Carlton Leach, Tony Tucker, Pat Tate. Wer diese Namen kennt, ist entweder sehr kundig, was die britische Gangsterszene angeht oder hat einfach die Filme aus der RISE-OF-THE-FOOTSOLDIER-Reihe gesehen, die seit 2007 konsequent fortgesetzt wird. Das Franchise um die wenig zimperlichen, mit Drogen dealenden Schläger aus der Unterwelt Essex‘ erfreut sich bei Fans großer Beliebtheit. Mit RISE OF THE FOOTSOLDIER: VEANGENCE (2023) erschien kürzlich der mittlerweile sechste Teil, der die Geschichte um Schlagetot „Pat Tate“ fortführt. Nachdem wir nun den vierten Teil THE MARBELLA JOB (2019) besprechen durften, wollen wir euch nun auch nochmal unsere Kritik zu RISE OF THE FOOTSOLDIER: ORIGINS (2021) ans Herz legen, der ebenfalls von Busch Media Group im Heimkino veröffentlicht wurde.
Originaltitel: Rise of the Footsoldier: Origins
Drehbuch: Andrew Loveday, Nick Nevern
Regie: Nick Nevern
Darsteller: Terry Stone, Vinnie Jones, Craig Fairbrass, Roland Manookian, Keith Allen, Bronson Webb…
Artikel von Christopher Feldmann
In seiner 2003 erschienenen Biografie MUSCLE schildert der ehemalige Hooligan Carlton Leach seinen Werdegang vom bekannten Mitglied der Inter City Firm (einer bekannten Hooligan-Organisation) zum angesehenen Türsteher in verschiedenen Clubs, der irgendwann in die organisierte Kriminalität einstieg. Mitte der 1990er Jahre verließ er die Szene, nachdem drei seiner Kumpanen bei einem Drogenhandel in Rettendon erschossen wurden. Das kriminelle Konglomerat wurde als Essex-Boys bekannt. Im Jahr 2007 wurde das Buch unter dem Titel RISE OF THE FOOTSOLDIER verfilmt, der zwar bei Kritikern aufgrund seiner klischeehaften Darstellung und der ausufernden Gewalt (der Film ist hierzulande indiziert) auf eher weniger Gegenliebe stieß aber ein ganzes Franchise nach sich zog, wobei sich die darauffolgenden Filme immer andere Schwerpunkte suchten. Während RETURN OF THE FOOTSOLDIER (2015) ein Sequel im klassischen Sinne ist, fokussierten sich RISE OF THE FOOTSOLDIER 3 (2017) und RISE OF THE FOOTSOLDIER: MARBELLA (2019) auf die Geschichte des Gangsters Pat Tate. Im nun erschienenen fünften Ableger RISE OF THE FOOTSOLDIER: ORIGINS (2021) wird dem Zuschauer der Werdegang des Tony Tucker gezeigt, mit dem das Ganze seinen Lauf nahm. Mal abgesehen davon, dass der Film seine Direct-to-Video-Wurzeln nicht verbergen kann, ist das Ergebnis ein nicht allzu geistreicher aber locker unterhaltender Gangster-Klopper-Streifen, der tatsächlich Lust macht, sich nochmal den Vorgängern zu widmen.
Handlung:
Der Soldat Tony Tucker (Terry Stone) kehrt 1982 desillusioniert aus dem Falklandkrieg zurück. Ohne Aussichten auf einen regulären Job schlägt er sich sprichwörtlich als Türsteher einer Provinz-Disco durchs Leben. Das ändert sich, als er eine Security-Firma mit dem hartgesottenen Bernard O’Mahoney (Vinnie Jones) gründet. Von nun an sorgen Tony und Bernard in den heißesten Clubs für Ordnung. Hooligans, Dealer und Krawallmacher landen blitzschnell mit einer gebrochenen Nase vor der Tür. Das brutale Geschäft zahlt sich aus: Geld, Ruhm und Sex – Tony bekommt alles. Doch der Erfolg steigt ihm zu Kopf. Gemeinsam mit dem barbarischen Gangster Pat Tate (Craig Fairbrass) und dem Dealer Craig Rolfe (Roland Manookian) will Tony nun auch ins Drogengeschäft einsteigen. Es ist der Auftakt eines verhängnisvollen Teufelskreises aus Drogensucht und Gewalt. Tonys Leben gerät außer Kontrolle.
Ich muss ja zugeben, als mir Kollege Jürs RISE OF THE FOOTSOLDIER: ORIGINS zum rezensieren anbot, war ich ziemlich skeptisch. Immerhin war mir die Existenz dieser Reihe völlig unbekannt, ergo habe ich keinen einzigen der Filme vorab gesehen. Der Sinn, den fünften Teil einer mir nicht geläufigen Filmreihe zu besprechen, erschloss sich mir daher nicht. Ein wenig Recherche, die die Erkenntnis zur Folge hatte, dass es sich hier um ein Prequel handelt, das zeitlich vor den bisherigen FOOTSOLDIER-Ablegern spielt, änderte meine Meinung. Wird schon werden, denn dann müsste das Ganze ja als eigenständige Story funktionieren.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Klar, man benötigt nicht viel Vorwissen, um den Figuren in dieser ruppigen Cockney-Gangsterballade zu folgen, Sinn macht es dennoch. Das Drehbuch verzichtet darauf, zentrale Charaktere wie Pat Tate oder Craig Rolfe großartig zu erklären, muss es auch nicht, immerhin sind diese auch in den anderen Filmen vertreten, somit steht hier nur eine andere Lebensphase im Mittelpunkt. Das ist natürlich für Fans erfreulich, müssen sich diese nicht mit unnötiger Exposition herumschlagen. Für Frischlinge wie mich war das Ganze ein wenig zu oberflächlich, kommen diese Gesichter doch meist irgendwann von der Seite herein und sind auf einmal Teil des Geschehens. Hardcore-Fans dürften sich freuen, meine Wenigkeit dachte nur: „Ok, who’s that?“.
Das sind Mankos, die man dem Film aber wenig vorwerfen kann. Trotzdem sollte man hier ausgeklügeltes Gangsterdrama alá GOOD FELLAS (1990) erwarten, sondern einen auf das wesentliche reduzierten Reißer um Typen mit Eiern so hart wie Stahl, die nicht lange fackeln und dir mit einem Schlag das Nasenbein brechen. Entsprechend fehlt es dem Ganzen an sympathischen Figuren, denn obwohl Tony Tucker zu Beginn eigentlich ein ganz netter Kerl zu sein scheint, entpuppt er sich wenig später als gewalttätiges, drogenabhängiges Arschloch, das er vermutlich auch in den Teilen 1-4 darstellt. Der Verfall dieser Figur ist relativ plump gezeichnet und auch sonst strotzt RISE OF THE FOOTSOLDIER: ORIGINS vor Gangster-Klischees und stereotypen Charakteren. Eine klassische Rise-and-Fall-Geschichte, nur ohne jeglichen Anspruch, mit reichlich Macho-Sprüchen und gebrochenen Knochen.
Ja, in diesem Film geht es nicht unbedingt zimperlich zu, was natürlich auch an den Darstellern liegt, die ganz in ihrem Element zu sein scheinen. Mit Terry Stone, Roland Manookian und Craig Fairbrass kehren auch drei Mimen zurück, die bereits seit dem Erstling fester Bestandteil des Franchises sind. Gerade Fairbrass ist eine echte Kante, ein Typ, dem man Nachts nicht in einer dunklen Seitengasse über den Weg laufen will. Mit gesunder Arroganz und reichlich Alpha-Attitüde glänzt er als Drogendealer, der auch mal einer Frau eine Billardkugel gegen den Kopf zimmert. Ein bisschen lachhaft agiert hingegen Terry Stone, dem man eine alberne Perücke auf den Kopf geklebt hat, damit er das jüngere Ich seiner Figur aus dem ersten FOOTSOLDIER-Film spielen kann. Manookian hingegen überzeugt derweil als kleinkrimineller Junkie. Das Ganze wird aber hoffnungslos vom ehemaligen Fußballer und B-Mime Vinnie Jones überschattet, der als Rausschmeißer Bernard über allem zu stehen scheint. Jones‘ steinerne Ausstrahlung passt wunderbar in diesen Streifen, der seinen Einstand in die Reihe markiert.
Inszenatorisch ist ORIGINS natürlich kein Glanzstück und kommt in handelsüblicher Direct-to-Video-Optik daher. Regisseur Nick Nevern, der hier sein Langfilmdebüt gibt, stand offensichtlich nicht allzu viel Budget zur Verfügung, spielen sich die meisten Szenen doch in relativ unspektakulären und spartanisch ausgestatteten Locations ab, von denen der Club, in dem die Jungs als Rausschmeißer und Türsteher arbeiten, noch die größte ist. Auch das Gefühl für den Zeitgeist der späten 1980er Jahre kann der Film nur bedingt einfangen, da reicht es nicht, Songs wie „Touch Me (I Want Your Body)“ von Samantha Fox, „Self Control“ von Laura Branigan und ein wenig Acid House abzuspulen. Am Ende bleibt ein relativ kurzweiliger aber auch nicht weltbewegender Gangsterfilm mit ein paar Aufs-Maul-Szenen.
Die Blu-ray aus dem Hause Busch Media Group, die uns dankenswerterweise zur Verfügung gestellt wurde, kann mit sehr guter Bild- und Tonqualität punkten, neben dem Trailer enthält das Bonusmaterial sogar noch ein Making-Of.
Fazit:
Wenn ihr mit den bisherigen RISE OF THE FOOTSOLDIER-Filmen nicht warm geworden seit, wird euch auch RISE OF THE FOOTSOLDIER: ORIGINS (2021) nicht viel Begeisterung abringen, handelt es sich doch um eine schnöde Direct-to-Video-Produktion, die jedes erdenkliche Klischee bedient. Ich für meinen Teil konnte mich an den zahlreichen Macho-Posen, den Darstellern und der interessanten Unterwelt Englands irgendwie erfreuen und würde nicht abstreiten, in Zukunft mal die Reihe als Ganzes nachzuholen.
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