Was schreibt man zu einem Film, den jeder kennt? The Killer ist eine Legende des Hongkong Kinos, ein internationaler Wegbereiter des asiatischen Actionfilms jenseits von Jackie Chan. Wer Pech hatte, konnte einst nur auf die stark geschnittene VHS-Variante namens Blast Killer zurückgreifen, wer Glück hatte, bekam den Kram uncut vom Original kopiert und durfte so das Knarren-Ballett in voller Pracht bewundern. Ich weiß noch, wie wir vor der Glotze hingen und den Film feierten. Jahrelang unter der Knute der FSK aufgewachsen, eröffnete sich uns in den frühen 1990ern der Zugriff auf hunderte von Hongkong Filmen, die im Keller eines Händlers auf uns warteten und komplett in unser Regal umkopiert wurden. Der Händler begrüßte unsere Kopierwut, denn er hatte die Filme nur zum Verkauf im Keller, nicht zum Verleih. Also machte er für uns eine Ausnahme und konnte so doppelt verdienen. The Killer ist also auch eine schöne Erinnerung an damalige Tage mit Stapeln von VHS-Kassetten, Kopierschutzdekodern und (bei einigen Tapes) die NTSC/PAL-Wandlungen. So komme ich dann zur Frage, ob man den Film auch heute noch so gut wie damals findet – oder ob er doch lieber wohlwollend in Erinnerung bleiben sollte. Ist The Killer wahrlich ein zeitloses Actionwerk, oder verklebt der Streifen heute an seinem theatralischen Zeitgeist der 1990er? CARGO RECORDS machte den Test möglich und brachte den Klassiker uncut und auf Blu-ray in Deutschland heraus.
Originaltitel: Dip huet seung hung
Regie: John Woo
Darsteller: Chow Yun-Fat, Danny Lee, Sally Yeh, Kenneth Tsang, Shin Fui-On, Ricky Wong, Parkman Wong, Alan Ng, Barry Wong
Artikel von Kai Kinnert
Jeffrey, ein international hoch bezahlter „Killer-for-money“, hat bei seinem letzten „Job“ aus Unachtsamkeit eine Sängerin schwer verletzt. Seine Ehre verlangt, dass der die Augenoperation bezahlt. Um das Geld aufzubringen, nimmt er von seinem Agenten einen hochdotierten schmutzigen Job an. Er soll das Oberhaupt eines Drogensyndikats hinrichten und einen blutigen Machtkampf unter den Überlebenden auslösen. In den Straßen von Hongkong ist, wie vorausberechnet, die Hölle los. Es herrscht offener Krieg. Als Jeffrey feststellt, dass ihn nicht nur die Unterwelt jagt, sondern auch ein „Regierungs-Killer“ auf seiner Spur ist, erkennt er, dass er in eine tödliche Falle gelockt wurde.
Wenn ich ehrlich bin, und wann bin ich das mal nicht, fand ich The Killer später nicht mehr so geil, wie zu Anfang. Nachdem ich ihn etliche Male mit Freunden gesehen hatte, zerfiel meine Liebe im Laufe der Zeit. Aufgesetzt theatralisch, hier und da zu schwul und dann noch diese Kindergarten-Elemente des Actionkinos, für die John Woo später auch bekannt wurde: Tauben, schwarze Motorradhelme, weiße Anzüge und der Sprung mit Knarren. Die Dialoge gingen mir dann auch zunehmend auf den Sack, da sie die Action ausbremsten und einfach zu theatralisch waren. Alain Delon, das große Vorbild von Chow Yun-Fats Rolle, hätte so einen Mist niemals gesagt. Er hätte geschwiegen. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum John Woo zurzeit eine Hommage an The Killer dreht und kein Remake. Der eiskalte Engel von Jean-Pierre Melville ist das große Vorbild von The Killer, dem John Woo nun eine Verneigung in Paris dreht und sich dabei dichter an Melvilles Original orientiert. Ein Schock für die Fans, denn die Hauptrolle spielt Nathalie Emmanuel und nicht Omar Sy, von dem man erst dachte, er hätte den Part von Chow Yun-Fat übernommen. John Woo dreht eben eine Hommage an Melville und kein Remake von The Killer. Der Meister möchte seinen Film lieber neu interpretieren, als ihn für die Jugend in zeitgemäße Sehgewohnheit zu quetschen. Gut so, denn man gönnt John Woo, dass ihm endlich sein verdientes Alterswerk meisterlich gelingt.
Doch wie ist es mit The Killer heute? Die Dialoge sind auch heute noch von eher klebriger Natur, der Rest jedoch ist in Würde gealtert. Wie sorgfältig und aufwändig wurde dieser Film gemacht! Peter Pau führte hier über weite Strecken die Kamera und sorgte mit seiner sorgfältigen Arbeit für die großen Bilder des asiatischen Actionkinos. Hongkong pulsiert im Neonglanz und Chow Yun-Fat mutiert endgültig zur Ikone internationalen Formats. Schnittfolgen, Brennweiten und Einstellungswechsel sind sorgfältig inszeniert, hier wurde mit Aufwand produziert und nichts dem schlampigen Zufall überlassen. Dabei ist der Shoot-Out in der Kirche noch nicht einmal die beste Szene, heute eher sogar die anstrengendste. Natürlich wird da gut geballert, aber der Anfang im Nachtclub, die Drachenbootszene und das erste Finale in der Villa sind einfach geile Nummern, die die fachliche Kompetenz John Woos auch heute noch bestens unterstreichen.
The Killer beweist auch heute noch, dass der Film zurecht zu den großen Actionklassikern der Filmgeschichte gehört. Der Streifen inspirierte Filmemacher weltweit und etablierte eine Actionsprache, die heute nicht mehr aus dem Actionkino wegzudenken ist. Mit viel Wumms, viel Theatralik und ganz ganz viel Munition überzeugt The Killer auch heute noch und kann seinen Platz im Olymp des knallharten Kinos bestätigen. Mir gefiel der Film jetzt sogar noch besser als damals. Ich glaube, die Liebe ist zurückgekehrt.
Das Bild der Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ebenso. Als Extras gibt es die Taiwan-Fassung, zwei deutsche Synchronisationen, Alternative Deleted Scenes und Trailer.
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