Weiter geht’s mit dem Streifzug durch die Gassenhauer Hongkongs. Die späten 1980er/frühen 1990er waren das Heißdüsen-Zeitalter der Filmindustrie HKs, hier wurde in hoher Taktzahl das Publikum in Fließbandarbeit bespaßt. Nicht immer gab es runde Drehbücher und auch im Schauspiel wurde oft verkrampftes Overacting dargeboten, wobei man sich für so manche Albernheit nie zu schade war. Oder anders gesagt: man darf dem Actionkino aus Hongkong beim Reifen zusehen. Regisseur Yuen Woo Ping war mit Sicherheit kein Meisterregisseur des subtilen Kinos, aber definitiv jemand, der ein Auge für die richtigen HK-Actionmomente hatte. Nachdem Tiger Cage einigen Erfolg an den Kinokassen hatte und Donnie Yen seinen ersten, großen Auftritt in Sachen Action hinlegen durfte, bekam er in der Fortsetzung mehr Zeit und Raum für ein Schauspiel mit aufgerissenen Augen – und für Action. Ein Mann auf dem Weg zum Weltstar. CARGO RECORDS und MR. BANKER FILMS brachten den Kracher nun als Mediabook im sauberen Fortune Star-Bild und in zwei Filmfassungen (HK und Export) heraus.
Dt. Videotitel: Full Contact
Originaltitel: Sai hak chin
Regie: Yuen Woo Ping
Darsteller: Donnie Yen, Rosamund Kwan, David Wu, Robin Shou, Cynthia Khan, Do Do Cheng, Michael Woods, John Salvitti
Artikel von Kai Kinnert
Ungewollt und nur durch Zufall werden die Anwältin Mary und der Ex-Polizist Alan Zeugen eines brutalen Überfalls, bei dem ein Mensch eiskalt getötet wird. Als die Mörder bemerken, dass sie beobachtet werden, ergreifen sie die Flucht, jedoch nicht, ohne sich die Gesichter der beiden zu merken! Gejagt von der Verbrecherbande beginnt für Mary und Alan ein nervenzerreißender Kampf ums Überleben!
Je älter Donnie Yen wurde, umso besser wurden auch seine Filme. Streifen wie der grandiose Kill Zone S.P.L. (2005), Flashpoint (2007), Ip Man (2008, plus Fortsetzungen), Kung Fu Killer (2014), Chui lung (2017, Chasing the Dragon, bisher nicht in Deutschland erschienen) oder Raging Fire (2021), tragen die Fackel des ruppigen HK-Spirits fort und feiern das Genre. Donnie Yen ist ein waschechtes Urgewächs des moderneren HK-Kinos, er ist sozusagen groß geworden im HK-Actionfilm und fand bei D & B Films das richtige Reagenzglas, um sich in erfolgreichen Produktionen als Actionstar zu etablieren. Dickson Poon, Firmengründer von D & B, legte auf einen gewissen Qualitätsstandart wert, der sich meist in Ausstattung, Action und Besetzung widerspiegelte. Drehbuchautoren waren damals nur Beiwerk, da hat jeder gemacht, was er wollte. Wichtig war, dass das Bild einfallsreich gefüllt wurde. Das Endergebnis waren meist kommerzielle Produktionen, die an der Kinokasse gut ankamen und D & B zum drittgrößten Studio neben Golden Harvest und Cinema City Company machten. 1990 brachte es D & B auf stattliche 30 Produktionen im Jahr, wobei eine davon Tiger Cage 2 war.
1991 hielt ich im Keller vom Hamburger Uncut-Händler Venal Virulent das Original als VHS-Kassette in den Händen und war ganz aufgeregt. Beim kompletten Umkopieren des Lagerbestands ins Privatarchiv waren mir schon einige D & B Filme aufgefallen, die fast immer mit einer spannenden Besetzung und solider Action jenseits von Jackie Chan und John Woo punkten konnten. Damals war Tiger Cage 2 eine runde HK-Nummer, ganz auf Linie mit allem, was man in den Actionszenen sehen wollte. Stunts & Bloodshed, präsentiert von Leuten, die es technisch draufhatten.
Und heute? Obwohl mir der erste Teil auch 30 Jahre nach der Erstsichtung noch immer gefiel, hatte ich bei Tiger Cage 2 so meine Schwierigkeiten, die ich aber beim zweiten Durchlauf ablegen konnte. Ganz klar: für den Fan sind diese Filme auch heute noch ein guter Grund, sie in die Sammlung aufzunehmen, denn das Old-School-HK-Kino ist auch ein Stück globaler Filmgeschichte, die Streifen haben Stilrichtungen, das Verständnis für Action und so manchen Star geprägt.
Es war das schrille Schauspiel, das mich völlig ablenkte und mich zur Erkenntnis brachte, das fast niemand in diesem Film des Schauspiels mächtig ist, zumindest damals nicht. Großes Schauspiel gab es in den Actionfilmen eh nie, aber Donnie Yen spielt hier wie ein extrovertierter Streber in der Schultheater-AG, flankiert von Kollegen, die den gleichen Tee getrunken hatten, wie er. Was für ein Unterschied zu seinen souveränen Auftritten in den aktuelleren Filmen. Eben Learning by doing. Es wird gezappelt, geschmollt und mit aufgerissenen Augen vor der Kamera chargiert, alles ohne Regie. Mag Yuen Woo Ping auch ein gekonnter Actionchoreograph sein, als Regisseur ist er reiner Handwerker ohne nennenswerten Stil. Außer dem, dass es bei ihm kracht.
Tiger Cage 2 bietet, nach dem ersten Schreck, eine ziemliche Strecke an Action. Obwohl fast alle Fights fürs Tempo mit 21 Bildern pro Sekunde gedreht wurden, sind die Stunts auch heute noch saftig. Kameratrick hin oder her, es geht zur Sache in Tiger Cage 2. Es wird geschossen, Blutbeutel platzen und die Stuntmen krachen grob zu Boden. Die Stunts mit dem Rollwagen in der abschüssigen Gasse schmerzen noch immer und die Fights mit Michael Woods und John Salvitti sind eine Marke für sich. Neben der gelungenen Action gibt es auch noch ein paar schöne Straßen-Settings, herrlich analog und mit leuchtender Neonreklame im Hintergrund. Tiger Cage 2 steigert den Wumms des ersten Teils, hier gibt es den Rundumschlag durch alle Actionstationen des HK-Kinos. Der HK-Fan wird sich freuen. Ein Klassiker, den man sich bedenkenlos ins Regal stellen kann.
Das Bild der Blu-ray ist gut, sauber, satt und klar, der Ton ebenso. Als Extras gibt es den granatenstarken deutschen Trailer und den HK-Trailer, sowie eine Bildergalerie. Außerdem die Hongkong-Kinofassung und die Export-Filmfassung.
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