Das „Marvel Cinematic Universe“ steckt in der Krise. Nicht nur unter den Mainstream-Kinogängern macht sich immer mehr Ermüdung breit, auch die eingefleischten Fans üben berechtigte Kritik an der ausufernden und von Figuren mittlerweile überfrachteten Serienproduktion der einstigen Erfolgs-Franchise. So geriet zuletzt THE MARVELS (2023) sogar zum Verlustgeschäft, konnte der Superheldenfilm doch nicht mal sein horrendes Budget von weit über 200 Millionen US-Dollar einspielen, etwas was vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Nun ist das Comic-Abenteuer nicht mehr nur bei Disney+ verfügbar, sondern über Leonine auch regulär auf Scheibe erschienen und ob es sich dabei tatsächlich um den Rohrkrepierer handelt, als der der Film von vielen Kritikern bezeichnet wird, erfahrt ihr im Artikel.
Originaltitel: The Marvels
Drehbuch: Nia DaCosta, Megan McDonnell, Elissa Karasik
Regie: Nia DaCosta
Darsteller: Brie Larson, Teyonah Parris, Iman Vellani, Samuel L. Jackson, Zawe Ashton, Gary Lewis…
Artikel von Christopher Feldmann
So langsam aber sicher überkommt mich auch eine gewisse Marvel-Müdigkeit. Lange Zeit habe ich der Superheldenreihe rund um die AVENGERS und ihren Abenteuern die Treue gehalten, saß sogar regelmäßig zum Kinostart eines neuen Blockbusters aus der Erfolgsschmiede von Mastermind Kevin Feige im nächstgelegenen Lichtspielhaus. Das „Marvel Cinematic Universe“ hatte dem Konkurrenten DC neben einem großen Story-Arc vor allem immer eines voraus, nämlich Spaß. Die Marvel-Filme nahmen sich nie zu ernst, punkteten immer mit sympathischen Figuren und hatten sichtlich Spaß mit ihrem Ausgangsmaterial. Doch spätestens nach AVENGERS: ENDGAME (2019) war die Luft irgendwie raus, die Infinity-Saga war abgeschlossen, doch die Maschinerie lief weiter und produzierte im Akkord weiter Content, der einen echten roten Faden vermissen ließ und auch die Figuren wurden uninteressanter und beliebiger. Der Plan, exklusiv für Disney+ Serien zu produzieren, die ebenfalls Kanon sind, erwies sich zudem als Fehlentscheidung, denn es wurde einfach zu viel. Zu viele Filme, zu viele Serien, zu viele Charaktere, die Zuschauer sind mittlerweile übersättigt, das Konstrukt zu ausgefranst, Marvel leidet sichtlich unter Überproduktion. All dies kulminierte nun in THE MARVELS (2023), der nicht nur CAPTAIN MARVEL (2019) fortsetzt, sondern auch die losen Fäden der Serien WANDAVISION (2021) und MS. MARVEL (2023) aufgreift und zusammenführt und trotzdem eine mehr als generische Geschichte erzählt, auf die dann selbst viele der härtesten Comic-Jünger keine Lust mehr hatten. Ja, THE MARVELS hat Probleme und ist das perfekte Beispiel für die derzeitige Lage des einstigen Erfolgsgaranten. Trotzdem ist das Weltraumabenteuer mitnichten ein Totalausfall, sondern immerhin noch unterhaltsames Popcornkino.
Handlung:
Carol Danvers alias „Captain Marvel“ (Brie Larson) hat ihre Identität von den tyrannischen Kree zurückerobert und Rache an der Obersten Intelligenz genommen. Die unbeabsichtigte Folge ihrer Tat ist jedoch, dass Carol die Last eines instabilen Universums auf sich nehmen muss. Sie wird mit einem mysteriösen Wurmloch konfrontiert, das mit einem Kree-Revolutionär in Verbindung steht, und ihre Kräfte verweben sich plötzlich mit denen von Superfan Kamala Khan aka „Ms. Marvel“ (Iman Vellani) aus Jersey City, und ihrer Nichte, der jetzigen S.A.B.E.R.-Astronautin Captain Monica Rambeau (Teyonah Parris). Das ungleiche Trio muss ein Team bilden und lernen, an einem Strang zu ziehen, denn nur gemeinsam als „The Marvels“ können sie das Universum retten!
Zugegeben, auch ich blieb im Falle von THE MARVELS dem Kino fern, aus mehreren Gründen. Zum einen, da mich schon CAPTAIN MARVEL (2019) wenig abgewinnen konnte, zum anderen weil mich auch die Serie MS. MARVEL (2023) nicht abholen wollte, auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass ich mit Sicherheit nicht zur Zielgruppe dieser quietschbunten Teenager/Superhelden-Geschichte gehöre. Auch die Tatsache, dass der Film nicht unbedingt eine reibungslose Produktionsgeschichte hat, sorgte dafür, dass ich mir die Kinokarte sparte, die eher mauen Kritiken bestätigten meine Entscheidung.
Nun habe ich THE MARVELS auf dem heimischen Bildschirm nachgeholt und muss zugeben, dass ich die negativen Kritiken und das mäßige Einspielergebnis nachvollziehen kann. Bei der Fülle an Superheldenfilmen im vergangenen Jahr, zu der neben dem hier vorliegenden Werk auch ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA (2023), THE FLASH (2023), GUARDIANS OF THE GALAXY VOL.3 (2023), BLUE BEETLE (2023), SPIDER-MAN: ACROSS THE SPIDER-VERSE (2023), SHAZAM 2: FURY OF THE GODS (2023) und AQUAMAN AND THE LOST KINGDOM (2023) zählen, hatte das Effekt-Spektakel einfach zu wenig Anziehungskraft, was auf eine eher schwache Marketing-Kampagne, sowie auch auf den erfolgreichen aber unter Fans doch eher weniger beliebten Vorgänger CAPTAIN MARVEL (2019) zurückzuführen ist. Auch rächt sich hier nun die Überproduktion Marvels, denn wer WANDAVISION und MS. MARVEL nicht gesehen hat, wird hier kaum durchsteigen und weder die Figuren noch deren Motivationen einordnen können. Selbst meine Wenigkeit musste nochmal googeln, hatte ich die Origin-Storys von „Kamala Khan“ und „Monica Rambeau“ doch schon längst wieder vergessen.
Das ist aber nicht das einzige Problem des Films. Das wahrscheinlich größte Ärgernis ist die absolut abgedroschene Geschichte, die dem Zuschauer aufgetischt wird. Natürlich gibt es wieder einen bösen Bösewicht, der aufgrund von Captain Marvels Aktionen im Vorgänger richtig wütend ist und nun mit Quantenbändern Schabernack betreibt, weshalb irgendwann wieder das ganze Universum in Gefahr ist. Das Drehbuch wurde mal wieder aus den üblichen Versatzstücken zusammengesetzt, die wirklich niemanden mehr vom Hocker reißen. Dazu kommt noch, dass das Skript nie den richtigen Ton finden will und ständig zwischen ernstem Weltraumabenteuer und buntem Superhelden-Comedy-Quatsch chargiert.
Das Alles sind Punkte, die THE MARVELS zu den weniger attraktiven Beiträgen des Comic-Universums werden lassen und dennoch würde ich nicht so weit gehen, das Ganze als Katastrophe zu bezeichnen, hatte ich trotz der offensichtlichen Schwächen doch einigermaßen Spaß damit. Die Geschichte mag vielleicht austauschbar und alles andere als originell sein, punktet aber immerhin mit reichlich Kurzweil und damit, dass sie auch für sich alleine ganz gut funktioniert und nicht nur eine Zwischenepisode für den nächsten Avengers-Bombast darstellt. Es ist eine dieser netten „Superheldenabenteuer der Woche“-Storys, die zwar nichts Neues erzählen aber mit denen man, sofern man sich daraus einlässt, Spaß haben kann. Auch die Überlänge von zwei Stunden oder mehr spart sich der Film, hat er doch den Anstand, den Zuschauer nach knapp 100 Minuten in den Abspann zu entlassen.
Das wirklich größte Plus ist aber die Chemie des Damentrios. Brie Larson, Teyonah Parris und Iman Vellani geben eine prächtige Formation ab. Selbst Larson, die bei ihrem ersten Auftritt in der Rolle noch eher unnahbar wirkte, zeigt sich hier wesentlich lockerer und spielfreudiger, ihre Beziehung zu „Monica Rambeau“ gibt der Geschichte noch eine nette emotionale Komponente und Vellani sorgt als glühender Captain-Marvel-Fan für reichlich Witz und Charme. Tatsächlich überzeugt der Streifen in erster Linie mit seiner gelungenen Screwball-Comedy, eingebettet in ein flottes, buntes Weltraumabenteuer. Dass hier Nia DaCosta, die zuvor den wirklich fantastischen Horrorfilm CANDYMAN (2021) inszenierte, auf dem Regiestuhl saß merkt man zwar nicht aber wenn man als Regisseur oder Regisseurin angeheuert wird, ist man sowieso nicht viel mehr als ein Erfüllungsgehilfe, der nur selten eine eigene Handschrift einbringen darf. THE MARVELS sieht in seiner grenzenlosen Künstlichkeit und seiner quietschigen Ästhetik aus wie jeder andere Marvel-Film auch, wobei es hier weit weniger negativ ins Gewicht fällt als bei ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA.
Disney veröffentlichte den Film sowohl auf seinem hauseigenen Streamingdienst als auch über Leonine als 4K Ultra-HD im Steelbook, sowie als Blu-ray und DVD. Bild- und Tonqualität der Blu-ray sind wie zu erwarten sehr gut, in den Extras finden sich Featurettes, Outtakes, zusätzliche Szenen und ein Audiokommentar.
Fazit:
THE MARVELS (2023) gehört zu den wenigen Filmen der Franchise, die keine schwarzen Zahlen schreiben konnten und tatsächlich versteht man angesichts der eingetretenen Superhelden-Müdigkeit auch warum. Das Weltraumabenteuer erzählt nichts Neues, sondern ist einfach „more of the Same“, das wenn überhaupt nur Fans abholt, die auch jede MCU-Serie mitnehmen. Wer sich allerdings darauf einlassen kann, bekommt ein zumindest kurzweiliges, charmantes und von einem gut harmonierenden Darstellerinnen-Trio getragenes Superheldenfilmchen serviert.
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