Hach, was war das für eine schöne Zeit. Ich wurde gerade erst eingeschult, als in Lübeck die erste Videothek eröffnete und meine Eltern sich einen Videorekorder und einen Clubausweis gönnten. Für mich der Beginn einer großen Liebe und so habe ich die gesamte Ära der Videotheken miterlebt, von dubiosen Paketpreisen zur Anfangszeit (3 Filme für 5 Tage = 75 DM) über die Discounterläden Telerent und Deutscher Videoring bis hin zur Schließung sämtlicher Videotheken vor Ort. Aus dem Hause WUZI kam jetzt ein Gesamtwerk über diese Ära, vollgepackt mit Insiderwissen, Interviews und der spannenden Geschichte einer Generation, die nach Feierabend stets einen Abstecher zum Videofilmverleihers ihres Vertrauens machte. Ein toller Abgesang auf eine goldene Ära, die das Kino erstmals in die heimischen Wände brachte. Eine Kritik, inklusive des Vorstellungsvideos von Playzocker Reviews, welches nicht zurückgespult eine Mark extra kostet.
Autoren: Jörg Bauer und Florian Wurfbaum in Zusammenarbeit mit Kevin Zindler
400 Seiten – farbig inkl. Poster
Artikel von Christian Jürs
Bevor ich Euch gleich weiter heiß mache mit dem, was Jetzt auf Video zu bieten hat, zunächst eine schlechte Nachricht. Das Buch ist bereits ausverkauft. Es war sogar schon ausverkauft, bevor ich mein Musterexemplar für diese Rezension erhalten habe. Das lässt aber die Vermutung keimen, dass der Verlag hier nochmal nachlegen wird, denn wer würde sich so ein gutes Geschäft durch die Lappen gehen lassen? Nagelt mich aber bitte auf diese Aussage nicht fest, es ist nur ein Blick in die eigene Glaskugel. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Trotzdem möchte ich Euch Jetzt auf Video hier ausführlich vorstellen.
Das erste Kapitel startet noch nicht mal in den Kinderschuhen des Heimkinoentertainments, sondern in den Babypuschen: mit Super 8-Filmrollen, die Filme eher ausschnittweise in stark komprimierter Form wiedergaben. Wie alle Artikel in Jetzt auf Video, natürlich reich bebildert (u.a. mit den Verpackungen zu Krieg der Sterne oder Der Pate). Nahtlos weiter geht es mit den ersten Videorekordern (Toplader!) und den ersten Filmen, die für diese Formate (VHS, Beta und Video 2000) erhältlich waren.
Danach folgt der erste Teil von Jörg Bauers romantischem Rückblick auf seine Erfahrungen mit der aufkeimenden Video Ära (1978 – 1985). Sehr persönlich, mit vielen Fotos versehen und ebenso ausführlich geschrieben. In Kapitel 3 von Florian Wurfbaum geht es dann um den Krieg der Formate, also Video 2000, Beta und VHS. Wer den Kampf gewonnen hat, ist bekannt. Warum? Wegen der Pornos natürlich, die lediglich beim Gewinnerformat beheimatet waren. Sex sells halt.
Es folgt ein Interview mit Videothekar Bernd Loibl, der 41 Jahre lang in diesem Bereich arbeitete und alle Höhen und Tiefen hautnah miterlebte. Danach werden die frühen Label, wie VPS, VMP, Marketing Film und ITT Contrast Video ausgiebig vorgestellt. Als logische Konsequenz folgen die frühen Majors Warner Home Video, CBS/Fox und RCA Columbia im Folgeartikel.
Kapitel 7 behandelt dann das Genre, welches für viele Leihkunden am Tresen immer unangenehm war und meist mit einem- oder zwei Alibifilmen zusammen gemietet wurde. Der Pornofilm, der für fast alle Videothekare den Großteil der Einnahmen ausmachte. Stets verborgen in einem separaten Raum, in dem man sich ungestört die heimische Wichsvorlage aussuchen konnte. Doch nicht nur der Hardcore-, sondern auch der Softcorefilm wird hier thematisiert, also der saubere Schmutz.
Als Filmfan hatte man damals auch entsprechende Magazine im Haushalt, die über die kommenden Neuerscheinungen informierten. Ob Video Plus, Video Play oder, oder, oder… sie werden alle in Kapitel 8 vorgestellt. Dann heißt es Video contra Langeweile, oder auch VCL Communications, ein deutsches Label, welches sich im Laufe der Jahre ganz nach oben schlug und immerhin Filme wie Terminator 1 & 2, Universal Soldier, Der mit dem Wolf tanzt oder Tanz der Teufel 1 & 2 vertrieb. Jörg Bauer sprach mit VCL-Geschäftsführer Datty Ruth – ein sehr interessantes und ausführliches Interview.
Liebe Videofreunde, bevor Sie den Artikel Ihrer Wahl weiterlesen, bitten wir Sie einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit. Denn wenn es um den deutschen Videomarkt geht, dann darf das Thema Zensur natürlich nicht fehlen. Kollege Christoph N. Kellerbach spendierte hier einen Gastbeitrag, in dem er die Geschichte von Mamas, Papas, Zombies, Indizierungen, Schnittauflagen, Altersfreigaben und Beschlagnahmungen einmal unter die Lupe nahm.
Weitere Erinnerungen von damals hat Opa Wurfbaum parat, wenn er von der Videothek seiner Kindheit und Jugend erzählt, die er damals aber nicht betreten durfte, da Kinder draußen im Dunklen vor der Tür warten mussten, während Mami und Papi sich ihren „Dänischen Kriegsfilm“ für den Abend aussuchten. Kinder allein auf der Straße zu lassen galt halt als Jugendschutz (und machte es den Triebtätern leichter).
In Kapitel 12 dann werden TV-Serien thematisiert, die als 90-Minüter auf Video als Film vermarktet wurden. So konnte man u.a. Miami Vice (in anderer Synchronfassung) in der Videothek bereits vor der TV-Ausstrahlung ausleihen. Danach erzählt Jörg Bauer im zweiten Teil seiner persönlichen Videoerfahrungs-Reihe von den Jahren 1986 bis 1990, gefolgt von Videopremieren und dem Erfolg der B-Actionstars im Heimkino.
In den Folgekapiteln werden die reißerischen, gemalten Videoplakate thematisiert (und reichlich abgebildet), verschiedene Videothekenformen und Blicke hinter die Kulissen gewährt, cmv-laservision-Mann Andreas Strassmann schildert von seiner Sturm- und Drangzeit als Filmsammler. Teil 3 von Jörg Bauers Rückblick beschreibt dann den Wandel der Formate, also die kurzlebige Laser Disc oder die bis heute beliebte DVD. Danach wird´s dann traurig, wenn Kevin Zindler den Niedergang der Videotheken einläutet. Es folgen noch ein Interview mit Filmemacher Dennis Gansel, ein sehr spannender, ausführlicher Bericht über Synchronstudiochef Uwe Schier und seinen Vater Heinz Gerhard Schier. Zum Abschluss gibt es dann noch Direct-to-Video-Geheimtipps und Tonnen an seltenen Werbematerialien und Filmcoverabbildungen, die Nostalgiker ins Schwärmen geraten lassen.
Bislang wusste ich stets Gutes zu berichten über die Bücher aus dem Hause Wuzi. Leider kann ich das diesmal nicht, denn Jetzt auf Video ist nicht gut… es ist schlichtweg perfekt! Es ist lange her, dass ich ein Buch dermaßen verschlungen habe, da es für meine Generation (X) quasi den Großteil unseres Freizeitlebens widerspiegelt. Toll geschrieben, noch geiler bebildert und das gezeichnete Covergirl, welches auch als Poster beiliegt, hätte ich mit Sicherheit täglich besucht. Wohl denen, die ein Exemplar im Regal haben.
Von wegen „Das Beste kommt zum Schluss“ – Hier kommt Zocki:
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