Anfang der 2000er Jahre stand es nicht allzu gut um die Karriere Sylvester Stallones. Der ROCKY– und RAMBO-Star hatte bereits eine Reihe an kommerziellen Flops auf der Uhr und galt mittlerweile als Kassengift. Der Slasher-Thriller D-TOX – IM AUGE DER ANGST (2002) war gewissermaßen der Sargnagel für Slys verblassten Ruhm und avancierte zur wahrscheinlich größten Box-Office-Bruchlandung der Action-Legende. Retro Gold 63 hat sich dem von vielen Zuschauern verschmähten Streifen überraschenderweise angenommen und ihn in drei Mediabook-Varianten veröffentlicht. Ob die eisige Jagd nach einem Serienmörder ihrem schlechten Ruf gerecht wird oder es sich hier doch um einen ganz passablen Film handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: D-Tox; Eye See You (alt. Titel)
Drehbuch: Ron L. Brinkerhoff; nach dem gleichnamigen Roman „Jitter Joint“ von Howard Swindle
Regie: Jim Gillespie
Darsteller: Sylvester Stallone, Polly Walker, Charles S. Dutton, Christopher Fulford, Robert Patrick, Tom Berenger, Kris Kristofferson, Jeffrey Wright…
Artikel von Christopher Feldmann
Sylvester Stallones Karriere gleicht einer Achterbahnfahrt. Als einer der wenigen Hollywood-Stars weiß Sly wie es sich anfühlt, ganz oben aber auch ganz unten zu sein. Nach seinen glorreichen Erfolgen in den 1980er Jahren folgte ein Jahrzehnt später ein ständiges Auf und Ab. Auf Graupen wie die Komödie STOP! ODER MEINE MAMI SCHIEßT (1992) folgten Achtungserfolge wie CLIFFHANGER (1993) und DEMOLITION MAN (1993), allerdings wehrte das zurückgewonnene Oberwasser nicht lange, denn sowohl die Comic-Verfilmung JUDGE DREDD (1995) als auch das Katastrophenspektakel DAYLIGHT (1996) erwiesen sich als wenig profitabel. Und auch wenn Stallone für seine Performance im Thriller-Drama COP LAND (1997) viel Lob einheimsen konnte, blieben die großen Rollenangebote aus. Nach einer Pause von drei Jahren fand sich die Action-Legende in von deutschen Filmfonds kofinanzierten Produktionen wieder und weder das Remake GET CARTER (2000), noch das unsägliche Rennsportdesaster DRIVEN (2001) sorgten für Aufmerksamkeit. Zum größten Fiasko avancierte aber schlussendlich D-TOX – IM AUGE DER ANGST (2002), der nicht nur eine absolute Chaosproduktion war, sondern auch erst nach drei Jahren unter dem Radar veröffentlicht wurde. Danach war Slys Karriere gewissermaßen tot, bis er mit ROCKY BALBOA (2006) ein furioses Comeback feierte. Für viele Fans zählt der düstere Mix aus Slasherfilm und Serienkiller-Thriller zu den absoluten Low-Lights des RAMBO-Stars. Sicher handelt es sich dabei um keinen guten Film, dennoch kann man durchaus einen Blick riskieren, denn trotz nicht unerheblicher Mängel bekommt man als Fan einen durchaus kurzweiligen Streifen geboten.
Handlung:
FBI-Agent Jake Malloy (Sylvester Stallone) ist auf der Jagd nach einem grausamen Serienmörder, der bereits zahlreiche Polizisten auf dem Gewissen hat. Als dieser eines Tages nicht nur einen weiteren Kollegen tötet, sondern sich auch Malloys Verlobte schnappt, fällt der abgebrühte Ermittler in eine schwere Krise und ertränkt seine Trauer im Alkohol. Monate später verschafft ihm sein Vorgesetzter Hendricks (Charles S. Dutton) einen Platz in einer speziellen Reha-Klinik für ausgebrannte Cops, die vom Arzt und ehemaligen Polizisten John Mitchell (Kris Kristofferson) geleitet wird. Tief in der verschneiten Einöde Wyomings versucht sich Malloy seinen Dämonen zu stellen, muss aber schnell erkennen, dass der Killer immer noch auf freiem Fuß und ihm gefolgt ist. Bald werden die ersten Leichen gefunden und Malloy erkennt, dass sich der Täter unter den Patienten befinden muss.
D-TOX nimmt wahrscheinlich schon aufgrund der turbulenten Produktionsgeschichte einen besonderen Platz in Stallones Vita ein. Bereits 1999 gedreht, scheiterte die erste Fassung beim Testpublikum. Ein ganzes Jahr lag der Film auf Halde, bis man irgendwann Nachdrehs veranlasste, die von Ron Howard überwacht wurden. So wurden nicht nur neue Handlungsszenen, sondern auch ein alternatives Ende gedreht, das Ganze wurde neu geschnitten und auch ein neuer Score musste angefertigt werden. Als auch diese Fassung bei Testvorführungen negativ abschnitt, landete der Thriller im Giftschrank von Universal Pictures, bis ein kleiner Verleih sich erbarmte, den Film mit drei Jahren Verspätung in ein paar Kinos zu bringen. Ohne jegliches Marketing und mit einer schnellen Veröffentlichung auf DVD im Hinterkopf, spielte die 55-Millionen-US-Dollar-Produktion nicht einmal sieben Millionen wieder ein. Ein herber Schlag für Hauptdarsteller Sylvester Stallone, der sich bis heute eher negativ über die Arbeit an D-TOX äußert.
Dabei liest sich das Ganze auf dem Papier gar nicht mal so schlecht. Das Skript, das auf dem Roman JITTER JOINT von Howard Swindle basiert, bedient sich bei bereits bekannten Tropen aus Serienkillerfilmen alá SIEBEN (1995) und vermischt sie mit Elementen des Slasherfilms, der seit SCREAM (1996) einen zweiten Frühling erleben durfte. Die Jagd nach einem Serienkiller, ein von Trauer geplagter Cop, ein abgeschiedenes Setting, düstere Atmosphäre und das übliche Whodunnit-Prinzip, fertig ist der Thriller nach bekannten Mustern. Ich für meinen Teil gehöre zu der Sorte Menschen, die an solchen Genrefilmen ihren Spaß haben und wenn das Ganze einigermaßen solide konstruiert daherkommt, fühle ich mich in der Regel gut unterhalten. Auch D-TOX verspricht zu Beginn zumindest ein ganz ordentlicher Vertreter zu sein. Das erste Drittel gestaltet sich relativ spannend und überrascht mit einigen kleinen aber effektiven Härten und hohem Tempo. Sobald die Handlung allerdings einen Zeitsprung macht und in das winterliche Wyoming verlegt wird, beginnt der Film auseinanderzufallen. Das ist insofern schade, da hier vermutlich John Carpenters Meisterwerk THE THING (1982) als Vorbild diente und man eine ähnlich klaustrophobische wie dichte Stimmung im von der Außenwelt abgeschnittenen Bunker kreieren wollte. Zudem zitiert man noch ein wenig Agatha Christie, indem man eine Gruppe an Personen etabliert, von denen einer oder eine der unbekannte Mörder sein muss. Allerdings ist das auch der Punkt, an dem die sich die Nachdrehs und Schnittänderungen bemerkbar machen, wirkt D-TOX spätestens ab der zweiten Hälfte völlig zerfasert. Keine der Figuren bekommt sonderlich viel Profil, als Zuschauer vergisst man sogar stets, wer jetzt eigentlich wer ist. Szenen wirken stellenweise willkürlich angeordnet, Handlungen einzelner Charaktere sind nicht nachvollziehbar und trotz ordentlichem Bodycount, scheint das ohnehin instabile Konstrukt auf der Stelle zu treten,
So schleppt sich D-TOX mehr schlecht als recht über seine gut 90 Minuten Laufzeit, in dem er einfach keinen klaren Fokus und keine stringente Erzählung findet. Und immer wenn eine Blende zur nächsten Szene überleitet, wird man das Gefühl nicht los, dass das Studio im Nachhinein ganz viel Schindluder trieb und der Film schlichtweg versaut wurde. Das nervte mich nun auch bei der erneuten Sichtung und so gerne ich den Slasher-Thriller auch mögen will, über die zahlreichen Schwächen lässt sich einfach nicht hinweg sehen. Zu viele Figuren, die stets irgendwelche Dinge tun, die eigentlich keinen Sinn machen, gemäß der Szenenabfolge überhaupt nicht rational handeln und vorhergegangene Erkenntnisse ad absurdum führen.
Trotzdem hat das Ganze auch schönes. Das besagte erste Drittel ist wirklich gelungen, auch wenn der emotionale Punch nicht so ganz funktionieren mag, denn von Malloys über zwanzig Jahre jüngeren Verlobten sehen wir einfach zu wenig, als das ihr Tod wirklich berührt. Regisseur Jim Gillespie, der bereits den Slasher-Hit ICH WEIß, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST (1997) inszenieren durfte, gibt sich sichtlich Mühe aus dem eigentlich doofen Setting (eine Klinik in einem alten Bunkerkomplex, die nicht unbedingt einladend wirkt aber Hauptsache dunkel) das Beste herauszuholen. Einige Szenen sind atmosphärisch ganz nett und auch das klaustrophobische Gefühl fängt Gillespie teilweise ordentlich ein. Was den Streifen deutlich aufwertet, ist die prominente Besetzung. Neben Stallone, der hier wirklich schauspielerisch einen guten Job macht und wirkt als hätte er Bock auf die Rolle, tummeln sich allerlei bekannte Gesichter. Neben Hollywood-Urgestein Kris Kristofferson als Klinikleiter, befinden sich unter den Patienten Robert „T-1000“ Patrick, Jeffrey Wright, der in den Craig-Bondfilmen als „Felix Leiter“ zu sehen ist, AVATAR-Schurke Stephen Lang, Tom Berenger als Hausmeister und Charles S. Dutton als Malloys Freund und Vorgesetzter. Eine wirklich amtliche Ansammlung an guten Schauspielern, die aber wenig Material ihr eigen nennen können, um wirklich zu glänzen. Auch Polly Walker, die hier die weibliche Hauptrolle inne hat, bekommt wenig zu tun. Trotzdem sind die Szenen, in denen sich die Beteiligten Wortgefechte liefern sehenswert, die Frage nach der Identität des Killers ist allerdings relativ einfach zu beantworten. Da sich gerade die deutsche Synchronisation wenig Mühe gibt, die Stimme des Unbekannten angemessen zu verfremden, entlarvt man den Täter als Zuschauer schon gleich bei seinem ersten physischen Auftritt.
Retro Gold 63 hat D-TOX kürzlich in drei Mediabook-Varianten veröffentlicht. Die Bild- und Tonqualität der Blu-ray ist ordentlich, wobei es sich um das bereits bekannte Master der ersten Blu-ray-Auflage aus dem Jahr 2010 handeln dürfte. Da wäre sicher noch Luft nach Oben gewesen, für Sammler und Stallone-Fans ist die neue Edition aber sicher attraktiver. Als Bonus ist lediglich eine Bildergalerie und eine Trailershow zu weiteren Retro-Gold-Titeln enthalten und da in den USA mittlerweile der Director’s Cut unter dem Titel DETOX erhältlich ist, hätte ich mir diese alternative Fassung als Extra gewünscht. Dummerweise wird eben jene Version im Booklet von Retro-Film-Chef Stefan Böse als Bonus angepriesen, ist jedoch auf den Discs nicht zu finden. Wahrscheinlich war eine Lizenzierung geplant und man hat lediglich vergessen nochmal den Text zu überarbeiten. Ein Fehler, der bei einer solchen Veröffentlichung eigentlich nicht passieren sollte und generell hätte den Texten noch die ein oder andere Korrektur gut zu Gesicht gestanden.
Fazit:
Mit D-TOX – IM AUGE DER ANGST (2002) ist nun einer der Tiefpunkte in Stallones Karriere als Sammleredition erhältlich. So schlecht wie sein Ruf ist der Serienkiller-Reißer sicher nicht, allerdings ist dem Film an vielen Stellen die Produktionshölle anzumerken. Das ist schade, denn das Ganze hätte das Zeug zu einem wirklich sehenswerten Genrevertreter gehabt. Ob man sich das verunglückte Werk nun als Mediabook zulegen muss, ist jedem Filmfan freigestellt, die Standard-Blu-ray, sofern man sie irgendwo günstig ergattern kann, tut’s jedenfalls auch.
Amazon-Links:
Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film