„Wanna Play?„ Während andere Slasher-Ikonen in der Produktionshölle Hollywoods ihr Dasein fristen, liefert eine seit nunmehr über 30 Jahren regelmäßig neuen Output. Die Rede ist natürlich von Serienkiller „Charles Lee Ray“, besser bekannt als „Chucky“, der es, seitdem er seine Seele 1988 in eine Good-Guy-Puppe transferiert hat, mittlerweile auf stolze sieben Filme bringt. Und trotzdem scheinen Franchise-Schöpfer Don Mancini die Ideen einfach nicht auszugehen, weswegen er die Killerpuppe 2021 in Serie schickte. Die schlicht als CHUCKY betitelte Show erfreut sich großer Beliebtheit brachte es bisher auf drei Staffeln und wird vermutlich um eine weitere verlängert. Turbine Medien sicherte sich die Rechte und legte nun die ersten beiden Seasons in schicken Mediabooks auf. Ob die blutigen und schwarzhumorigen Schandtaten des fiesen Rackers auch im TV-Format für Spaß sorgen, verraten wir euch in unserer Kritik.
Originaltitel: Chucky
Episoden: 8
Showrunner: Don Mancini
Drehbuch: Don Mancini, Rachel Paradis, Kim Merced Garland, Nick Zigler…
Rege: Don Mancini, Samir Rehem, Jeff Renfroe, Leslie Libman, Dermott Downs
Darsteller: Zackary Arthur, Bjorgvin Arnarson, Alyvia Alyn Lind, Brad Dourif, Devon Sawa, Jennifer Tilly, Fiona Dourif, Carina Battrick, Alex Vincent…
Artikel von Christopher Feldmann
Im Jahr 1988 hatte der Slasherfilm seinen Zenit eigentlich schon weitestgehend überschritten und dennoch landete ein neuer Leinwandkiller einen unerwarteten Achtungserfolg. Die Prämisse um einen Serienmörder, der seine Seele kurz vor dem Ableben in eine Spielzeugpuppe für Kinder transferiert und nun als knuffig aussehender Racker sein Unwesen treibt, klang zwar schon damals sehr überhöht, dennoch war CHUCKY – DIE MÖRDERPUPPE (1988) (im Original CHILD’S PLAY) ein Hit an den Kinokassen. Nachdem das produzierende Studio MGM die Rechte an Universal Pictures verkaufte, entsponn sich aus dem schwarzhumorigen Horrorfilm ein ganzes Franchise, das den kontinuierlich von Brad Dourif gespielten, bzw. gesprochenen, Antagonisten beschäftigen sollte. So folgten CHUCKY 2 – DIE MÖRDERPUPPE IST WIEDER DA (1990), CHUCKY 3 (1991), CHUCKY UND SEINE BRAUT (1998), CHUCKYS BABY (2004), CURSE OF CHUCKY (2013) und CULT OF CHUCKY (2017), allesamt geschrieben von Urheber Don Mancini, der auch die vier letzten Filme als Regisseur verantwortete und somit für Kontinuität sorgte. Diese wurde auch nicht gebrochen, als der Filmemacher verkündete, den Publikumsliebling für den Sender SyFy in Serie zu schicken. 2021 feierte die erste, aus acht Episoden bestehende, Season ihre Premiere und konnte Fans wie auch Skeptiker überzeugen, zumal das neue Format nicht nur den altehrwürdigen Killer zurückbrachte, sondern auch zahlreiche Figuren aus den vorherigen Filmen aber gleichzeitig auch neue, interessante Charaktere einführte. Zwar werden dadurch Zuschauer, die mit der CHUCKY-Reihe wenig am Hut haben, ihre Schwierigkeiten haben, für Fans sind die neuen blutigen Abenteuer der fluchenden Killerpuppe allerdings ein Riesenspaß.
Handlung:
In der verschlafenen Kleinstadt Hackensack, New Jersey kauft der Teenager und Außenseiter Jake (Zackary Arthur) auf einem Hausflohmarkt eine alte Good-Guy-Puppe mit dem Namen „Chucky“. Dass es sich bei dieser um jene Puppe handelt, die vom Geist des Serienkillers Charles Lee Ray (Brad Dourif) besessen ist, ahnt er jedoch nicht und schon bald geht „Chucky“ seiner Lieblingsbeschäftigung nach und sorgt für reihenweise blutige Todesfälle in der Umgebung. Im Kampf gegen den Killer bekommt Jake nicht nur Unterstützung von seinem Schwarm Devon (Björgvin Arnarson) und seiner früheren Mobberin Lexy (Alyvia Alyn Lind), sondern auch von Chuckys Erzfeind Andy Barclay (Alex Vincent). Aber auch Chuckys Flamme Tiffany (Jennifer Tilly) ist in der Stadt und bereitet gemeinsam mit ihrem Lover einen großen Masterplan vor.
Was mich an der CHUCKY-Reihe immer faszinierte, ist nicht nur das unterhaltsame Konzept, die Verquickung von Slasherfilm und schwarzer Komödie, sondern auch die Konsequenz, mit der Franchise-Vater Don Mancini sein Ding durchzieht. Anders als bei vergleichbaren Horrorreihen griff man im Fall der Killerpuppe nie auf die berüchtigte rückwirkende Kontinuität zurück, sprich man ignorierte keine vorherigen Handlungselemente oder bog sich den Status Quo zurecht, sondern bewegte sich stets im etablierten Kanon. Dachte man seiner Zeit, CURSE OF CHUCKY (2013) sei ein Reboot, belehrte Mancini die Zuschauer eines Besseren und enthüllte den Film auf den letzten Metern als Sequel zu den vorherigen Filmen, dessen Fortführung CULT OF CHUCKY (2017) die Mythologie sinnvoll erweiterte.
Als CHUCKY (seit 2021) angekündigt wurde, waren sich eigentlich viele Fans schnell einig, dass sie hier eine Art Neuauflage im Serienformat erwarten würde, eine Art Neuausrichtung der Grundidee, aufbereitet für ein neues Publikum. Allerdings funktionierte diese Herangehensweise schon beim offiziellen Remake des Originals, CHILD’S PLAY (2019) nur bedingt. Ein wenig wohlwollender, ob der Tatsache, dass Mancini ebenso beteiligt war wie auch Brad Dourif als vertraute Stimme des Antagonisten, stand man dem Serienprojekt dennoch gegenüber. Doch auch hier überraschten die Macher mit der Nachricht, dass die Serie zwar neue Figuren und einen neuen Schauplatz einführen würde, inhaltlich aber an CULT OF CHUCKY (2017) anknüpfen und somit sämtliche narrativen Fäden der Reihe aufgreifen und weiterspinnen würde, immerhin gesellten sich Franchise-Veteranen wie Jennifer Tilly und Alex Vincent zur Besetzung und auch Fiona Dourif, die in den beiden vorherigen Filmen die weibliche Hauptrolle inne hatte, ist mit von der Partie.
Da sind wir auch schon gleich beim ersten Kritikpunkt, denn für Neueinsteiger ist das Ganze weniger geeignet. Wer mit der Reihe keine Berührungspunkte hatte oder mit CHUCKY – DIE MÖRDERPUPPE (1988) und CHUCKY UND SEINE BRAUT (1998) nur die zwei prominentesten und erfolgreichsten Filme gesehen hat, wird hier irgendwann auf dem Schlauch stehen, immerhin scheut sich Mancini nicht, Rückgriffe auf Figuren, Handlungsstränge und Ereignisse aus der Vergangenheit anzuwenden. Lediglich CHUCKYS BABY (2004), der wohl diskutabelste Teil, wird, wie schon in den beiden Vorgängern, stiefmütterlich behandelt, findet aber Erwähnung. Mancini hat Vertrauen in sein Material und in die Fanbase und das spürt man in jeder der acht Episoden, die konsequent alte Tugenden und neue Elemente vermischen. Hackensack, New Jersey versprüht als Schauplatz ein heimeliges Flair, erinnert in der Art der Inszenierung stellenweise an Haddonfield, Illinois aus der HALLOWEEN-Reihe und eignet sich hervorragend als Spielplatz für die unterschiedlichen Parteien.
Laut Mancini handelt es sich bei der CHUCKY-Serie um eine „Coming of Rage“-Story, womit er sich in erster Linie von Highschool-Filmen und Teenagerdramen hat inspirieren lassen. Die Hauptfigur „Jake“ ist ein Außenseiter, der unter der strengen Hand seines daueralkoholisierten Vaters (Devon Sawa in einer Doppelrolle), seiner unterdrückten Homosexualität und den Mobbing-Attacken seiner Mitmenschen leidet. „Jake“ wird als klassischer „Weirdo“ eingeführt, der obskure Kunstgebilde anfertigt und dafür „Chucky“ mit nach Hause nimmt. Das Highlight der ersten Staffel ist unbestritten die Dynamik zwischen dem Außenseiter und dem quirligen Serienkiller. Nachdem „Chucky“ gleich in der ersten Episode Jakes Vater um die Ecke bringt, fungiert er als eine Art Mentor für den Protagonisten und versucht diesen zum Killer zu erziehen. Jedoch geht die Geschichte nicht den einfachen Weg, sondern etabliert einen dauerhaften Konflikt, der auch als Katalysator für Jakes Selbstbewusstsein fungiert. Dieser öffnet sich nämlich irgendwann seinen Mitmenschen, steht zu seiner Homosexualität und kommt auch seinem Schwarm näher. Der Schlagabtausch, der sich über mehrere Episoden zieht ist sehr gelungen und auch „Chucky“ bekommt großartige Momente spendiert, in denen er in altbekannter Manier Sprüche vom Stapel lassen und seinem Mordtrieb freien Lauf lassen kann. Ja, CHUCKY ist angemessen blutig, kein Splatterfest aber überrascht doch mit einer ordentlichen Härte.
Bis die Geschichte so richtig in Fahrt kommt und auch altbekannte Figuren wie „Tiffany“, „Nica Pierce“, „Andy Barclay“ und auch „Kyle“ (Andys Adoptivschwester aus CHUCKY 2 (1990)) in die Geschehnisse eingreifen, was zu einigen Verwicklungen und schließlich zur „Army of Chucky“ führt (wer CULT OF CHUCKY gesehen hat, dürfte erahnen, welches Handlungselement die Serie weiterspinnt), vergeht etwas Zeit, die aber von reichlich schwarzen Humor und sympathischen Figuren getragen wird. Zackary Arthur macht einen hervorragenden Job und spielt eine vielschichtige Figur, die sich zunächst vom Killer beeinflussen aber auch schlussendlich nicht missbrauchen lässt. „Chucky“ dient quasi als Metapher für all das Schlechte, das „Jake“ unterdrückt und mit dem er Anfangs nicht umgehen kann. Schön ist auch, dass die Homosexualität Jakes nie ausgewalzt oder zum Drama gemacht wird. Sie wird stets normal behandelt, ohne die üblichen Tropes klassischer Hollywoodfilme. Auch die restliche Besetzung überzeugt, allen voran Alyvia Alyn Lind als Bitch aus dem Lehrbuch, die später auf Jakes Seite steht. Die „Legacy-Figuren“ werden sinnvoll in die Story eingewoben, ohne dass es krampfig wirkt, das schamlose Overacting von Jennifer Tilly muss man aber dennoch ertragen können. Kleines Highlight sind die Flashbacks, die nochmal Chucky Genese zum Mörder zeigen. Witzig ist, dass Fiona Dourif (Tochter von Brad Dourif) irgendwann in Make-Up als „Charles Lee Ray“ auftritt.
Ein großes Lob muss ich nochmal den Machern aussprechen, denn die Serie sieht durchweg hochwertig aus und verzichtet größtenteils auf CGI. Zwar wurde in der Postproduktion zwecks Retuschen und Nachbesserungen auf digitale Effekte zurückgegriffen, während dem Dreh setzte man jedoch auf echte, animatronische Puppen, damit die Darsteller etwas hatten, mit dem sie spielen konnten. So bleibt das Ganze auf positive Weise klassisch.
Nachdem die Serie hierzulande bis Dato via SyFy Deutschland versendet wurde, hat sich Turbine Medien die Rechte gesichert und nun die ersten beiden Staffeln in Mediabooks aufgelegt. Diese sind wie gewohnt sehr hochwertig produziert, alle Cover verfügen über partiellen Glanzlack, und beinhalten alle Episoden der jeweiligen Season auf je zwei Blu-rays. Bild- und Tonqualität sind erste Sahne, vor allem in der Synchro wurde auf Kontinuität geachtet, denn man ließ auch hier wieder Tobias Meister „Chucky“ sprechen. Als Extras bekommt der Käufer zudem ein Featurette zum Vermächtnis von „Chucky“, sowie Deleted Scenes einzelner Episoden. Abgerundet wird die Edition durch einen sehr lesenswerten Buchteil von Tobias Hohmann, der sich nicht nur mit der Produktion der Serie beschäftigt, sondern auch nochmal die Filmreihe in Augenschein nimmt.
Fazit:
CHUCKY (seit 2021) ist großer Slasherspaß, der vor allem Fans der Reihe glücklich machen dürfte. Gut geschriebene, neue Charaktere, blutige Kills, viel schwarzer Humor und die Killerpuppe in Bestform machen die erste Staffel schon mal zu einem echten Hit. Lediglich CHUCKY-Noobs werden hier weniger auf ihre Kosten kommen, denn um der Handlung richtig folgen zu können, sollte man alle Filme gesehen haben.
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