Gerard Butler hat sich den letzten zehn Jahren als DER Actionheld der Mid-Budget-Sektion etabliert und steht spätestens seit OLYMPUS HAS FALLEN (2013) für knackiges Männerkino, das es in dieser Form zuletzt vermutlich in den 1990er Jahren gab. In CHASE – NICHTS HÄLT IHN AUF (2022) greift der kernige Schotte nun abermals zur Waffe und jagt dabei erbarmungslos die Entführer seiner Frau. Ob der Rachethriller, den Leonine kürzlich im Heimkino veröffentlichte, überzeugen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: Last Seen Alive
Drehbuch: Marc Frydman
Regie: Brian Goodman
Darsteller: Gerard Butler, Russell Hornsby, Jaimie Alexander, Ethan Embry, Michael Irby, Cindy Hogan…
Artikel von Christopher Feldmann
Blickt man auf das aktuelle Actionkino, zeichnet sich sehr schnell ein eher maues Bild ab. Der klassische Mid-Budget-Film ist nahezu tot, wer es auf der großen Leinwand krachen sehen will, muss sich überwiegend mit den großen Blockbustern zufriedengeben, meist mit PG-Rating und basierend auf einer Comicvorlage. Filme, in denen taffe Kerle noch schonungslos gegen Bösewichte zu Felde ziehen, finden größtenteils nur noch im Direct-to-Video-Bereich statt und selbst verlässliche Schlagetots wie Jason Statham haben sich mittlerweile von den kleineren, kompromisslosen Reißern gelöst. Die einzigen beiden Jungs, die noch ansatzweise die Fahne schwingen, sind Liam Neeson und Gerard Butler. Während Neeson allerdings immer betulicher in immer belangloseren Actionthrillern nach Schema F sein Dasein fristet, gelingt zumindest Butler immer wieder souveräne Genrekost, mit der man eine gute Zeit haben kann. Doch auch der kernige Schotte greift mal daneben, denn der Rachethriller CAHSE – NICHTS HÄLT IHN AUF (2022) ist kein Film, an den man sich großartig erinnern wird. Viel mehr handelt es sich hier um einen „Paint-by-Numbers“-Verschnitt des Liam-Neeson-Hits TAKEN (2008), der wohl mehr eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für seinen Hauptdarsteller war, als ein ernstzunehmendes Kinoprojekt.
Handlung:
Will (Gerard Butler) und Lisa (Jaimie Alexander) sind auf dem Weg zu Lisas Eltern. Die beiden stecken in einer Ehekrise und Lisa will einige Zeit bei ihren Eltern verbringen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Als sie an einer Tankstelle halten, verschwindet Lisa plötzlich spurlos. Will gerät in Panik und ruft die örtliche Polizei um Hilfe. Die Ermittlungen kommen erst langsam in Gang, da es keine Anzeichen für ein Verbrechen gibt. Als Detective Patterson (Russell Hornsby) Will verdächtigt, beschließt dieser, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Er beschafft das Überwachungsvideo der Tankstelle, auf dem ein Mann zu sehen ist, der Lisa anspricht. Will beginnt eine verzweifelte Jagd nach Lisas Entführer, während ihm die Polizei dicht auf den Fersen ist.
CHASE erinnert auf dem Papier an George Sluizers Thrillerklassiker SPURLOS VERSCHWUNDEN (1988), in dem die Freundin eines Mannes am helllichten Tag an einer Tankstelle verschwindet. Daraufhin beginnt eine verzweifelte Suche, die den Protagonisten in eine emotionale Krise stürzt. Daraus entspinnt sich eine perfide Geschichte, die dem Zuschauer zum Ende hin so richtig in die Magengrube schlägt. Ein Seherlebnis, das man so schnell nicht wieder vergisst. Auch Drehbuchautor Mary Frydman scheint der niederländisch-belgische Psychothriller nachhaltig beeindruckt zu haben, bedient er sich doch nahezu vollends dessen Prämisse. Statt diesen Ansatz aber zu einem spannenden Katz-und-Maus-Spiel auszuarbeiten, verwandelt er die Ausgangslage in einen klassischen Selbstjustiz-Reißer vom Reißbrett. Dabei wirkt CHASE schon fast wie eine Art Fan-Fiction, in der man dem Protagonisten aus SPURLOS VERSCHWUNDEN einfach eine Knarre in die Hand gedrückt und mit Speed vollgepumpt hat.
Das klingt auf den ersten Blick besser als es letztendlich der Fall ist, denn bei dem neuesten Butler-Actioner handelt es sich wirklich um einen absolut generischen Film, der frei von jeglichen Überraschungen ist. Wirklich ärgerlich, hat das Drehbuch doch überhaupt gar kein Interesse an der gruseligen Ausgangslage. Dass die eigene Frau so mir nichts dir nichts von einem belebten Ort verschleppt wird, ist eine ziemlich Horrorvorstellung, die aber nie zum tragen kommt, da man sich viel zu sehr darauf fokussiert, Gerard Butler wie einen Berserker durch die Gegend rennen zu lassen. Die Personalie in Verbindung mit dem klassischen „Erst schießen, dann fragen“-Prinzip lässt zumindest auf einen schnörkellosen Rachefilm hoffen, in dem unser Hauptdarsteller reihenweise Kauleisten polieren darf. Doch auch in dieser Hinsicht backt CHASE relativ kleine Brötchen.
Die Action ist rar gesät, zwar gibt es die ein oder andere Konfrontation, in denen sich Butler wie von Sinnen auf seine Gegner stürzen darf, den ganz großen Knall sollte man allerdings nicht erwarten. Auch inhaltlich bleibt der Film stets auf dem Boden, lässt aber Spannung völlig vermissen. Schon früh werden die Karten auf den Tisch gelegt, was dem Zuschauer das miträtseln über den Verbleib der Gattin verwehrt. Entsprechend wenig überraschend verläuft auch der Rest der Laufzeit und auch irgendwelche konstruierten Twists tauchen nicht auf. Das sorgt schlussendlich dafür, dass CHASE so rein gar nichts zu bieten hat, was das Ganze irgendwie sehenswert machen würde, auch weil man so ziemlich jedes Klischee aufgreift, sei es der ein oder andere Zufall, der zum nächsten Setpiece überleitet oder die Polizisten, die mal wieder niemandem glauben wollen und eigentlich gar nichts auf die Kette bekommen.
Inszenatorisch ist das Alles relativ solide, wobei man schnell sieht, dass hier nicht sonderlich viel Budget zur Verfügung stand. Gerade gen Ende hat man den Eindruck, einer eher mauen BREAKING-BAD-Folge beizuwohnen, in der Butler im Wald Rednecks aufmischt, die in irgendwelchen Wellblechhütten Drogen herstellen. Großes Spektakel sucht man vergebens und der einzige optische Knalleffekt ist derartig mies getrickst, dass es wahrlich schmerzt. Immerhin ist der Film rund 90 Minuten Laufzeit dankenswerterweise knackig und zumindest kurzweilig erzählt. Zudem darf Butler wieder ordentlich aufdrehen und in den Wut-Modus schalten, was zwar nie über die eklatanten Schwächen hinwegtröstet aber zumindest großartige Längen verhindert. Der Rest der Besetzung bleibt aber auffallend blass, die Bühne gehört definitiv Butler.
Leonine veröffentlichte den Film bereits im Dezember im Heimkino, nachdem er im September in den deutschen Kino lief, wohl auch nur weil es so gut wie keine Konkurrenz gab. Bild- und Tonqualität der Blu-ray sind einwandfrei, als Extra gibt es den Trailer.
Fazit:
CHASE – NICHTS HÄLT IHN AUF (2022) hat eine Prämisse, die einen spannenden Thriller verspricht, am Ende bekommt man aber nur einen wenig spektakulären Selbstjustizstreifen nach Schema F geboten, der lediglich mit seinem souveränen Hauptdarsteller punkten kann. Eher nur für wahre Butler-Fans geeignet.
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