Das Independent-Kino der 1990er Jahre wurde bekanntermaßen maßgeblich von Quentin Tarantino beeinflusst, der mit mit seinen Frühwerken einen dicken Fußabdruck hinterließ, der auch heute noch allgegenwärtig ist. Zahlreiche Filmemacher versuchten unentwegt den Stil des großen Q.T. nachzuahmen und ihre eigenen auf cool getrimmten Gangstergeschichten zu erzählen. Eines dieser sogenannten Tarantino-Rip-Offs ist das Roadmovie LOVE AND A .45 (1994), welches die damals noch unbekannte und heute zweifache Oscar-Preisträgerin Renée Zellweger in der Rolle der White-Trash-Ganovenbraut zeigt. Turbine Medien haben dem ehemals indizierten Streifen kürzlich eine wunderschöne Mediabook-Veröffentlichung spendiert, die erstmals die ungekürzte Fassung in durchgehend deutscher Synchronisation präsentiert. Ob der Film dieser Edition gerecht wird, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Love and a .45

Drehbuch & Regie: C.M. Talkington

Darsteller: Gil Bellows, Renée Zellweger, Rory Cochrane, Jeffrey Combs, Jace Alexander, Peter Fonda…

Artikel von Christopher Feldmann

In den 1990er Jahren wehte mit einem Schlag ein neuer Wind im Kino und dieser kam aus der Independentszene. Als Quentin Tarantino mit RESERVOIR DOGS (1992) die Festivals dieser Welt aufmischte und hitzige Diskussionen entfachten, die sich mit der Frage, ob es sich dabei um grenzgeniales Kino oder um gewaltverherrlichenden Müll handelt, beschäftigten, brach eine Sturm-und-Drang-Zeit in der Filmwelt an. Nerds wie Kevin Smith und Robert Rodriguez wurden zu den neuen Helden einer ganzen Generation und auch die Kritiker frohlockten beim neu aufkommenden Stil, der anders und frisch war. Die Filme dieser neuen Regisseure waren verspielt, referenziell, erzählten Figuren und Geschichten völlig anders und waren im Grunde genommen einfach cool. Gerade Tarantino manifestierte mit PULP FICTION (1994) seinen Ruf als neuer Gott des Autorenkinos, was natürlich einige Nachahmer auf den Plan rief. Wer sich das Independentkino dieser Dekade mal genauer ansieht, auf Inszenierung, Dialoge und Charakterzeichnung achtet, der wird feststellen, dass es zahlreiche Werke gibt, die damals versuchten, den „Tarantino-Swag“ zu kopieren. Unter all diesen Streifen findet sich auch LOVE AND A .45 (1994), der mit seiner Roadmovie-Geschichte um ein kriminelles Liebespaar, die sich auf der Flucht vor Gesetz und Häschern aus der Unterwelt befinden, stark an den von Tarantino geschriebenen TRUE ROMANCE (1993) erinnert und auch Anleihen an den artverwandten NATURAL BORN KILLERS (1994) an den Tag legt. Allerdings hat der skurrile Roadtrip darüber hinaus auch nicht viel zu bieten und besticht vor allem durch bemühte Verspieltheit und ziemlich viel heiße Luft.

Handlung:

Watty (Gil Bellows), Starlene (Renée Zellweger) und Billy (Rory Cochrane) stehen auf den besonderen Kick…und sie brauchen die Kohle. Ihre Lösung: Raubüberfälle! Die junge Gang ist knallhart. Und gefährlich, wenn man sie reizt. Billy und Watty machen den nächsten Bruch. Doch der psychopathische Billy rastet aus. Das junge Mädchen an der Kasse hat ihn gereizt. Er erschießt sie. Watty und seine Freundin Starlene trennen sich von Billy – der Kerl wird immer verrückter. Als zwei Texas-Ranger Starlene zusammenschlagen wollen, erschießt sie einen der beiden. Sie müssen fliehen. Aber Starlene und Watty haben alles, was sie brauchen, um Spaß zu haben: Ihre Liebe und eine Fünfundvierziger!

Filme wie LOVE AND A .45 haben es bei mir wirklich schwer, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass ich persönlich großer Tarantino-Liebhaber bin. Immerhin hat der ehemalige Videothekar und mittlerweile Regie-Virtuose meine Liebe zum Kino entscheidend geprägt. Umso schwieriger wird es für jemanden wie mich, der sich viel mit dem Filmemacher beschäftigt hat, wenn er sich die sogenannten Epigonen ansieht. Meistens stellt man schnell fest, dass es diesen Streifen merklich an Substanz mangelt und es den jeweiligen Machern vordergründig darum ging, den Stil des Vorbilds abzukupfern oder umgangssprachlich „auch mal so etwas cooles zu machen“. Der von C.M. Talkington geschriebene und inszenierte Roadmovie-Cocktail ist ein echtes Paradebeispiel für diese Sorte Film.

Dass der Filmemacher sich stark an den beiden eingangs erwähnten NATURAL BORN KILLERS (1994) und TRUE ROMANCE (1993) orientiert, liegt dabei auf der Hand. Ersterer entstand nach einem Drehbuch Tarantinos und wurde von Tony Scott gedreht, während zweiterer lediglich auf dem Ur-Skript basiert aber von Regisseur Oliver Stone komplett neu interpretiert wurde, was bis heute auf nicht sonderlich viel Zuneigung Tarantinos stößt. Dennoch handeln beide Filme von einem flüchtigen Pärchen, die mal mehr, mal weniger freiwillig von einem Schlamassel in den nächsten geraten. Im Fall von NATURAL BORN KILLERS handelte es sich um ein psychopathisches Gespann. LOVE AND A .45 ist so etwas wie eine Melange aus beiden Filmen, wobei die Nadel schon eher in Richtung TRUE ROMANCE ausschlägt, sind „Watty“ und „Starlene“ hier doch keine mordenden Psychos, sondern ein etwas treudoofes, kleinkriminelles Paar, die aufgrund unglücklicher Umstände zu Mördern wurden und nun gen Mexiko unterwegs sind, während sie von allerlei Gesindel verfolgt werden, wie zum Beispiel dem psychopathischen „Billy“ und zwei finsteren aber dadurch nicht weniger skurrilen Enforcern „Dinosaur Bob“ und „Creepy Cody“. Viel mehr hat der Film dann auch nicht zu erzählen, stattdessen versucht er plump Momente aneinanderzureihen, die auf ihre eigene Art und Weise Thrill mit Humor verknüpfen wollen, etwa wenn „Watty“ zu Beginn bei einem Raubüberfall noch gemütlich mit dem Kassierer schnackt. Der größte Schwachpunkt sind die zwar skurrilen aber auch sehr flachen Charaktere, die im Grunde nur Schablonen darstellen, die mit Klischees gefüllt wurden.

Die meisten Dialoge wirken daher aufgesetzt und viel zu überdreht. C.M. Talkington hat zudem nichts zum White-Trash-Milieu hinzuzufügen, in dem der Film verortet ist und ringt den Figuren somit keine neuen Facetten ab. Unser Hauptdarsteller-Pärchen sind im Grunde kriminelle Taugenichtse, die vielleicht das Herz am richtigen Fleck aber im Grunde mehr Glück als Verstand haben. Aus den mit Drogen vollgepumpten Bösewichten holt der Film auch wenig heraus, sie bleiben lediglich Karikaturen, wobei vor allem „Dinosaur Bob“ wie Henry Silva aussieht, der sich zu Karneval als „Vincent Vega“ aus PULP FICTION (1994) verkleidet hat. Zwar gibt es den ein oder anderen Schmunzler, insgesamt ist das Alles aber immer viel zu überdreht, zu laut, zu schrill und am Ende einfach zu nervig, eine Quasi-Light-Version von NATURAL BORN KILLERS, den ich zwar auch nie mochte aber der immerhin inszenatorisch ein gewisses Konzept fährt.

LOVE AND A .45 ist wesentlich konventioneller gefilmt und sieht sichtbar günstig aus, was allerdings nicht überraschend ist, war das produzierende Studio Trimark Pictures doch vor allem auf Low-Budget-Filme und Videothekenkost abonniert. Hauptdarsteller Gil Bellows, der als „Watty“ zu sehen ist, liefert noch die angenehmste Performance und war im selben Jahr auch in der Stephen-King-Verfilmung DIE VERURTEILTEN (1994) zu sehen. Aus Renée Zellweger, die in der deutschen Fassung passenderweise von Kelly-Bundy-Sprecherin Claudia Lössl gesprochen wird, wurde bekanntlich ein Hollywood-Star, hier ist sie ähnlich ansprechend wie kurze Zeit später in TEXAS CHAINSAW MASSACRE: THE NEXT GENERATION (1995) und einfach ziemlich nervig. In einer Nebenrolle chargiert sich „Re-Animator“ Jeffrey Combs durch den Film, während Peter Fonda einen etwas besseren Gastauftritt absolvieren darf.

Was an diesem Film restlos überzeugen kann, ist die neue Veröffentlichung aus dem Hause Turbine Medien. Das Mediabook, das die seit 2019 nicht mehr indizierte und mittlerweile ab 16 Jahren freigegebene, ungekürzte Fassung enthält, ist wieder mal ein echter Hingucker und bietet wie gewohnt beste Qualität. Erstmals liegt der Film vollständig synchronisiert vor, das Bild ist gestochen scharf und überzeugt mit satten Farben und auch der 5.1-Ton weiß zu begeistern. In den Extras finden sich Deleted Scenes, Storyboard-Vergleiche, eine 4:3-Retrofassung, Trailer und ein Audiokommentar des Regisseurs, des Produzenten und Hauptdarsteller Gil Bellows. Abgerundet wird das Ganze von einem 28-seitigen Buchteil.

Fazit:

LOVE AND A .45 (1994) ist einer von vielen Tarantino-Epigonen der 1990er Jahre, der sich darum bemüht, ähnlich gewitzt, skurril und hip zu sein wie das große Vorbild, letzten Endes aber nur schlecht kopiert. Ein weiterer Beweis dafür, dass Regisseure wie eben C.M. Talkington nicht verstanden haben, was die Vorlagen letztendlich tiefergehend auszeichnet und sich daher oberflächlich bedienten.

Turbine Shop-Links:

Mediabook

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

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