Schon vor rund zwei Monaten hat Plaion Pictures diesen irischen Folk-Horror auf Scheibe veröffentlicht, was zumindest meiner Wenigkeit durch die Lappen ging. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht noch verspätet unseren Senf dazugeben wollen, denn YOU ARE NOT MY MOTHER (2021) ist sicher ein interessanter Tipp für alldiejenigen, die atmosphärischen Grusel zu schätzen wissen, ohne im Sekundentakt von Jump-Scares belästigt zu werden. Was der Streifen darüber hinaus zu bieten hat, erfahrt ihr im Artikel.
Originaltitel: You Are Not My Mother
Drehbuch & Regie: Kate Dolan
Darsteller: Hazel Doupe, Carolyn Bracken, Paul Reid, Ingrid Craigie, Jordanne Jones…
Artikel von Christopher Feldmann
Handlung:
Char (Hazel Doupe) wird ausnahmsweise von ihrer Mutter (Carolyn Bracken) zur Schule gefahren, die wegen Krankheit meist ans Bett gefesselt ist. Sie geraten in einen heftigen Streit, bevor Chars Mutter spurlos verschwindet. Viele Nächte voller Albträume vergehen für die schuldgeplagte Teenagerin. Bis ihre junge Mom eines Tages wieder auftaucht, so, als wäre nichts passiert. Doch sie wirkt seltsam verändert, ist lebendiger und irgendwie stärker. Und Char macht eine zutiefst grausige Entdeckung …
Einen guten Horrorfilm definiert jeder Zuschauer auf seine Art und Weise. Während die einen den klassischen Achterbahn-, beziehungsweise Rummelplatzgrusel vorziehen, bei dem hinter jeder Ecke etwas hervorspringt und es andauernd auf der Tonspur rumst, fühlen sich die anderen eher zum etwas ambitionierten Schrecken hingezogen, bei dem sich das Grauen subtil entwickelt. Der sogenannte „Elevated Horror“ ist nach Filmen wie HEREDITARY (2018), MIDSOMMAR (2019), THE LIGHTHOUSE (2019) oder zuletzt MEN (2022) keine Randerscheinung mehr und steht sowohl bei Filmfans als auch bei Kritikern hoch in der Gunst. Der bereits 2021 veröffentlichte YOU ARE NOT MY MOTHER reiht sich dabei nahtlos in den gegenwärtigen Trend ein und präsentiert eine Geschichte über eine dysfunktional erscheinende Familie, sowie familiäre Abhängigkeit, aus der sich langsam aber sicher der Horror entwickelt.
Regiedebütantin Kate Dolan, die auch das Drehbuch schrieb, widmet sich größtenteils den Beziehungen der einzelnen Figuren. Im Mittelpunkt steht dabei die Schülerin „Char“, die unter den Depressionen ihrer Mutter leidet, die kaum im Stande ist, sich um die familiären Angelegenheiten zu kümmern, während die ebenfalls mit im Haus lebende Großmutter gesundheitlich angeschlagen ist. Die Handlung zeichnet ein Bild der Hoffnungslosigkeit, denn „Char“ fühlt sich selbst verantwortlich für den Zustand ihrer Mutter, die die meiste Zeit apathisch im Bett verbringt und nicht einmal mehr die Kraft hat, den Kühlschrank mittels Einkauf zu füllen. In der Schule ist „Char“ daher eine Außenseiterin, wird von Mitschülern gemobbt und sogar die Eltern dieser bläuen ihren Kindern ein, sich von der seltsamen Familie fernzuhalten. YOU ARE NOT MY MOTHER ist immer dann am spannendsten, wenn diese Themen ausgespielt werden und der aussichtslose Kreis der emotionalen Verwahrlosung dargestellt wird. Allerdings geht das Skript dabei nie tief genug, um sich mit artverwandten Kollegen wie eben HEREDITARY (2018) messen zu können. So sind die Mobbingszenen immer ein wenig zu überspitzt und laufen schließlich irgendwann ins Leere, wenn der Fokus mehr in Richtung Folk-Horror wechselt.
Dieser entwickelt sich schleichend, wird aber nur schwammig angerissen. Dass es sich irgendwann um eine besessene Person dreht, also um das Böse, dass die eigenen Liebsten befällt, ist für den geneigten Zuschauer schnell zu durchschauen, die ganze Mythologie um ein sog. „Changeling“, also ein „Wechselbalg“ oder auch „Kuckuckskind“, bleibt ebenfalls wage und zumindest für meinen Teil etwas zu stiefmütterlich erklärt. Allerdings macht Dolan viele inhaltliche Unzulänglichkeiten mit ihrer Inszenierung wett, hat die Regisseurin doch ein auffallendes Gespür für Atmosphäre und gute Bilder. So ist die Stimmung gänzlich trist und ungemütlich, mal melancholisch und dann auch wieder gruselig. Tatsächlich funktioniert der Suspense in YOU ARE NOT MY MOTHER ziemlich gut, weshalb man Kate Dolan durchaus im Auge behalten sollte, im Hinblick auf kommende Projekte.
Die Schauspielleistungen sind indes tadellos. Hauptdarstellerin Hazel Doupe glänzt als stille, bedrückte Seele, während Carolyn Bracken natürlich der heimliche Star des Films ist und die gesamte Klaviatur an Emotionen spielen darf, wobei sie nie über die Strenge schlägt, sondern immer glaubwürdig wirkt. Lediglich Ingrid Craigie, die als Großmutter ein Geheimnis birgt wird ein wenig genutzt und hätte für den Plot relevanter sein können aber das ist dann auch Meckern auf hohem Niveau.
Die Blu-ray aus dem Hause Plaion Pictures punktet in erster Linie mit sehr guter Bild- und Tonqualität. Gerade bei Horrorfilmen ist eine ordentlich klingende Tonspur Pflicht und diese Scheibe glänzt in dieser Hinsicht. Im Bonusmaterial finden sich Interviews, ein Behind-the-Scenes-Clip, sowie der Trailer. Zusätzlich gibt es ein Wendecover ohne FSK-Flatschen.
Fazit:
YOU ARE NOT MY MOTHER (2021) ist interessantes Arthouse-Horrorkino aus Irland, mit einem guten Gespür für Atmosphäre und Suspense, was ein wenig darüber hinwegtröstet, dass das Drehbuch in manchen Belangen lediglich an der Oberfläche kratzt. Für alle Freunde interessanten Genrefilmen, die sich nicht nur auf Jump-Scares beschränken sicher ein Tipp.
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