit der Natur Inspiration für sein Drehbuch, eine Werwolfgeschichte (!), zu sammeln. Doch ganz so allein wie zunächst erwartet, ist er in der Gegend nicht. Bei einem Spaziergang trifft er zufällig auf seine Hüttennachbarin Fanny (Aya Cash), die selbst als Horrorautorin arbeitet – allerdings mit deutlich größerem Erfolg. Ihr Roman „Venus“ mauserte sich zu einem gefeierten Bestseller, was Fred ein klein wenig neidisch macht. Als abends durch einen Schneesturm die Hütten vom Strom abgeschnitten werden, begibt sich die junge Frau kurzerhand in die Hütte ihres Nachbarn, wo aus der ungewöhnlichen Situation heraus ein kleiner Wettstreit in Sachen Gruselgeschichten entfacht. Und so erzählen sich die beiden Erwachsenen, ganz im Stile der eingangs erwähnten Campfire Tales, Gruselgeschichten, um zu sehen, wer von den Beiden dem Anderen mehr Furcht zu bereiten vermag. Dabei scheint Fanny dem erfolglosen Autoren immer einen Schritt voraus zu sein. Doch als der Abend sich dem Ende neigt, hat Fred noch ein besonderes As im Ärmel…

Normalerweise laufen solche Filme immer nach Schema F ab. Es gibt eine Rahmenhandlung, in der sich die Protagonisten Schauermärchen erzählen, denen wir dann, mit einem komplett anderen Cast, in Form von Kurzfilmen, beiwohnen dürfen. Doch Josh Ruben geht hier einen gänzlich anderen, äußerst originellen Weg. Anstatt auf ausgetretenen Pfaden zu wandern, bleibt der Zuschauer Gast in der Hütte und darf den Ausführungen der Erzähler beiwohnen. Teilweise entwickeln sich die Horrorstories dabei erst durch das grandiose Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller, die im Mittelteil kurzzeitig durch einen gruselbegeisterten Pizzaboten (Chris Redd) ergänzt werden. So findet der Horror hier, auch für uns als Zuschauer, immer nur im Kopf statt. Gut, eine eingebaute Werwolfklaue hier, ein paar Leuchteaugen da, doch damit hat es sich auch schon auf audiovisueller Ebene.

Mehr braucht es aber auch nicht. Das Zusammenspiel von Josh Ruben und vor allem Aya Cash (The Boys) funktioniert so grandios, dass man gebannt vor dem Fernseher kleben bleibt. Der eingestreute Humor lockert die gesamte Szenerie dabei perfekt auf. Die beiden Figuren Fanny und Fred halten quasi einen Drehbuch-Workshop ab, bei dem die Erfolgsautorin dem weniger talentierten Träumer immer wieder auf die Sprünge hilft. Sobald sie in seine Geschichten reingrätscht, geraten diese plötzlich deutlich besser, was Fred, der nur schwer mit Kritik umgehen kann, allerdings gar nicht gut verknust. Schön, dass Josh Ruben dabei soviel Selbstironie aufbringt, denn eigentlich stammen die Ideen ja von ihm.

Wer auf der Suche nach dem üblichen Horror-Allerlei ist, der wird an Scare Me wenig Freude haben. Wem feinsinnige Dialoge und atmosphärischer Grusel mehr bedeuten als die üblichen Horroranthologien, der sollte unbedingt einen Blick riskieren. Gegen Ende macht der Film dann übrigens eine Kehrtwende und entwickelt sich kurzzeitig zu einem echten Horrorfilm, doch das ist ein ebenso genialer Kniff, wie der Rest zuvor.

Die Leute von Tiberius Film sprangen über ihren Schatten und spendierten dem Film eine erfreulich-gelungene Synchronisation, was nicht unbedingt zum Standard dort gehört. Ein gutes Zeichen für zukünftige Veröffentlichungen? Es wäre wünschenswert. Von mir bekommt Scare Me eine fette Empfehlung. Zimmer abdunkeln und Film ab.

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