In den 2000er Jahren stand die Karriere von Horror-Regisseur Wes Craven an einem Scheideweg. Während der Filmemacher mit seiner SCREAM-Trilogie große Erfolge feiern konnte, erwiesen sich sein ambitioniertes Musik-Biopic MUSIC OF THE HEART (1999), sowie der Werwolfstreifen VERFLUCHT (2005) als Flops am Box-Office. Mit seiner nächsten Regiearbeit RED EYE (2005) wandte sich Craven erstmals dem klassischen Thriller zu und schuf einen knackig inszenierten und auch finanziell erfolgreichen Nägekauer, der mit Rachel McAdams und Cillian Murphy in den Hauptrollen aufwartet. Paramount Pictures Home Entertainment haben das Psychospiel über den Wolken nun frisch restauriert als 4K-Version veröffentlicht. Ob der Streifen den Test der Zeit bestanden hat, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Red Eye

Drehbuch: Carl Ellsworth

Regie: Wes Craven

Darsteller: Rachel McAdams, Cillian Murphy, Brian Cox, Jayma Mays, Jack Scalia, Terry Press…

Artikel von Christopher Feldmann

Ohne Wes Craven wäre das Horrorkino sicher sehr viel ärmer. Gleich drei Mal schaffte es der Regisseur und Autor dem Genre neue Impulse zu verleihen. Mit seinem Debüt THE LAST HOUSE ON THE LEFT (1972) begründete er nicht nur das sog. Rape-and-Revenge-Genre, sondern erzählte auch eine neue, realistische Variation des Horrors, fernab von klassischen Filmmonstern. Mit A NIGHTMARE ON ELM STREET (1984) fügte er dem damals schon etwas angestaubten Slasherfilm einen neuen, frischen Ansatz hinzu und lieferte ganz nebenbei den Startschuss zu einem sehr profitablen Franchise, dessen Figur „Freddy Krueger“ in die Popkultur eingehen sollte. Eine Dekade später inszenierte er schließlich SCREAM (1996), der ebenfalls Filmgeschichte schrieb, indem er den Slasher wieder salonfähig machte und ihn gleichzeitig mittels cleverer Metaebene parodierte und hinterfragte, was schließlich auch in einem höchst erfolgreichen Franchise mündete, das mittlerweile fünf Sequels zählt. Aber Craven griff auch gerne mal ins Klo wie etwa mit der Graupe THE HILLS HAVE EYES PART II (1985) oder der schreiend unlustigen Horrorkomödie VAMPIRE IN BROOKLYN (1995). Aber auch Cravens Karriereherbst war nicht unbedingt von Erfolgen gekrönt. Sowohl VERFLUCHT (2005), als auch der am Box-Office katastrophal abgesoffene MY SOUL TO TAKE (2010) lockten niemanden hinter dem Ofen hervor, selbst SCREAM 4 (2011) blieb gnadenlos hinter den Erwartungen zurück. Lediglich RED EYE (2005) gilt unter Fans als kleines Highlight aus Cravens Dämmerjahren und das, obwohl es sich hierbei nicht um einen Horrorfilm, sondern um einen klassischen Suspense-Thriller im Hichtcock-Stil handelt. Das ist nachvollziehbar, denn mit nicht einmal 90 Minuten Laufzeit, prescht der Film ohne Längen durch seine nicht unbedingt originelle Handlung und macht viel durch sein Tempo wett.

Handlung:

Nach der Beerdigung ihrer Großmutter macht sich die Hotelmanagerin Lisa Reisert (Rachel McAdams) mit dem Flugzeug auf den Weg zurück nach Miami. Bereits beim Warten auf den verspäteten Flieger lernt sie den sympathischen Jackson Rippner (Cillian Murphy) kennen, der – wie es der Zufall will – im bereitgestellten Flugzeug auch direkt neben ihr sitzt. Doch als die Maschine erst einmal in der Luft ist, offenbart Jackson, wer er wirklich ist: als Killer für eine unbekannte Gruppe arbeitend, will er Lisa dazu zwingen, ein hochrangigen Politiker, der in ihrem Hotel in derselben Nacht ankommen wird, umzubuchen. Auf ihn soll ein Anschlag verübt werden. Sollte sich Lisa widersetzen, wird ein vor dem Haus ihres Vaters parkender Killer Joe Reisert (Brian Cox) ermorden, und auch sie den Flug nicht überleben.

RED EYE avancierte in seinem Erscheinungsjahr zu einem kleinen Überraschungshit und spielte bei einem Budget von rund 26 Millionen US-Dollar knapp 100 Millionen wieder ein. Das dürfte zum einen daran liegen, dass anno 2005 noch nicht die sündhaft teuren Blockbuster das Kino dominierten und somit wesentlich kleinere, in der mittleren Preisklasse angesiedelten Filme deutlich mehr Luft zum atmen hatten, zum anderen, da Cravens Flugzeugthriller ein erstaunlich kompakt erzählter High-Concept-Thriller ist, der für einen vergnüglichen Abend frei von irgendwelchen Längen sorgt.

Die Handlung um eine Hotelangestellte, die im Flugzeug Bekanntschaft mit einem ruchlosen Killer macht, ist nicht neu und das war sie auch im Jahr 2005 nicht, doch das Drehbuch von Carl Ellsworth kommt erstaunlich schnell zum Punkt und verschwendet keine Zeit mit unnötig in die Länge gezogenen Charaktereinführungen. Als Zuschauer erfährt man zu Beginn die nötigsten Details, um mit der von Rachel McAdams verkörperten Hauptfigur zu connecten. Auch das erste Aufeinandertreffen, in dem sich „Jackson Rippner“ zuerst als sympathischer Reisegenosse etabliert, besticht vor allem durch gute Dialoge, inklusive kleiner Pointen. Es entsteht durchaus eine bestimmte Chemie zwischen den beiden Passagieren, weshalb der Moment, in dem sich der drollige Sitznachbar als skrupelloser Hitman entpuppt gleich eine doppelte Wirkung entfaltet. Bei dem vorhergegangen Schlagabtausch zwischen den Beiden, würde es auch nicht verwunden, wenn sich aus dem Ganzen eine Romanze entwickeln würde. Wenn die Handlung erstmal sprichwörtlich im Flugzeug Platz nimmt, entwickelt die Geschichte einen schönen Spannungsbogen, der sich immer weiter entwickelt. So unternimmt „Lisa“ immer wieder den Versuch, sich mitzuteilen und auf ihre Situation aufmerksam zu machen, was von ihrem Kontrahenten stets vereitelt wird. Das Drehbuch verlässt sich dabei nicht auf deplatzierte Twists und Turns, sondern bleibt stets sehr geradlinig. Die klaustrophobische Atmosphäre tut ihr übriges und verwandelt RED EYE stellenweise in einen echten Nägelkauer, bei dem der ein oder andere Stolperstein in Sachen Logik und das bei genauerem Blick doch etwas konstruierte Szenario kaum uns Gewicht fällt.

Lediglich auf den letzten Metern fällt RED EYE dann doch ab, denn sobald das Geschehen das Flugzeug verlässt und plötzlich mit Raketen auf Hotelzimmer geschossen wird, sowie das Elternhaus Lisas zur Kampfarena erklärt wird, sackt auch die Spannung ab. Hier hätte man das Flugzeug-Szenario weiter nutzen müssen, um ein befriedigendes Finale zu liefern. Denn alles was danach passiert ist paint-by-Numbers und leider sehr 08/15. Aber Wes Craven ist Profi genug, um wenigstens das Tempo auf Anschlag zu halten. Mit gerade einmal 85 Minuten ist kein Gramm Fett auszumachen, selbst das mäßige Finale geht zackig über die Bühne. Dennoch und das sollte erwähnt werden, lehnt sich der Horror-Meister hier inszenatorisch nicht unbedingt aus dem Fenster und an die klassische 2000er-Optik muss sich vielleicht der ein oder andere gewöhnen. Das Flugzeug-Setting lädt förmlich zu optischen Spielereien ein, denen sich Craven aber offensichtlich verweigerte. Stattdessen verlässt er sich ganz und gar auf sein knackiges Skript und seine Darsteller, die hier den Löwenanteil beitragen.

Rachel McAdams, die anno 2005 eher aus Schmonzetten wie WIE EIN EINIGER TAG (2004) und Komödien wie DIE HOCHZEITS-CRASHER (2005) bekannt war, macht hier ein wirklich guten Job und verleiht ihrer Figur die nötige Sympathie und avancierte später zu Recht zum gefragten Hollywood-Star. Der eigentliche Star des Films ist allerdings Cillian Murphy. Murphy, der über die Jahre immer wieder mit Christopher Nolan arbeitete und in seinem kommenden Film OPPENHEIMER (2023) sogar die Hauptrolle spielt, pendelt wunderbar zwischen sympathischer Zufallsbekanntschaft und eiskaltem Killer. Seine Performance ist fast schon der Hauptgrund, warum RED EYE (übrigens bezeichnet man auf diese Weise Nachtflüge, aufgrund der durch Schlaflosigkeit geröteten Augen) so gut funktioniert. Der Rest der Besetzung bleibt lediglich Staffage, selbst Brian Cox hat wenig zu tun.

Paramount Pictures Home Entertainment spendierte dem Thriller nun ein 4K-Upgrade, inklusive neuer Blu-ray-Auflage. Das Bild ist scharf und satt, der 5.1-Ton sorgt für den nötigen Ohrenschmaus. Auch das Bonusmaterial der Scheibe bietet einiges, nämlich einen Audiokommentar, Featurettes, ein Making-Of, , ein Gag-Reel, sowie den Trailer.

Fazit:

RED EYE (2005) stellt Wes Cravens letzten Kinoerfolg dar und ist ein kurzweiliger, temporeicher Thriller über den Wolken, der lediglich im Finale etwas abfällt. Zwar erfindet das Psychospiel zwischen den beiden gut aufgelegten Hauptdarstellern das Rad nicht neu, wer allerdings einen knackigen Genrefilm für Zwischendurch sucht, wird hier fündig.

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