Ich hoffe, dass niemand auf die Idee kommt, aus diesem Film eine Serie zu machen. Inhaltlich könnte man Rebel leicht in zwei oder drei Staffeln mit jeweils acht Folgen in die Breite ziehen, aber das muss nun wirklich nicht sein, absolut nicht, denn der Film hat alles gesagt. Rebel ist ein Bericht aus der Hölle, und er beschreibt, wie perfide und skrupellos die Terrorgruppe ISIS in den Armenvierteln westlicher Städte Menschen rekrutiert und sie in den Fleischwolf wirft. Die Besonderheit hierbei ist, dass der Streifen alles aus muslimischer Sicht erzählt und ISIS schonungslos als eine irre Ansammlung von psychopathischen Gangstern skizziert, die alles in den Abgrund reißen. Meine Freundin musste sich diesen Film mit mir ansehen und sie saß am Ende mit Tränen da: „Der Film ist unerträglich hart, wieso zeigst du mir das?“ Man müsste vor dem Film warnen, den Streifen könne man nicht einfach so als „guten Film“ empfehlen! Und es stimmt. Als wir uns den Film ansahen, kannte ich zwar schon die ersten 95 Minuten, nicht aber den Schluss. Rebel ist ein Tritt in die Magengrube, und während um Luft ringt, gibt es noch einen Schlag ins Gesicht hinterher. Dem Regie-Duo Adil El Arbi und Bilall Fallah ist großes, authentisches, dichtes und künstlerisch hochwertiges Kino gelungen, ein Lehrstück erzählerischen Könnens und deswegen so intensiv. BUSCH MEDIA GROUP brachte den berührenden Film nun im Heimkino heraus.
Originaltitel: Rebel
Regie: Adil El Arbi, Bilall Fallah
Darsteller: Lubna Azabal, Tara Abboud, Ala Riani, Aboubakr Bensaihi
Artikel von Kai Kinnert
Kamal, ein Rapper und YouTuber, hat sich in seiner belgischen Heimat auf riskante Drogendeals eingelassen. Als er deswegen von der Polizei gejagt wird, verlässt er die Familie und flüchtet nach Syrien. Zunächst als humanitärer Helfer tätig, schließt er sich im Chaos des Bürgerkriegs den Fanatikern des islamischen Staats an und filmt als deren Kameramann Propagandavideos inmitten von Tod, Bomben und Kugelhagel. Als er immer tiefer in die Schreckenstaten der Terroristen einbezogen wird, beginnt er, mit der Ärztin Noor Fluchtpläne zu schmieden. Doch die Agenten des Terrors haben bereits in Belgien seinen kleinen Bruder Nassim als Druckmittel ins Visier genommen, der seiner verzweifelten Mutter Leila zunehmend entgleitet. Es ist der Auftakt zu einer Reise ins Herz der Finsternis.
Dieser Film ist persönlich, er ist spürbar eine Herzensangelegenheit, selbst wenn es einem das Herz zerreißt. Rebel – In den Fängen des Terrors beruht auf mehreren wahren Begebenheiten, die sich in Brüssel zwischen 2012 und 2014 ereigneten. Die Regisseure mussten miterleben, dass Leute, die ihnen damals nahestanden, sich der terroristischen Gruppe ISIS anschlossen und anschließend Terroranschläge in Belgien und Frankreich verübten. Fassungslos beschlossen sie, dass diese Geschichte erzählt werden müsste und recherchierten jahrelang akribisch zu dem Thema Extremismus und Terrorismus durch ISIS. Ziel war es, den ultimativen Film über die ISIS zu drehen, ein historisches Lehrstück über die Mechanismen und Irrsinn dieser psychopathischen Terrorgruppe. Eine Besonderheit des Films ist, dass er die Ereignisse aus rein muslimischer Sicht betrachtet. Die Regisseure stellten fest, dass es zwar Serien und Filme zum Thema Extremismus gibt, aber nichts davon nimmt eine muslimische Sicht auf die Dinge ein. Adil El Arbi und Bilall Fallah wollten das Ändern und dabei die ganze Kraft großer Hollywoodproduktionen nutzen, inspiriert durch die Vietnam-Filme Oliver Stones und Steven Spielbergs Weltkriegsfilm. Sie wollten zeigen, dass auch gewöhnliche Muslime ein Opfer des Terrorismus sind. Dabei sollten so viele wahre Details wie nur möglich in den Film gepackt werden, um den Wahnsinn hinter ISIS zu verdeutlichen. Die Musik, und der plötzlich einsetzende Rap durch die Schauspieler, sollte ein Lichtblick im Dunkeln sein, auch weil Musik, ähnlich wie ein Gedicht, tieferliegende Gefühle transportieren kann. Gerade weil ISIS allgemein die Musik in seinem Herrschaftsgebiet verbietet („Porno für die Ohren“), wird sie so kraftvoll und in dem Film eingesetzt und sorgt so – besonders in der letzten Szene – für einen ergreifenden Gänsehautmoment.
Kamal rutscht, mehr oder weniger freiwillig, in den IS hinein und wird gleich, mit einer Videokamera bewaffnet, aufs Schlachtfeld geworfen. Er darf einem Chef-Influencer des IS bei der Arbeit begleiten und soll die Vorbereitungen auf einen Angriff filmen, denn aus dem Material werden die Propagandafilme geschnitten. Kamal, vor einem Jahr noch in Belgien in einer Sisha-Bar, rennt nun, mit panischer Angst in den Augen, durch den Häuserkampf des IS, Schlachtplatte hautnah, und bekommt später zur Belohnung eine Ehefrau geschenkt, die vorher auf dem Sklaven-Markt wie Vieh hysterischen Irren angeboten wurde. Und das ist erst der Anfang von Kamals Reise in die Hölle, die alles mitreißen wird, was ihm einst wichtig und wertvoll war. ISIS ist Menschenverachtung pur und die Rekrutierer sind in allen Ländern und in allen Städten dieser Welt unterwegs, um über Sportclubs und Kulturtreffen jugendlichen Nachwuchs in den IS zu holen. Sie verteilen – im wahrsten Sinne des Wortes – den Schlüssel zum Paradies an 13jährige Jungs und indoktrinieren ihnen den Märtyrertod schon vor der Schule.
Rebel – In den Fängen des Terrors ist bitter, hart, packend, anrührend und unglaublich dicht recherchiert. Es sind wahnsinnig viele Details, die so nebenher gezeigt werden und die perfide Art des IS verdeutlichen. Den Regisseuren ist wahrlich ein historisches Dokument über ISIS gelungen, ein Lehrfilm über Terror und Extremismus, den man als Warnung vor den Machenschaften der Verrückten zeigen sollte. Das geschieht hier nicht auf trockene, europäisch reduzierte Art und Weise – sondern als wuchtiger und bildstarker Antiterrorismusfilm, der sich tatsächlich mit den großen Vorbildern der Regisseure messen lassen kann. So einen Film hätte man sich von Oliver Stone schon vor Jahren gewünscht, doch der fiebert lieber noch immer in seiner JFK-Blase umher.
Adil El Arbi und Bilall Fallah ist hier ganz großes Kino gelungen und zeigt auf, welches Talent in Hollywood für kommerziellen Mist verschleudert wird. Rebel – In den Fängen des Terrors ist für mich der intensivste und ehrlichste Film der letzten Jahre. Erwachsenes Kino, das seinen Zuschauer ernst nimmt und ihn in den Boden stampft. Das gab es nicht oft.
Das Bild der mir vorliegenden Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ebenso. Als Extras gibt es Trailer, die Filmpremiere in Stuttgart und ein Interview mit dem Regisseur Adil El Arbis und Hauptdarsteller Abubakr Bensaihi.
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