Es ist schon irgendwie schräg. Seit ein paar Wochen ist das deutsche Independent-Projekt THE INVESTOR – THE INDEPENDENT SURF MOVIE (2023) digital zum leihen und auch zum Kaufen via Amazon Prime Video erhältlich. Den Verleih übernahm eines unserer liebsten Labels, nämlich Capelight Pictures und in einer Mail versicherte uns der Leiter der Promotionabteilung, dass es sich hierbei um eines seiner Herzensprojekte handelt. Dass derweil keine Veröffentlichung auf Scheibe in Sicht ist, lässt schon mal erahnen, dass es sich hier um keinen allzu gewöhnlichen Streifen handelt. Und ja, die Low-Budget-Produktion mit Schauspielveteran Henry Hübchen und Werbe-Testimonial Friedrich Lichtenstein ist nicht unbedingt für das klassische Mainstreampublikum geeignet. Ob es sich hierbei um einen Geheimtipp für Fans etwas eigenwilliger Indiekost handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: The Investor – The Independent Surf Movie
Drehbuch & Regie: Jarek Raczek
Darsteller: Henry Hübchen, Oliver Kuschke, Martin Bratz, Sven Anton, Friedrich Lichtenstein, Nadine Scheewel…
Artikel von Christopher Feldmann
Handlung:
Das Surfcenter Wustrow hat seine besten Tage hinter sich. Die Geschäftsführer (Oliver Kuschke, Martin Bratz, Sven Anton) bekommen von einem Investor (Henry Hübchen) mehrere Millionen Euro. Auch der Investor ist zufrieden, denn er kann endlich der Waffenlobby den Rücken kehren. Doch die drei arbeitsscheuen Surfer verprassen die Millionen und ihnen wird klar, dass mit dem ehemaligen Waffenhändler nicht zu spaßen ist und die Luft für sie immer dünner wird…
Ich muss zugeben, ich wusste überhaupt nicht, was mich bei THE INVESTOR (2023) erwarten würde. Das Artwork zum Film ziert Henry Hübchen mit einer Shotgun im Anschlag und da ich den deutschen Charakterdarsteller sehr gerne sehe und auch dem hiesigen Independentfilm abseits des durchweg ermüdenden Komödien- und Dramenallerlei zugeneigt bin, war ich bereit für eine ordentliche Portion German Pulp. Doch der Film von Jarek Raczek war nicht unbedingt Das, worauf ich mich eingestellt hatte.
THE INVESTOR ist eine schräge Nummer. Der Film erzählt die Geschichte dreier arbeitsscheuer Surfertypen, die eine Surf- und Kiteschule in Wustrow an der Ostsee betreiben und das mehr schlecht als recht, bis ihnen der titelgebende Investor plötzlich mehrere Millionen Euro zuschießt, um ihr Business groß aufzuziehen. Doch die drei Nichtsnutze verprassen die Kohle natürlich im Handumdrehen und sitzen nun in der Klemme, als der großzügige Spender plötzlich auf der Matte steht und seine Investition begutachten möchte. Das sorgt natürlich für einige brenzlige Situationen, die durchaus zu unterhalten wissen. Das liegt vor allem an Henry Hübchen, der zuletzt in der Serie ZE NETWORK an der Seite von David Hasselhoff agieren durfte. Der deutsche Leinwandstar hat sichtlich Freude daran, den eigentlich gutmütigen Ex-Waffenhändler zu mimen, der aber dann zur Knarre greift, wenn er sich betrogen fühlt. Generell hat man das Gefühl, das Regisseur und Autor Raczek seine Darsteller hat viel improvisieren lassen, was besonders im Falle von Hübchen eine wahre Freude ist. Es macht richtig Spaß, dem Altstar, besonders während seiner Monologe, zuzusehen.
Das sieht bei den anderen Beteiligten allerdings schon etwas anders aus. Es hat zwar reichlich Charme, dass Raczek die drei Surfschulenbesitzer Martin Bratz, Oliver Kruschke und Sven Anton als Darsteller verpflichtet hat, damit diese die Dulli-Versionen ihrer Selbst verkörpern dürfen, das Schauspiel ist dennoch relativ holprig geraten und ist für den Flow des Streifens nicht immer förderlich.
Auch die Art der Erzählung ist gewöhnungsbedürftig, bedient sich THE INVESTOR doch stets bei den Stilmitteln einer Mockumentary, was bedeutet, dass die Figuren immer wieder als „Talking Heads“ eingeblendet werden und ihr eigenes Handeln (natürlich meist ironisch) beschreiben. Das stört ab einem gewissen Punkt ebenso wie das Voice-Over von Friedrich Lichtenstein, der im Film als Kapitän auftritt. Immerhin lässt sich Raczek gewisse Seitenhiebe nicht nehmen, teilt die Geschichte doch indirekt gegen das deutsche Fördersystem aus. Der Regisseur, der sich schon lange vom gängigen Zirkus verabschiedet hat und konsequent „Independent“ bleibt, erschafft fast schon ein Sinnbild der deutschen Filmförderungspolitik. Diese steht immer wieder in der Kritik, Steuergelder an die immergleichen Filmemacher zu zahlen, die entweder genug Production Value im Rücken haben, so dass sie es eigentlich nicht bräuchten (Til Schweiger) oder mit ihren Arthouse-Projekten konsequent am Zuschauergeschmack vorbei produzieren, so dass diese das Geld nie zurück erwirtschaften. So könnte man THE INVESTOR als Kritik an jenem Zustand verstehen und selbst wenn es nicht Raczeks Hauptanliegen war, ein wenig Unmut wird in den Film hineingeflossen sein.
Dass das Budget knapp war, ist indes sehr ersichtlich. Zwar wirkt das Ganze effizient gedreht, die Sets sind allerdings schlicht und die Effekte, die in einem Shootout aufgefahren werden, sind natürlich unter aller Kanone, was ich einem solchen Projekt aber verzeihen kann. Generell fühlt man sich als Zuschauer an Filme von Peter Thorwarth oder an groteskes deutsches Genrekino wie zuletzt SCHNEEFLÖCKCHEN (2016). Zwar erreicht THE INVESTOR nie diese Klasse, schafft es aber durchaus zu unterhalten. Die Idee macht etwas her, die Umsetzung ist vermutlich auch aufgrund der begrenzten Mittel etwas, naja, verkopft und ungelenk. Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass Jarek Raczek mit etwas größeren finanziellen Ressourcen und der richtigen Idee einiges leisten kann. Warten wir ab, was die Zukunft bringt.
Der Film ist exklusiv bei Amazon Prime Video erschienen. Dort kann man ihn digital kaufen, als auch leihen. Zur Ansicht lag uns ein Screener vor.
Fazit:
THE INVESTOR – THE INDEPENDENT SURF MOVIE (2023) ist ein schräger Film für Fans von eigenwillige Genrekost mit Low-Budget-Charme oder auch hartgesottene Ostseeurlauber. Zwar gestaltet sich die Komödie aufgrund ihres Erzählstils etwas zäh, charmant ist das Ganze allemal, vor allem Henry Hübchen ist ein echtes Highlight.
Amazon-Links:
Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film