Während Altstars wie Bruce Willis in die Untiefen der DTV-Hölle hinabgestiegen sind, versorgte Genre-Kollege Liam Neeson seine Zuschauerschaft in den letzten Jahren mit zumindest soliden Actionthrillern, mit denen sich der Charakterdarsteller regelmäßig sein Einkommen aufbessert. Zwar sind die Zeiten der großen Kinostarts mittlerweile vorbei, jedoch können sich Neesons Auftritte als Ein-Mann-Armee nach wie vor, schon alleine aufgrund ihrer Produktionsvolumen, sehen lassen. Bei seinem neuesten Streifen MEMORY – SEIN LETZTER AUFTRAG (2022) tat er sich mit Martin Campbell zusammen, der bereits den modernen Bond-Klassiker CASINO ROYALE (2006) inszenieren durfte. Ob die Geschichte um einen an Alzheimer erkrankten Auftragskiller überzeugen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik, denn Splendid Film veröffentlicht den Streifen in Kürze im Heimkino.

Originaltitel: Memory

Drehbuch: Dario Scardapane

Regie: Martin Campbell

Darsteller: Liam Neeson, Guy Pearce, Taj Atwal, Monica Bellucci, Harold Torres, Ray Stevenson…

Artikel von Christopher Feldmann

Wir erinnern uns noch alle lebhaft an das Jahr 2008, in dem plötzlich ein, von Luc Besson produzierter, Actionthriller über die Leinwände lief, in dem Liam Neeson als Ex-CIA-Agent bösen Menschenhändlern zeigte, wo der Frosch die Locken hat. TAKEN (2008) war nicht nur ein immenser Erfolg, es war auch mitunter das erste Mal, dass man einen Schauspieler seines Alters, der zudem eher im Charakterfach unterwegs war und mit Action bislang wenig am Hut hatte, in einer solch körperlichen Rolle gesehen hatte. Der Film zog nicht nur zwei Fortsetzungen (2012 & 2014) nach sich, sondern bescherte dem Hauptdarsteller einen zweiten Frühling als alternder Actionheld. UNKNOWN IDENTITY (2011), NON-STOP (2014), RUN ALL NIGHT (2015), THE COMMUTER (2018) oder HARD POWDER (2019), im Grunde genommen drehte Neeson in den letzten Jahren die immer gleichen Vehikel, die aber zumindest solide Unterhaltung boten. Doch mittlerweile hat sich das Sub-Genre der „Neesonploitation“ merklich abgenutzt, Filme wie HONEST THIEF (2020) oder THE MARKSMAN (2021) fanden kein großes Publikum mehr und Vehikel wie THE ICE ROAD (2021) und der schwache BLACKLIGHT (2022) wurden direkt an den Streaminganbieter mit dem großen A verramscht. Auch seinem neuesten Werk MEMORY – SEIN LETZTER AUFTRAG (2022) blieb der Kinostart hierzulande vergönnt, stattdessen landet es nun direkt auf dem Heimkino-Markt. Dabei saß mit Martin Campbell, Regisseur von GOLDENEYE (1995) und CASINO ROYALE (2006), ein echter Könner auf dem Regie-Stuhl. Diese Personalie ist dem Film deutlich anzumerken, auch wenn der mit reichlich Drama aufgeladene Actionthriller nicht so gut ist wie er hätte sein können.

Handlung:

Profikiller Alex Lewis (Liam Neeson) möchte sich wegen seines nachlassenden Erinnerungsvermögens nach einer langen Karriere voller Gewalt zur Ruhe setzen. Als er seinen letzten Auftrag annimmt, findet er sich unvermittelt in einem Undercover-Einsatz des FBI wieder, angeführt von Agent Serra (Guy Pearce). Alex beschließt, Serras Team durch versteckte Hinweise zu helfen. Auch wenn er sich zunehmend schwer an Details erinnern kann, setzt er seine lebenslang trainierten Fähigkeiten ein, um zumindest einmal in seinem Leben das Richtige zu tun. Dies ruft natürlich mächtige Gegner auf den Plan, die Alex vernichten wollen, doch dieser weiß sich zu wehren …

Bei MEMORY handelt es sich um ein Remake des belgischen Thrillers THE ALZHEIMER CASE (2003), welcher bereits die Verfilmung eines Romans von Jef Geeraerts darstellt. Die Geschichte um einen an Alzeheimer leidenden Auftragskiller scheint wie einzig für Liam Neeson geschrieben, legt dieser schon seit jeher immer eine gewisse Melancholie in seine Rollen, die nun auch hier perfekt zum Tragen kommt. Generell hat man als Zuschauer das Gefühl, dass sich der irisch-stämmige Altstar immer noch darum bemüht, einen guten Job zu machen, auch wenn der mittlerweile 70-jährige natürlich nicht mehr die spektakulärsten Actionszenen absolvieren kann. Trotzdem ist Neeson das Prunkstück in diesem Film, der zwar ordentlich unterhält aber doch weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

Die Handlung speist sich derweil aus Versatzstücken zusammen, die man so oder so ähnlich schon in anderen Filmen gesehen hat. Sei es der abgebrühte Auftragskiller, der seinem Beruf entsagen will aber noch diesen einen letzten Job übernimmt und dabei auch noch moralisch handelt, die Hintermänner, die den Hitman deswegen aus dem Weg räumen wollen oder die Verschwörung um reiche Mogule, die hinter der glänzenden Fassade böse Dinge tun, MEMORY bietet wenig Neues. Man sollte jedoch nicht immer eine Neuerfindung des Genres erwarten, meistens kommt es auf die Präsentation und die richtige Mischung aus bekannten Elementen an und da macht der Actionthriller eigentlich einen soliden Job. Zwar wird die Story um Kindesmissbrauch und das parallel ermittelnde FBI etwas zu verkompliziert erzählt, verliert man doch bei all den Hinter- und Mittelsmännern gerne mal den Überblick, im Grunde genommen ist das aber ordentliche Durchschnittsware. Das größte Problem ist dabei die Tatsache, dass Regisseur Martin Campbell immer wieder merklich das Tempo herausnimmt, so dass der Erzählfluss stellenweise etwas zäh wirkt. Bei einer Laufzeit von knapp zwei Stunden fragt man sich vermutlich nicht zu Unrecht, ob das Ganze mit 15-20 Minuten weniger besser zur Geltung gekommen wäre. Den größten Kardinalfehler begehen die Macher damit, dass sie die Alzheimererkrankung der Hauptfigur gar nicht wirklich nutzen, um der Handlung oder auch den Actionszenen einen neuen Dreh zu verpassen. Bis auf ein paar Schwächeanfälle und Filzstiftnotizen auf dem Unterarm, holt das Drehbuch überraschend wenig aus der eigentlich interessanten Idee heraus. So gerät MEMORY am Ende doch eher zur formalen Neeson-Actionthriller, als zum packenden Auftragskiller-Drama.

Trotzdem muss man Regisseur Martin Campbell eine gewisse Kompetenz zu Gute halten, denn wer sich neben seinen beiden Arbeiten für den Doppelnull-Agenten James Bond auch Filme wie AUFTRAG RACHE (2010) oder THE FOREIGNER (2017) ansieht, wird beipflichten, dass Campbell sein Handwerk auf jeden Fall versteht. Auch hier zeigt der neuseeländische Filmemacher sein Talent für druckvolle Actionsequenzen. Trotzdem sollte man aufgrund Neesons fortgeschrittenem Alter keine virtuosen Kampfchoreographien oder halsbrecherischen Stunts erwarten, jedoch weiß Campbell seinen Star vernünftig und angemessen in Szene zu setzen. Da nietet der gute Liam schon mal eine Zielperson am Krankenbett seiner Mutter auf blutige Art und Weise um oder bläst einem Opfer die Lichter aus, während dieses gerade auf dem Laufband im Fitnessstudio trainiert. Das sind zwar nur kurze aber ordentliche Szenen und auch Shootout im Parkhaus erweist sich als knackig und schnell. Zwar fehlt es an richtigen Highlights aber in Gänze weiß MEMORY durchaus zu gefallen.

Zwar gehört die Bühne eindeutig Neeson, jedoch gesellen sich ein paar prominente Namen dazu. Guy Pearce zum Beispiel spielt den verbissenen und rechtschaffenden FBI-Ermittler, der den ganzen Fall aufgrund eines persönlichen Dramas energisch verfolgt. Zwar ist seine Figur weitaus stereotypischer geschrieben, jedoch versteht es Pearce, dies mit seinem guten Spiel auszugleichen. Enttäuschend ist derweil Monica Bellucci. Die italienische Schauspielerin gibt hier so etwas wie die Haupt-Antagonistin, sitzt über die gesamte Laufzeit aber lediglich im stylisch eingerichteten Büro herum und darf Telefonate führen. Mit Sicherheit war sie nur wenige Drehtage verfügbar und auch ihre geleisteten Szenen sind relativ langweilig geraten, weshalb gerade die Schurken regelrecht austauschbar bleiben. In einer Nebenrolle ist zudem noch Ex-PUNISHER Ray Stevenson zu sehen, der als hartgesottener Cop eine gute Figur macht.

Splendid Film gönnt dem Actionthriller zwar keinen Kinostart (in den USA war er immerhin auch ein Flop), veröffentlicht ihn aber nicht nur als Standard-Blu-ray und DVD, sondern auch in einer schicken Mediabook-Edition, die auch eine 4K-Scheibe und ein 24-seitiges Booklet beinhaltet. Parallel erscheint exklusiv bei Amazon eine limitierte Steelbook-Edition, die mit den gleichen Inhalten bestückt ist. Die Disc an bietet zusätzlich zum Hauptfilm Interviews und den Trailer. Bild- und Tonqualität sind entsprechend sehr gut.

Fazit:

Liam Neeson macht nach der Graupe BLACKLIGHT (2022) wieder einen gewaltigen Sprung nach vorne. MEMORY – SEIN LETZTER AUFTRAG (2022) ist kein Meisterwerk und auch kein Film, an den man sich in einem Jahr noch groß erinnern wird, bietet aber grundsolide Genrekost mit einem gut aufgelegten Hauptdarsteller, der ein paar schwache Drehbuchentscheidungen etwas auszugleichen versteht. Neeson-Fans dürften hier definitiv zufrieden sein.

Amazon-Links:

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Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

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