Vier Jahre ist es her, dass WICKED VISION DISTRIBUTION GMBH diesen kleinen, von H.P. Lovecrafts Werken beeinflussten, Horrorthriller im limitierten Mediabook erstmals auf deutsch herausbrachte. Diese sind natürlich längst vergriffen, weswegen der Verleiher nun eine kostengünstige Neuveröffentlichung am Start hat, die zwar das ausführliche Booklet der Erstauflage vermissen lässt, ansonsten aber genauso vollgepackt mit Extras daherkommt. Ich verrate Euch, was Ihr von diesem Werk von Drehbuchautor und Regisseur Mariano Baino erwarten dürft.

Alternativtitel: Dead Waters / Temnye Vody

Regie: Mariano Baino

Darsteller: Louise Salter, Venera Simmons, Mariya Kapnist, Lubov Snegur

Artikel von Christian Jürs

Alles beginnt auf einer kleinen, steinernen Insel, auf der nur wenige Menschen wohnen. Trotzdem darf ein Kloster nicht fehlen. In dieser studiert ein Priester gerade ein altes Buch, als ein Sturm aufkommt und die gesamte Kirche ins Wanken gerät.

Parallel hierzu sehen wir, wie ein kleines Mädchen einer Nonne ein heidnisches Amulett mit einer teuflischen Fratze darauf übergibt. Kurz danach wird der Priester von einem herabstürzenden Kreuz getötet. Auch die Nonne stürzt derweil mitsamt dem Artefakt in den Tod, wobei beide auf den Klippen zerschellen. Die übrigen Nonnen bergen das offenkundig teuflische Kunstwerk und verpacken die Einzelteile in verschiede Schatullen, die an einem geheimen Ort in den Katakomben der Kirche gelagert werden. Die tote Nonne verkommt zu Fischfutter.

Dann folgt der obligatorische Zeitsprung – zwanzig Jahre später. Wir lernen Elizabeth (Louise Salter) kennen, deren Vater kürzlich verstarb. Dieser hatte bis zu seinem Tode, ohne das Wissen seiner Tochter, das eingangs vorgestellte Kloster finanziert. Um zu erfahren wieso er dies tat, begibt sich die junge Frau auf die Reise ins Nirgendwo, wo sie ihre Freundin Theresa (Anne Rose Phipps) treffen möchte, die bereits vorgeeilt ist. Schon auf Elizabeths Weg dorthin kann sie vom Bus aus die Einheimischen bei unheimlichen Ritualen beobachten. Bad forshadowing. Ich würde umdrehen.

Ein aufkommender Sturm macht ihr dann beinahe einen Strich durch die Rechnung, da sich der ortsansässige Fischer (Valeriy Bassel) vernünftigerweise weigert, bei dem Wetter die Überfahrt zur Insel zu machen. Doch Elizabeth ist eine zielstrebige und verbissene Frau, die schließlich doch noch einen leichtsinnigen Bootsbesitzer (Pavel Sokolov) findet, der ihr die Bootsfahrt ermöglicht.

Hätte sie gewusst, was sich auf der Insel abspielt, hätte sie sicherlich auf dem Hacken kehrt gemacht. Wir jedoch werden eingeweiht. Die Nonnen von einst haben sich scheinbar durch die böse Macht des Amuletts verändert und führen eigenartige Rituale in den Gewölben durch, bei denen unter anderem Selbstgeißelung eine Rolle spielt. Wer´s mag. Doch es kommt noch schlimmer, denn wir werden Zeuge eines argentoesken Mordes an einer jungen Frau.

Wie zu erwarten war, wird die Fremde alles andere als freundlich auf der Insel aufgenommen. Alle Bewohner verhalten sich merkwürdig abweisend, vor allem natürlich die Nonnen. Von Theresa fehlt zudem jede Spur. Doch auch auf Elizabeth scheint die Insel eine eigenartige Wirkung zu haben. Plötzlich empfängt sie eigenartige Visionen und Flashbacks aus Kindertagen, die die junge Frau zur schlussendlich Abreise bewegen. Doch diese ist unmöglich, da das nächste Schiff auf sich warten lässt. Was läge also näher, als das Geheimnis des alten Klosters zu erforschen? Hilfe erhält sie dabei bei der jungen Novizin Sarah (Venera Simmons). Doch hätte Elizabeth gewusst, welch dämonisches Geheimnis auf der Insel lastet, sie wäre wahrscheinlich zurück geschwommen…

1993 war der italienische Horrorfilm eigentlich tot. Umberto Lenzi und Lucio Fulci hatten ihren Regiehut an den Nagel gehängt und Dario Argento suchte sein Glück in Amerika (von wo er uns Aura mitbrachte, den er gerne hätte dalassen können). Lediglich Ruggero Deodato kam mit Die Waschmaschine im Jahr 1993 daher, einem Horrorthriller, bei dem Begeisterungsstürme jedoch ausblieben. Das Label Filmirage von Skandalfilmer Joe D´Amato krächzte zudem ebenfalls in den letzten Zügen. Nur Michele Soavi arbeitete an einem neuen Projekt, welches anno ´94 unter dem Titel DellArmorte DellAmore das Licht der Welt erblicken sollte und sich zu einem der letzten wirklich gefeierten Italohorrorfilme entwickeln würde. Aber auch aus den USA kam zu der Zeit nur Schmodder, immerhin sind die „großen Horrorklassiker“ des Jahres ´93 Filme wie Needful Things, C2-Killerinsect und Return of the living Dead 3 – eine magere Ausbeute.

Doch ein bis dahin unbekannter Italiener namens Mariano Baino (der übrigens mittlerweile in New York lebt) sah noch Potenzial im guten, alten Italohorror und besorgte sich das Geld für seinen ersten (und bislang auch einzigen) Langfilm kurzerhand aus England und Russland, um seine Vision zu verwirklichen. Ein viertel Jahrhundert später erbarmte sich Wicked Vision und veröffentlichte dieses Kleinod erstmals synchronisiert. Doch vorsicht: Dark Waters ist definitiv kein Film für Jedermann. Nein, es ist tatsächlich Nischenkino für den Horrorfilmfan von einst. Denn Baino huldigt hier an jeder Ecke seinen Vorbildern. Argento, Fulci, Avati und Co., sie alle werden zitiert, was so manchen Aha-Effekt beim erfahrenen Zuschauer auslöst. Eibon, The Church und The Sect standen Pate. Vieles erinnert an die Klassiker meiner Kindheit und Jugend. Auch einen Hauch französisches Horrorkino Marke Jean Rollin, der ebenfalls wie Baino, eher mit wenigen Dialogen gearbeitet hatte, kann man hier und da spüren. Überdeutlich wird auch die Verbundenheit zu den Werken H.P. Lovecrafts, der seit jeher eher Geschichten für ein reiferes, denkendes Publikum geschrieben hatte. Wer die Filme von damals kennt und schätzt und das Surreale dem straighten Schrecken vorzieht, der könnte an Dark Waters seine Freude haben. Mir gefiels jedenfalls.

Wicked Vision hat den Film erstmals synchronisieren lassen. Eine erstaunlich gute Sprachfassung, die durchaus klingt, als sei sie zur Produktionszeit entstanden. Was die Bildqualität betrifft, so kann man diese als gestochen scharf bezeichnen, jedoch mit einem, dem Alter des Materials geschuldeten, Grund-Grisseln, welches des Öfteren bei HD-Upgrades älterer Streifen zu finden ist.

Im Bonusmaterial wurde richtig geklotzt und nicht gekleckert, immerhin arbeitete man mit Mariano Baino eng zusammen. Dieser begrüßt den Zuschauer dann auch sofort nach einlegen der Scheibe persönlich und nahm sich die Zeit für einen Audiokommentar. Darüberhinaus gibt es diverse Featurettes (u.a. ein Video-Essay von Pelle Felsch), Trailer und eine Bildergalerie.

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