Influencer haben nach wie vor Hochkonjunktur. Der ständige Druck Publikum zu generieren, damit man Sponsoren akquirieren und auch sein Geld verdienen kann, führt dazu, dass viele Content-Creator die absurdesten Dinge tun. DEADSTREAM (2022), den Plaion Pictures in Kürze als schicke Mediabook-Edition veröffentlicht, reiht sich in die Riege von Filmen ein, die den Geltungsdrang der Online-Promis zur Schau stellen und sich dabei auch gleichzeitig über die toxische Online-Community lustig machen. Das ist aber nicht Alles, denn die Produktion des Streaminganbieters Shudder, packt das Ganze in das Korsett eines Geisterhaus-Horrorfilms mit Found-Footage-Vibe. Warum Genrefans hier definitiv einen Blick riskieren sollten, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Deadstream

Drehbuch & Regie: Joseph Winter, Vanessa Winter

Darsteller: Joseph Winter, Melanie Stone, Jason K. Wixdom, Pat Barnett, Marty Collins…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Influencer Shawn (Joseph Winter) hat’s vermasselt: Sein letzter Online-Stunt hat die Fans verjagt und die Sponsoren verprellt. Sogar YouTube hat den Internetstar verbannt. Ein ganz besonderer Kick soll alle Klicks zurückholen: Shawn schließt sich für eine Nacht in einem Geisterhaus ein, und zwar im Livestream! Damit sich der Hasenfuß nicht aus dem Staub macht, wirft er die Zündkerzen des Wagens und den einzigen Schlüssel fort. Nun noch überall Kameras angebracht, dann kann der Spaß ja losgehen. Das sehen die Geister des Hauses genauso.

DEADSTREAM (2022) vereint in erster Linie zwei Genres, die mich normalerweise völlig unberührt lassen. Immerhin gab es in der Vergangenheit genug Geisterhausfilme, in denen farblose Figuren mit übernatürlichem Horror konfrontiert wurde. Auch die Tatsache, dass der hier vorliegende Vertreter durch sein Livestream-Gimmick schwer an Found-Footage-Filme erinnert, dessen Ästhetik bereits mit den Filmen der PARANORMAL-ACTIVITY-Reihe bis zum Erbrechen durchgenudelt wurde, würde normalerweise dafür sorgen, dass ich einen großen Bogen um den Film mache.

Allerdings ist DEADSTREAM anders und doch irgendwie angenehm klassisch aber auch deswegen gnadenlos spaßig. Das liegt in erster Linie an der Hauptfigur, mit der man sich gnadenlos über das Influencertum lustig macht. „Shawn Ruddy“ ist ein dauerquasselnder Vlogger, der anscheinend jeden Scheiß mitmacht, um seine Zuschauer und Abonnenten bei der Stange zu halten, durch eine Aktion, die im Verlauf des Films nur wage angedeutet wird, allerdings in Ungnade fiel (inklusive dem obligatorischen Entschuldigungsvideo) und nun versucht, seine treue Anhängerschaft für sich zu begeistern. In den ersten Minuten nimmt der Film so ziemlich jedes Influencer-Klischee aufs Korn und skizziert den medialen Ausverkauf, wenn „Shawn“ auch nicht um dreistes Product Placement oder schnell hergestelltes Merchandise verlegen ist. Die Attitüde, mit der der Vlogger auftritt, ist eigentlich verachtenswert und der Film macht auch keinen Hehl daraus, dass es sich hierbei um ein echtes Arschloch handelt, der auch nicht unbedingt bereit ist, seinen Fame mit irgendjemandem zu teilen. Allerdings schafft es Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Joseph Winter, seine Figur mit einer gewissen Portion Restsympathie zu auszustatten, so dass man ihn zwar scheiße findet, ihm aber trotzdem bereit ist, durch das Szenario zu folgen, einfach weil er ein verdammt unterhaltsamer Dulli ist. Dadurch, dass der Streifen die Ästhetik eines Livestreams besitzt, steht man als Zuschauer sinnbildlich für Shawns Anhängerschaft, die ihn mit negativen Kommentaren trollen aber trotzdem eifrig dranbleiben.

Jene Kommentare werden immer wieder eingeblendet und geizen nicht selten mit Verachtung für den Protagonisten. Selbst wenn „Shawn“ wirklich in Gefahr ist, wird sich noch gehässig über ihn lustig gemacht, teilweise ihm den Tod an den Hals gewünscht. DEADSTREAM stellt authentisch die toxische Online-Community zur Schau und bindet sie gleichzeitig in den Film mit ein, was nicht nur für nette Seitenhiebe, sondern auch für reichlich Komik sorgt.

Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass DEADSTREAM sehr humorvoll ist und mit seinem Protagonisten, der kreischend durch das Geisterhaus flaniert, fast schon an Sam Raimis TANZ DER TEUFEL 2 (1985) erinnert. Ganz so blutig wie in dem Kultfilm geht es hier allerdings nicht zur Sache, auch wenn es einige wirklich schöne, handgemachte Make-Up-Effekte zu bestaunen gibt. Die immer wieder erwähnte Mystery um die Vergangenheit des Hauses, in dem sich „Shawn“ befindet, ist eigentlich nur Mittel zum Zweck, viel mehr hat der Film Spaß daran, seine Hauptfigur zu dekonstruieren. Das trägt tatsächlich hervorragend über die 90 Minuten Laufzeit, selbst wenn die großen Überraschungen ausbleiben. Als Geisterhorror ist DEADSTREAM nicht sonderlich originell und folgt klar den Pfaden des Genres, am Ende macht es aber die Mischung, die trotzdem mit ein paar gelungenen Schreckmomenten aufwartet.

Besonders effektiv ist auch das Livestream-Gimmick. Anstatt mit nur einer Kamera durch das Gemäuer zu laufen, um den Zuschauern die immer gleichen Wackelkamerabilder vorzusetzen, ist „Shawn“ vollends ausgestattet und bringt im Laufe der Handlung verschiedenste Kameras an allen möglichen Stellen an, die er über sein Tablet ansteuern kann. So spielt DEADSTREAM geschickt mit den Perspektiven und zeigt somit, wie man den Found-Footage-Stil auch clever einsetzen kann. Es gibt einige interessante Blickwinkel und spätestens im letzten Drittel dreht der Spuk dann richtig auf. DEADSTREAM macht durchweg richtig Spaß und profitiert enorm von seinem Hauptdarsteller, der den Film gemeinsam mit seiner Frau Vanessa Winter auf die Beine stellte.

Plaion Pictures veröffentlicht den spöttischen Gruselfilm demnächst als Mediabook-Edition im Heimkino, dessen Cover nicht von ungefähr an den Raimi-Klassiker erinnert. Bild- und Tonqualität der Blu-ray sind 1A, die Extras warten mit einer ganzen Wagenladung an Featurettes und Deleted Scenes auf, dazu gibt es noch einen Audiokommentar der Macher und den Trailer. Eine runde Edition.

Fazit:

DEADSTREAM (2022) ist eine echte Überraschung und kombiniert Geistergrusel in Found-Footage-Manier mit Influencer-Spott zu einem schwer unterhaltsamen Streifen, der richtig Spaß macht und sein Gimmick clever einsetzt. Auch wenn der Horror bekannten Pfaden folgt und es wenig Überraschungen gibt, kann man sich mit diesem frechen Seitenhieb auf den Ausverkauf sog. Onlinestars prächtig amüsieren.

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