Für all diejenigen, die unter akuter Höhenangst leiden, sollte man dieser Stelle eine Triggerwarnung aussprechen, denn die Sichtung dieses, über Eurovideo erschienenen, Survivalthrillers könnte für Zuschauer, die schon Probleme damit haben, auf eine Leiter zu steigen, zur absoluten Belastungsprobe werden. B-Film-Routinier Scott Mann liefert nämlich mit FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS (2022) sein ganz eigenes OPEN WATER (2003) ab, nur eben rund 600 Meter über dem Erdboden. Ob das schwindelerregende Zwei-Personen-Stück auch in Sachen Höhe abgehärteten die Nerven flattern lässt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Fall

Drehbuch: Scott Mann, Jonathan Franks

Regie: Scott Mann

Darsteller: Grace Caroline Currey, Virginia Gardner, Jeffrey Dean Morgan, Mason Gooding…

Artikel von Christopher Feldmann

Die Idee hinter FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS (2022) ist nicht unbedingt neu. Eine bestimmte aber nicht besonders üppige Anzahl an Personen findet sich in einer ausweglosen Situation wieder und versucht mit allen Mitteln zu überleben. Ein moderner Klassiker dieses minimalistischen Subgenres des Survivalthrillers, welches sich meist auf ein Setting fokussiert, ist OPEN WATER (2003), in dem ein Pärchen nach einem Tauchgang auf offener See vergessen wird und nun der Kälte und hungrigen Haien trotzen muss. 2010 versuchte sich schließlich James Franco in Danny Boyles 127 HOURS aus einer Felsspalte zu befreien, während ihm Temperaturschwankungen, Wasser- und Nahrungsmangel zusetzten. Im gleichen Jahr erschien FROZEN (2010), in dem drei Skifahrer in einem Sessellift festsitzen. Auch der erfolgreiche Haithriller 47 METERS DOWN (2017) bedient sich diesen Mustern, verlagert das Szenario jedoch in einen Taucherkäfig unter Wasser. Man könnte diese Liste beliebig weiterführen aber wir wollen ja auf den Punkt kommen. Dass FALL aufgrund seiner zahlreichen ähnlich gestrickten Vorgänger keine Innovation in Sachen Storytelling darstellt, dürfte somit auf der Hand liegen, dennoch gelingt Regisseur Scott Mann ein gut gespielter, effektiv inszenierter und über weite Strecken auch spannender Thriller, der mir dann doch die ein oder andere Schweißperle auf die Stirn trieb.

Handlung:

Für die besten Freundinnen Becky (Grace Caroline Currey) und Hunter (Virginia Gardner) geht es im Leben vor allem darum, Ängste zu überwinden und an ihre Grenzen zu gehen. Aber nachdem sie 600 Meter auf die Spitze eines abgelegenen, verlassenen Funkturms geklettert sind, finden sie sich plötzlich ohne Ausweg nach unten wieder. Die Kletterfähigkeiten und das Durchhaltevermögen der beiden Freundinnen werden auf eine harte Probe gestellt, denn sie kämpfen verzweifelt darum, in schwindelerregender Höhe am Leben zu bleiben, um einen Ausweg zu finden …

Der Name Scott Mann dürfte dem eher im Mainstream verorteten Filmfreund wenig sagen, ist der Regisseur und Drehbuchautor doch eher in B-Movie-Gefilden zuhause, liefert jedoch seit seinem Einstand mit dem schwer unterhaltsamen Auftragskiller/Battle-Royale-Actionkracher THE TOURNAMENT (2007) immer wieder ordentliche Genrekost ab wie etwa den Actionthriller DIE ENTFÜHRUNG VON BUS 657 (2015) oder das SUDDEN-DEATH-Rip-Off FINAL SCORE (2018). Nun ließ Mann aber mal die Knarren und im Schrank und widmete sich mit FALL reinem Spannungskino, in dem statt harten Typen zwei Frauen die Hauptrollen bekleiden. Das gelingt dem britischen Filmemacher erstaunlich gut, profitiert der Thriller doch in erster Linie von seiner effektiven Inszenierung und seinen schwindelerregenden Bildern. Wenn „Becky“ und „Hunter“ erstmal auf dem umgerechnet 600 Meter hohen Funkturm angekommen sind, erzeugt der Film durch seinen geschickten Schnitt immer wieder ein sehr beklemmendes Gefühl. Ein paar lockere Schrauben hier, ein paar rostige Metallstreben da und ganz oben eine kleine Plattform, aus der man immer wieder in die schier endlose Tiefe blickt.

Was die Immersion unterstützt ist die Tatsache, dass Scott Mann für die Dreharbeiten tatsächlich mehrere rund 30 Meter hohe Stahlsegmente errichten ließ, auf die die Darsteller wirklich klettern mussten. So besitzt der Film eine zusätzliche Haptik, die die Ereignisse realistischer wirken lassen. Zwar wurde natürlich mit CGI nachgeholfen, jedoch merkt man, ob etwas ausschließlich vor Greenscreen oder zumindest in Teilen unter realen Bedingungen gedreht wurde. Dieser Mix funktioniert in FALL ziemlich gut, auch wenn es einige sehr durchwachsene Digitaleffekte zu bestaunen gibt. Kann man diese verschmerzen, schafft der Film es schon rein optisch für drastisches Unwohlsein zu sorgen.

Auf erzählerischer Ebene enttäuscht der Film allerdings ein wenig, da das Drehbuch ziemlich erwartbar verläuft und auch mit einigen Ungereimtheiten zu kämpfen hat. Dass in 600 Metern Höhe lediglich eine leichte Brise weht ist ebenso unrealistisch wie der arg konstruierte Schluss, der zudem noch mit einem völlig unnötigen Twist aufwartet, auf den ich um ehrlich zu sein nur gewartet habe, in der Hoffnung, dass sich Scott Mann und sein Co-Autor Jonathan Franks diesem verweigern aber sie können es nicht lassen. So bietet FALL nichts Neues aber könnte man das überhaupt? Wahrscheinlich eher weniger. Was dem Ganzen wirklich gut tut, sind die beiden Hauptdarstellerinnen in Gestalt von Grace Caroline Currey und Virginia Gardner, die einen wirklich hervorragenden Job machen und ihre Rollen mit viel Charisma und Sympathie ausfüllen. Zwar bekommt Curreys „Becky“ einen ziemlich abgedroschenen Character-Arc, inklusive schwerem Trauma, das Zusammenspiel mit Gardners „Hunter“ macht dies aber wieder wett. Mit beiden Figuren fiebert man wirklich mit, was essenziell für ein solches Zwei-Personen-Stück ist. THE-WALKING-DEAD-Star Jeffrey Dean Morgan ist hingegen nur in einem Gastauftritt zu sehen, FALL gehört zu 95% den Ladys.

Man kann aber auch nicht über FALL sprechen, ohne zumindest die diskutable Nachbearbeitung zu erwähnen. Ursprünglich drehte Scott Mann den Film ohne Rücksicht auf Altersfreigabe, weswegen beide Hauptfiguren über 30-mal das Wort „Fuck“ benutzen, was in den USA zu einem R-Rating geführt hätte. Um für die Kinoauswertung an ein PG-Rating zu gelangen, veränderte man die Mundbewegungen an den entsprechenden Stellen mittels Deepfake-Technologie, um diese dann neu synchronisieren zu lassen. Verantwortlich dafür war die britische Firma Flawless, in der Mann als Co-CEO fungiert.

Die deutsche Fassung basiert auf der „ungeschnittenen“ Version und wurde hierzulande ab 16 Jahren freigegeben. Auf der Blu-ray von Eurovideo ist als englische Version nur die bearbeitete PG-Fassung zu finden, welche auch in den USA für das Heimkino erschien. Lediglich in UK wurde die Originalfassung im Originalton veröffentlicht. Bild- und Tonqualität des deutschen Blaulings sind hervorragend, im Bonusmaterial finden sich Making-Of und ein Audiokommentar.

Fazit:

FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS (2022) fügt dem Genre des Survivalthrillers keine neuen Impulse hinzu und verläuft allzu vorhersehbar, punktet aber mit zwei guten Hauptdarstellerinnen und eindrucksvollen Bildern, die schnell feuchte Hände verursachen. Definitiv sehenswert.

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