Jeder hat in seinem Leben vermutlich schon mal einen Stromausfall erlebt, der in den meisten Fällen aber nur von sehr kurzer Dauer war. Doch was würde passieren, wenn man ganz Europa den Saft abdrehen würde und zwar dauerhaft? Wenn das komplette Versorgungssystem lahmgelegt werden würde? Ein echtes Horrorszenario, das Autor Marc Elsberg in einen Bestseller verwandelt hat und nun als packende Miniserie adaptiert wurde. BLACKOUT (2021) wurde bereits 2021 beim Streamingdienst joyn als Premiumcontent veröffentlicht und erst im Januar im klassischen TV ausgestrahlt. Nun erschien der sechsteilige Thriller mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle via Leonine auch auf Scheibe und wir verraten euch, ob sich die fiktionale Dystopie zum bingen eignet.

Originaltitel: Blackout

Episoden: 6

Drehbuch: Kai-Uwe Hasenheit, Lancelot von Naso; nach dem gleichnamigen Roman von Marc Elsberg

Regie: Oliver Rihs, Lancelot von Naso

Darsteller: Moritz Bleibtreu, Marie Leuenberger, Heiner Lauterbach, Milena Dreißig, Stephan Kampwirth, Herbert Knaup, Jessica Schwarz, Sönke Möhring…

Artikel von Christopher Feldmann

Gute Thriller sind in Deutschland rar gesät, vor allem im Kino findet dieses Genre kaum oder überhaupt nicht statt. Das mag seltsam erscheinen, sind die deutschen doch schon immer recht affin für spannende Kriminalgeschichten gewesen, Millionen von Zuschauern sitzen auch nach über 50 Jahren immer noch Sonntags vor dem Bildschirm, um der neuesten TATORT-Folge beizuwohnen. Generell ist der Anteil an ähnlichen Formaten immer noch relativ hoch und auch auf dem Literaturmarkt verkaufen sich die Nägelkauer von Sebastian Fitzek und Co. wie geschnitten Brot. Gut, abgeschmackten Krimieinheitsbrei wie eben TATORT mit Fitzek-Werken zu vergleichen, die dann doch eher in Richtung Psychothriller gehen, ist dann vielleicht doch etwas unfair, dennoch mögen die Deutschen Kriminal- und Thrillergeschichten, doch irgendwie sieht man davon nichts auf der großen Leinwand. Auf dem kleinen Bildschirm jedoch scheint diese Sparte immer noch gut zu funktionieren, gerade in Serienform. Das man dies auch mit deutschen Fördergeldern ganz gut auf die Beine stellen kann, bewies schon die ARD mit dem ein oder anderen gelungenen Mehrteiler, BLACKOUT (2021) ist jedoch eine andere Hausnummer, lag der sechsteiligen Miniserie doch ein echter Bestseller zur Grunde, der nun mit Staraufgebot adaptiert wurde. Eigentlich ein echtes Prestigeprojekt, von dem ich aber nichts mitbekommen habe, bis die DVDs ins Haus flatterten, um mich damit schriftlich auseinanderzusetzen. Und siehe da, die Deutschen können es! BLACKOUT mag zwar nicht perfekt sein, bietet aber packend erzählte Unterhaltung mit einer hochinteressanten Prämisse.

Handlung:

An einem kalten Novemberabend wird im europäischen Stromnetz eine fatale Kettenreaktion ausgelöst: Überall schalten sich Kraftwerke ab, Telefonnetze brechen zusammen, Züge bleiben stehen, Wasserversorgung und Heizungen funktionieren mit einem Schlag nicht mehr – ein ganzer Kontinent verschwindet in der Dunkelheit. Während Regierung und Behörden mit den Auswirkungen des Blackouts kämpfen und Frauke Michelsen (Marie Leuenberger) als neu berufene Leiterin des nationalen Krisenstabs Entscheidungen über Ressourcen und Prioritäten – und damit über Menschenleben – treffen muss, gerät Pierre Manzano (Moritz Bleibtreu), ein ehemaliger Hacker und Umweltaktivist, in den Fokus der Ermittler. Manzano erkennt, dass ein Code, den er vor 20 Jahren geschrieben hat, für den Blackout verantwortlich ist und geht deshalb von einem gezielten Anschlag aus. Doch obwohl er Europol und BKA helfen will, gerät er zunehmend selbst ins Fadenkreuz. Für Manzano, Ermittler, Politiker und ganz Europa beginnt ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit.

Der Roman BLACKOUT – MORGEN IST ES ZU SPÄT (2012) von Marc Elsberg war ein echter Renner und verkaufte sich knapp zwei Millionen Mal und wurde in 15 Sprachen übersetzt. Darüber hinaus wurde es für seine gute Recherche gelobt, zeichnet das Buch doch ein eindrucksvolles und erschreckend realistisches Bild von den Folgen eines europaweiten Blackouts. Also der perfekte Stoff für eine Verfilmung, die nun überall erhältlich ist. Tatsächlich war ich zunächst skeptisch, ob die sechsteilige Serie überzeugen kann, denn wenn es um deutsche Produktionen geht, steht man diesen irgendwie von Natur aus kritisch gegenüber. Doch ich wurde eines Besseren belehrt und habe sämtliche Folgen fast in einem Rutsch durchgeschaut, auch wenn der ein oder andere Makel natürlich nicht von der Hand zu weisen ist.

Die Geschichte profitiert natürlich in erster Linie von ihrer Prämisse, denn ein europaweiter und auch dauerhafter Stromausfall eröffnet viel Spielraum für spannende Szenarien. Dass man im Falle eines länderübergreifenden Blackouts kein Internet mehr nutzen kann, stellt dabei das geringste Problem da. Was passiert, wenn keine Lebensmittel mehr gekühlt werden können? Wenn Krankenhäuser nur noch auf Reserve laufen? Wenn aufgrund elektrischer Pumpen kein Treibstoff mehr gefördert werden kann? Und dann steht auf einmal eine nukleare Katastrophe vor der Tür. All das sind interessante Spielereien, die gerade in unserer heutigen Welt, in der so ziemlich alles vernetzt ist, umso erschreckender sind. Wie im Buch beleuchtet die Serie dabei mehrere Katastrophen, die sich aus der Ausgangslage entwickeln. Im Zentrum steht dabei natürlich auch die Frage, wer dafür verantwortlich ist, denn BLACKOUT ist eben nicht nur eine gar nicht mal so unrealistische Dystopie, sondern immer noch ein Thriller, der die Spannung zu halten vermag. Das liegt vor allem am straffen Pacing, das die Autoren an den Tag legen. Bei rund 45 Minuten Laufzeit pro Episode kommt so gut wie keine Langeweile auf, das Tempo ist konstant hoch und man verweilt nie zu lange in einzelnen Erzählsträngen. Gerade die Geschichte um Krisenstabsleiterin „Frauke Michelsen“ ist besonders interessant, bekommt man als Zuschauer somit auch einen Einblick in die politische Ebene. Wie geht man mit so einem Ernstfall um? Wie verteilt man Ressourcen? Wo setzt man seine Prioritäten? Auch abseits dieser beiden Haupthandlung (die andere ist die um Hacker „Pierre“, der verzweifelt versucht, das Ganze aufzuklären und seine Unschuld zu beweisen) gibt es mehrere Erzählstränge, die verschiedene Schauplätze innerhalb dieses Szenearios zeigen. Und trotz der Vielfalt an Figuren, gelingt es der Serie immer übersichtlich und nachvollziehbar zu bleiben, auch wenn man an manchen Punkten etwas Straffung hätte betreiben können.

Ob man jetzt tatsächlich die Geschichte um die Töchter der Krisenstabschefin gebraucht hätte, sei einmal dahingestellt. Natürlich soll diese noch etwas mehr Dramatik in die Sache bringen, tritt jedoch oft auf der Stelle und bringt nicht sonderlich viel Mehrwert. Oder zum Beispiel der Blick auf „Pierres“ Kumpanen, der bei einem Milchbauern strandet und diesem wie auch seiner Frau hilft, hat nicht sonderlich viel zum Gesamtbild hinzuzufügen. Interessant ist jedoch wie es die Autoren schaffen, verschiedene Stränge zusammenzuführen ohne dass es in irgendeiner Form negativ auffällt. Hier profitiert man wieder vom guten Pacing, das den Zuschauer bei der Stange hält. Aber natürlich ist nicht Alles Sonnenschein und man muss auch einige Schnitzer und Klischees vertragen können. Gerade die Rückblenden in das Jahr 2001 sind mit ihren Aktivisten-Parolen etwas cringe und auch der ganze Umstand, dass natürlich niemand unserem Protagonisten Glauben schenken mag und dieser dann versucht Antworten zu finden, während er von so ziemlich jedem Beamten Europas gejagt wird, ist schon sehr Hollywood-Like. Dass er dabei auch durchaus große Strecken zurücklegt, teilweise mit Schussverletzung, kratzt zunehmend an der Glaubwürdigkeit. Aber das sind nun mal die kleinen Kniffe, um eine Geschichte am Laufen zu halten.

Was letztendlich hinter Allem steckt, ist wenig überraschend aber durchaus ordentlich gelöst. BLACKOUT begeht nicht den Fehler, dem Zuschauer irgendwann eine Nebenfigur, die dreimal durchs Bild gelaufen ist, als großen Mastermind einer Verschwörung zu präsentieren, sondern spielt ab einem gewissen Punkt mit offenen Karten. Hier ist der Weg das Ziel und das tut der Spannung keinen Abbruch. Zudem sorgt ein Aufgebot an renommierten Darstellern und Darstellerinnen dafür, dass man nicht die Übersicht verliert. Während den Löwenanteil natürlich Moritz Bleibtreu und Marie Leuenberger tragen, tummeln sich bis in die kleinsten Nebenrollen bekannte Gesichter. Neben Heiner Lauterbach, dem die Rolle des taffen Kriminalhauptkommissars wie auf den Leib geschneidert zu sein scheint und der erstaunlich viel zu tun hat, sind hier u.a. Herbert Knaup, Richard Sammel, Jessica Schwarz, Sönke Möhring, Hansjürgen Hürrig zu sehen, die allesamt einen guten Job machen, auch wenn sich oft im Klischee-Dialog-Baukasten bedient wird. Am ehesten aus dem Raster fallen dabei die Kinderdarsteller in Form von Naila Schuberth und Lotta Herzog, die als Serientöchter von Marie Leuenberger zu sehen sind und stellenweise wirklich schlechte Sätze in den Mund gelegt bekommen.

Was jedoch wirklich auf der Habenseite zu verbuchen ist, ist das Produktionsniveau. Dank nicht unerheblicher Fördermittel, meines Wissens nach ca. 3,5 Millionen Euro, sieht das Ganze hochwertig aus und kann durchaus mit internationalen Produktionen mithalten. Es wurde an vielen Locations gedreht, u.a. in Malta und in Italien, und auch inszenatorisch ist das hier absolut gelungen. Lediglich im Detail bemerkt man dann doch gewisse Beschränkungen, denn richtige Massenszenen waren wahrscheinlich gerade während der Corona-Pandemie nicht möglich. So bekommt man als Zuschauer zwar immer einen Einblick auf persönliche Schicksale aber selten auf das große Ganze. Hier ist die Serie dann doch etwas zahm und für meinen Geschmack hätte man da noch etwas weiter gehen dürfen.

Zur Sichtung lag uns die DVD-Version aus dem Hause Leonine vor. Bild- und Tonqualität sind sehr gut, Extras gibt es keine. Wer keine physische Ausgabe benötigt, kann alle sechs Folgen auch bei Joyn streamen. Entweder gratis mit Werbeunterbrechungen und in SD-Qualität oder als Premiumnutzer in HD und ohne Pausen.

Fazit:

BLACKOUT (2021) ist nicht perfekt und leidet hier und da unter etwas zu viel erzählerischem Ballast und den ein oder anderen Hollywood-Klischees. Dennoch handelt es sich hier um eine wirklich spannende Serie und gelungene Romanverfilmung mit guten Darstellern, ordentlichem Production-Value und straffen Tempo. Eignet sich hervorragend zum bingen, sofern man manche Schnitzer im Drehbuch verkraften kann. Sehenswert.

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