Muskelbepackte, eingeölte Männerkörper, die sich mit im Ring mit einstudierten Moves auf die Omme geben und das unter dem Titel THE IRON CLAW (2023). Dahinter könnte sich auch glatt ein schnell und günstig runtergekurbelter Kampfsport-Klopper aus den frühen 1990er Jahren verbergen, wenn nicht das renommierte Indie-Studio A24 für die Produktion verantwortlich gewesen wäre. Statt deftiger Prügelaction widmet sich das Drama vor allem dem tragischen Werdegang einer Wrestling-Dynastie, Brüderliebe und dysfunktionalem Elternhaus. Leonine veröffentlichen den von Kritikern gelobten Film mit Ex-Teenieschwarm Zac Efron in der Hauptrolle nun im Heimkino. Unsere Kritik könnt ihr im Artikel nachlesen.

Originaltitel: The Iron Claw

Drehbuch & Regie: Sean Durkin

Darsteller: Zac Efron, Jeremy Allen White, Harris Dickinson, Lily James, Holt McCallany, Stanley Simons, Maura Tierney…

Artikel von Christopher Feldmann

Wrestling. Ein Sport, der im Grunde nur aus Show besteht und in dem sich meist skurril kostümierte und als publikumswirksame Kunstfiguren auftretende Muskelpakete gegenseitig auf die Bretter schicken, in der Regel durch penibel einstudierte Bewegungsabläufe und elaborierte Signature-Moves. Ich hatte nie viel übrig für Wrestling, in meiner Wahrnehmung handelte es sich dabei immer und eine Art Karnevalsveranstaltung für alldiejenigen, denen ernstzunehmende Kampfsportveranstaltungen zu geerdet erscheinen. Natürlich hat diese Sportart ihre Daseinsberechtigung und tatsächlich auch einen skurrilen Reiz, nicht zuletzt dank der Stars, die dadurch hervorgebracht wurden, allen voran natürlich Dwayne „The Rock“ Johnson und John Cena, um nur zwei zu nennen, die mittlerweile Hollywood-Schwergewichte sind. Und trotzdem ging das bunte Treiben im Ring immer an mir vorbei, wahrscheinlich weil ich es als zu panne empfand, um mich ernsthaft damit auseinander zu setzen. Ergo bin ich vielleicht nicht die geeignetste Person, um einen Film wie THE IRON CLAW (2023) zu besprechen, der in jenem Milieu angesiedelt ist. Wer allerdings mit den Produktionen aus dem Hause A24 vertraut ist, kann sich vermutlich schon ausmalen, dass es bei dem Film im Kern gar nicht um den Sport, sondern vielmehr um die Geschichte der Figuren geht und ihre Beziehungen zueinander. Diese Tatsache und die obskure Transformation Zac Efrons zum Muskelberg, der hier wie der Schwippschwager von He-Man aussieht, rangen mir dann doch ein gesteigertes Interesse ab. Und tatsächlich enttäuscht Sean Durkins dritter Spielfilm nicht, zumindest wenn man Dramen schätzt.

Handlung:

Jack Barton Adkisson alias Fritz Von Erich (Holt McCallany) hat einen Traum: Mit seinen Söhnen Kerry (Jeremy Allen White), Kevin (Zac Efron), Mike (Stanley Simmons) und David (Harris Dickinson) zusammen in den Ring zu steigen. Schon in frühen Jahren fängt er deshalb an, seine Kinder auf eine Wrestlingkarriere vorzubereiten. Über die Jahre wird aus den Von-Erichs eine erfolgreiche Wrestling-Dynastie, doch die Familie ist gebeutelt von Schicksalsschlägen.

Egal ob man vom Wrestling-Sport begeistert ist oder ihn als alberne Clownsshow abtut, faszinierend sind vor allem die Persönlichkeiten, die er hervorbringt. Dabei geht es mitunter nicht immer um besondere Athletik, sondern auch um Publikumswirksamkeit und die Kreation einer Kunstfigur, sprich einer Marke. Zwar reichte es bei der hier portraitierten Von-Erich-Familie nie für den ganz großen Weltruhm, doch THE IRON CLAW (2023) kommt dem insofern nach, als dass er die wilde aber auch furchtbar tragische Geschichte auf die Leinwand brachte.

Im Zentrum des Ganzen steht Profiwrestler Jack Adkisson, der unter dem Namen „Fritz Von Erich“ bekannt wurde, es aber nie an die Spitze schaffte. Dieses Versäumnis versucht der zielstrebige Vater nun durch seine Söhne wett zu machen, die mit harter Hand zu Kämpfern erzogen werden. Zu Beginn steht noch „Kevin“ in der Gunst seines Erzeugers, der gerade erst den texanischen Meistertitel holen konnte, doch auch Bruder David macht seine ersten Schritte im Wrestling und auch Kerry, der aufgrund der politischen Lage nicht als Diskuswerfer bei den olympischen Sommerspielen in Moskau antreten darf, wagt den Einstieg ins Sportgeschäft seines Vaters. Und wenn dieser schon beim familieninternen Frühstück verkündet, wie die aktuelle Rangfolge der Söhne auf seiner persönlichen Beliebtheitsskala lautet, weiß man schon ungefähr wie viel Uhr es geschlagen hat, zumal Fritz unmissverständlich klar macht, dass sich diese beliebig ändern kann. Es ist genau dieser toxische Umgang des Vaters mit seinen Kindern, der den Ursprung für mehrere schwerwiegende Familientragödien bildet und schließlich auch zu Machtkämpfen führt, wird doch schnell klar, dass Kerry athletischer und David charismatischer ist, was Kevin dazu bringt, mehr Muskelmasse draufzupacken. Es geht um das ständige Buhlen um Zuneigung und Anerkennung, um dysfunktionale Familienverhältnisse und auch um die Sehnsucht nach Liebe.

Dass das Alles zu keinem sonderlich guten Ende führt, macht der Film schnell klar, stimmt schon der in Schwarz-Weiß gefilmte Prolog und der darin angesprochene „Fluch“, der auf der Von-Erich-Familie lasten soll, darauf ein, dass die Geschichte einen sehr tragischen Verlauf nimmt. Von den Brüdern ist heute nur noch Kevin am Leben und während der älteste Bruder bereits im Kindesalter das Zeitliche segnete, starben die verbliebenen vor allem durch Drogenmissbrauch und Depressionen verursachte Suizide, die auf die familiären Probleme zurückzuführen sind. So verspottet der Patriarch direkt den jüngsten Sprössling, weil dieser lieber in der Garage musiziert als Gewichte zu stemmen. Letztendlich sind Alle Opfer eines Vaters, der in seinen Kindern nur ein Mittel zum Zweck sah, um späte Genugtuung zu erfahren.

Dem Ganzen die Krone setzt an eigentlich nur noch die Mutter der Familie, perfekt verkörpert von Maura Tierney, auf, die als sehr religiöse Frau ihren Kindern so gut wie gar keine Zuneigung entgegenbringt. Will eines sie mit seinen Problemen behelligen, verweist sie es an die Brüder, denn dafür hat man diese ja. Auch sonst finden sich keine Berührungspunkte zwischen ihr und den Söhnen, weder emotional noch körperlich. Was man dem Spiel von Tierney anerkennen muss, ist die Tatsache, dass ihre Figur immer anwesend aber nie wirklich „da“ ist, eine perfekte Leistung. Auch sonst sind alle Darsteller schauspielerisch hervorragend, sogar Zac Efron, der dank HIGH SCHOOL MUSICAL (2006) und Fortsetzungen lange in der Teenieschwarm-Ecke gefangen war, sich aber in den vergangenen Jahren erfolgreich „freispielen“ konnte und nun auch interessante Filme macht…oder auch mal Gurken wie zuletzt RICKY STANICKY (2024). Mit gestähltem Körper bildet Efron den emotionalen Kern der Geschichte, der reichlich Schicksalsschläge verkraften muss aber schließlich in der von Lily James verkörperten Pam die Liebe seines Lebens findet. James ist wie immer hinreißend und sorgt für viele warme Momente, die ans Herz gehen. Generell stechen bei all der Tragik vor allem die herzlichen Szenen hervor wie zum Beispiel jene, in denen die Brüder für einander da sind, was oft in längeren Einstellung gezeigt wird, in denen die Kamera den Moment auch einfach mal wirken lässt.

Regisseur und Autor Sean Durkin, der in jungen Jahren selbst Wrestling-Fan war, zeigt trotz des Dramas auch viel Liebe für den Sport, beleuchtet die harte Vorbereitung und vermittelt, dass Wrestling mehr ist als nur eine Clownsparade. Dennoch lässt der Film den Zuschauer etwas zwischen den Stühlen stehen, denn es wird somit nie richtig klar, ob Kritik geübt oder das Ganze gefeiert wird. Der Schwerpunkt liegt klar auf den Beziehungen der Charaktere, der Sport selbst wird nie richtig kommentiert, obwohl er maßgeblichen Einfluss auf das Schicksal der Familie hatte. Schwierig ist zudem die Tatsache, dass ein weiterer Sohn (Chris) komplett aus der Geschichte gestrichen wurde, um nicht zu sehr auszuufern. Auch er beging Selbstmord. Mit knapp 140 Minuten ist THE IRON CLAW auch wenig lang geraten, zumal manche Szenen doch eher etwas plakativ geraten sind. Das sind aber nur leichte Abzüge in der B-Note eines ansonsten wirklich sehenswerten Films.

Leonine veröffentlichen THE IRON CLAW nach bereits erfolgter, digitaler Auswertung nun auch auf Scheibe, sowohl als Blu-ray und DVD, wie auch als 4K-Version im Mediabook. Uns lag zur Sichtung die DVD vor, deren Bild- und Tonqualität dem Medium entsprechend solide ist. Als Bonus gibt es zwei Featurettes und den Kinotrailer, das Mediabook enthält ein obligatorisches Booklet.

Fazit:

THE IRON CLAW (2023) huldigt nicht unbedingt dem Wrestling-Sport, macht sich aber auch nicht über ihn lustig. Stattdessen handelt es sich bei Sean Durkins Film um ein auf einer wahren Geschichte basierendes Charakterdrama, in dessen Fokus ein toxisches Familienumfeld steht. Für Fans realer Tragödien definitiv ein Must-See, vor allem wenn man dem Output von A24 ohnehin zugeneigt ist.

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