Die Superheldenmüdigkeit zeigt erste Auswirkungen. Doch während der immer noch gut aufgestellte Comicfilm-Magnat Marvel Studios seinen Output an Filmen und Serien in Zukunft drastisch reduzieren wird, kriselt es bei der Konkurrenz gewaltig. Sony Pictures, die seit Jahren auf der SPIDER-MAN-Linzenz sitzen und daraus ihr SSU („Sony’s Spider-Man-Universe“) zimmerten mussten nach dem enttäuschenden MORBIUS (2022) den nächsten Kritiker- und Kassenflop verkraften. MADAME WEB (2024) wurde sogar attestiert, die schlechteste Comicverfilmung seit dem Halle-Berry-Debakel CATWOMEN (2004) zu sein. Sony Pictures Home Entertainment veröffentlicht das viel gescholtene Spinnen-Spin-Off demnächst auf Scheibe und ob sich eine Sichtung zumindest unter dem Deckmantel des Katastrophentourismus lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Madame Web

Drehbuch: Matt Sazama, Burk Sharpless, Claire Parker, S.J. Clarkson

Regie: S.J. Clarkson

Darsteller: Dakota Johnson, Sydney Sweeney, Isabela Merced, Celeste O’Connor, Tahar Rahim, Adam Scott, Emma Roberts, Mike Epps…

Artikel von Christopher Feldmann

Den Unterschied zwischen den Filmen und Serien des Marvel Cinematic Universe und den Comicverfilmungen aus dem Hause Sony Pictures zu erläutern, sorgt immer wieder für Fragezeichen in den Augen mancher Unwissenden. Vor vielen Jahren veräußerte Comic-Riese Marvel aus monetären Gründen Lizenzen an Studios, um Filme basierend auf ihren Comics zu produzieren. Während beispielsweise die X-MEN an 20th Century Studios (seiner Zeit noch Fox) verkauft wurden, schnappte sich Sony die Rechte an SPIDER-MAN und Allem, was dazugehört. Das brachte uns immerhin die heißgeliebte Trilogie mit Tobey Maguire, als auch das Reboot-Doppel mit Andrew Garfield. Nachdem Marvel Studios gegründet wurde und über die Jahre ihre Lizenzen wieder zurückgewannen, blieb Sony hartnäckig auf dem Spinnenmann sitzen, lediglich eine besondere und streng geregelte Vereinbarung erlaubte es, die beliebte Figur in das bestehende MCU zu integrieren. Auf Basis dessen versuchte nun Sony noch ein wenig mehr Kapital aus der Sache zu schlagen, in dem sie ein eigenes, zusammenhängendes Filmuniversum etablierten, das sich vollständig auf den SPIDER-MAN-Kanon fokussiert. So entstanden VENOM (2018) und dessen Fortsetzung VENOM: LET THERE BE CARNAGE (2021), als auch MORBIUS (2022). Während die beiden Filme um den außerirdischen Symbionten noch respektable Hits am Box-Office waren, soff der uninspirierte Vampirtrash mit Jared Leto gnadenlos ab. In dieselbe Kerbe schlägt nun auch MADAME WEB (2024), der einer Nebenfigur aus der Spinnen-Reihe nun einen überflüssigen Kinoauftritt spendiert hat. Dass nach dem ersten Trailer kein allzu großer Wurf zu erwarten war, dürfte den Meisten klar gewesen sein, in welchen Dimensionen sich das Ganze aber bewegt, wird wohl auch den eingefleischtesten Comicfilm-Fan überrascht haben.

Handlung:

Cassandra Webb (Dakota Johnson) ist eine ganz normale Rettungssanitäterin in Manhattan, bis sie entdeckt, dass sie möglicherweise über hellseherische Fähigkeiten verfügt – was ihre lebensrettenden Fähigkeiten auf eine harte Probe stellt. Als sie plötzlich mit Enthüllungen über ihre Vergangenheit konfrontiert wird, knüpft sie eine Beziehung zu drei jungen Frauen, die für eine mächtige Zukunft bestimmt sind…wenn sie alle eine tödliche Gegenwart überleben.

Die bisherigen Filme des SSU hinterließen ungeachtet ihrer Qualität stets einen faden Beigeschmack, wirkten diese doch nie wie Bestandteile eines großen Ganzen oder gar Versuche, etwas Neues zu etablieren. Es ist sicher keine lose Behauptung, dass es Sony Pictures lediglich um den finanziellen Ertrag mit einer etablierten Marke geht, weswegen nun jeder noch so unbedeutende Charakter aus dem SPIDER-MAN-Kanon auf die Leinwand geprügelt wird. War schon MORBIUS ein herbes Fiasko, setzt nun MADAME WEB dem Ganzen die Krone auf.

In den Comics wie auch in den Zeichentrickadaptionen handelt es sich bei „Madame Web“ lediglich um eine ältere Dame, die mit ihrem Blick in die Zukunft für den Haupthelden unterstützend agiert und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich irgendjemand sehnlichst eine Live-Action-Version der blinden Oma gewünscht hat. Aber weil die klassische Version dieser Figur etwas arg lame für ein Kinoerlebnis gewesen wäre, baut man sich hier eine quarkige Origin-Story zusammen. „Cassandra Webb“ ist Rettungssanitäterin, die eines Tages entdeckt, dass sie in die Zukunft blicken und somit diverse Ereignisse durch präventives Handeln beeinflussen kann. Natürlich taucht irgendwann ein obligatorischer Bösewicht auf, der nun mehrere Spider-Women jagt, weil diese ihn auch irgendwann töten werden/sollen/whatever what. Also macht die olle „Cassie“ schwuppdiwupp die drei besagten Mädels ausfindig und hilft ihnen im Kampf gegen den Antagonisten. Ja, der Plot des Films hinterlässt einige Fragezeichen und wenn man sich die einschlägigen Rezensionen durchliest, scheine ich nicht der einzige zu sein, der ratlos zurückgelassen wurde.

Das liegt in erster Linie daran, dass das Skript völlig willkürlich zusammengeschustert wirkt und Plotholes enthält, durch die problemlos ein Schwerlasttransport fahren könnte. Nicht nur, dass Szenen in denen „Cassie“ beispielsweise eine Babyshower-Party besucht, nichts zur Handlung beiträgt, auch ihr Ausflug in den südamerikanischen Dschungel, der schätzungsweise zehn Minuten in Anspruch nimmt, wirkt ungelenk in ins Drehbuch gepresst. Dazu kommt noch, dass der Bösewicht des Films keinerlei Background-Story hat. Wer er ist, was er repräsentiert, woher sein finanzieller Reichtum rührt und was eigentlich seine Ziele sind, spart der Film komplett aus. Darüber hinaus verfügt er über eine nicht näher erklärte Technologie, mit deren Hilfe er Visionen verbildlichen kann. Immerhin kennt er die Gesichter der Mädels nur aus seinen Blicken in die Zukunft, wie zum Teufel er diese auf den Monitor seines Rechners bekommt, damit er diese ausfindig machen kann, bleibt unbeantwortet.

Würde MADAME WEB wenigstens Tempo vorlegen, könnte man solche Kritikpunkte ein wenig gelassen sehen aber der Film ist sterbenslangweilig und bis es überhaupt mal vorwärts geht, ist eine Stunde bereits vergangen. Endlos wird die Erkundung von Cassies Kräften ausgewalzt, indem der Zuschauer immer und immer wieder denselben Ablauf vorgesetzt bekommt. Spannung ist hier Fehlanzeige und spätestens nach einer halben Stunde erkannte ich bestürzt, dass ich noch rund 90 Minuten vor mir haben würde. Noch erschreckender war allerdings die Erkenntnis, dass es sich bei MADAME WEB wie schon bei MORBIUS um eine Mogelpackung handelt. Während der gähnend lahme und steril inszenierte Vampir-Actionfilm seiner Zeit Michael Keaton in seiner MCU-Rolle als Gegenspieler anteaserte (was schlichtweg als Scam entpuppte, tauchte dieser doch nur in der Post-Credit-Szene auf), macht der hier vorliegende Film Werbung mit den drei Verbündeten Cassies im Spider-Women-Dress, die dem Schurken ordentlich den Scheitel ziehen. Allerdings handelt es sich bei diesen Bildern lediglich um Ausschnitte aus den Zukunftsvisionen des Fieslings, in der eigentlichen Handlung tauchen diese in dieser Form überhaupt nicht auf. Mal wieder der Versuch, Zuschauer in einen Film zu locken, für den sich sonst niemand wirklich interessieren würde.

Inhaltlich ist MADAME WEB im Jahr 2003 angesiedelt und genau so sieht er auch aus. Die Inszenierung, die Güte der Effekte, die furchtbaren Dialoge und die zahlreichen inhaltlichen Ungereimtheiten wecken Erinnerungen an Rohrkrepierer wie FANTASTIC FOUR (2005), DAREDEVIL (2003), ELEKTRA (2005) und den Eingangs erwähnten CATWOMEN (2004). Gerade Letzteren kann man zwar auch keineswegs verteidigen, im Vergleich zu diesem muffigen Versuch einer neuen Helden-Genese unterhält das Debakel mit Halle Berry allerdings, auch wenn aus den falschen Gründen. MADAME WEB hingegen ist einfach nur ärgerlich, inhaltsarm und schrecklich öde, weshalb sich das Ganze nicht mal für Freunde gescheiterter Filme empfiehlt. Regisseur S.J. Clarkson, der auch einer der 4(!) Autoren ist, bringt die Geschichte nie in Schwung oder gar Dynamik in die schwache Action. Dazu spielt Dakota Johnson, die eigentlich schauspielern kann, wenn sie nicht gerade FIFTY SHADES OF GREY (2015) drehen muss, entsetzlich gelangweilt und fremdkörperartig die sozial etwas unterentwickelte Rettungssanitäterin. Ihre drei Leinwandpartnerinnen Celeste O’Connor, Isabela Merced und Sydney Sweeney bekommen lediglich miese Dialoge in den Mund gelegt, Letztere sieht mit Perücke und Schulmädchen-Outfit sogar aus, als käme sie gerade vom Set eines Pornofilms. Von Tahar Rahim als Villain will ich gar nicht erst anfangen. Natürlich knüpft der Film auch eine Verbindung zu SPIDER-MAN, der aber, soviel sei verraten, natürlich nicht in Erscheinung tritt. Stattdessen muss der Zuschauer dreistes Product-Placement über sich ergehen lassen, das so offensichtlich in den Film gepackt wurde, dass es körperliche schmerzen verursacht.

Sony Pictures Home Entertainment veröffentlichte die Bankrotterklärung eines Superheldenfilms bereits digital, demnächst folgt die Auswertung auf Scheibe. Neben der Blu-ray und DVD erscheint ein exklusives 4K-Steelbook. Uns lag zur Sichtung die Blu-ray vor, Bild und Ton sind einwandfrei, als Extras sind Deleted Scenes, Featurettes und ein Making-Of enthalten.

Fazit:

Eine weitere Bruchlandung für das SSU. MADAME WEB (2024) wirkt wie eine Comicverfilmung aus vergangenen Tagen. Schlechte Dialoge, mieses Schauspiel, furchtbare Effekte und ein Flickenteppich von Drehbuch zeichnen dieses Machwerk aus. Ein weiterer Beleg dafür, dass Sony Pictures es mit dem eigenen Universe besser bleiben lassen sollte, denn gegen DAS hier wirken selbst die schwächeren MCU-Filme wie oscarwürdiges Kino.

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