Nach X kommt Pearl. Halt, stimmt nicht so ganz, denn Pearl spielt sechzig Jahre vor X. Jetzt seid Ihr verwirrt? Das muss nicht sein, die Erklärung ist ganz einfach: Regisseur Ti West bereicherte das Horrorgenre letztes Jahr mit seiner augenzwinkernden Hommage an die Chainsaw-Familie, die den simplen Filmtitel X trägt. Noch vor Drehbeginn, als West sich gerade in Coronaquarantäne befand, verfasste er das Drehbuch zu Pearl, einem Prequel, welches sich mit der Vorgeschichte der gleichnamigen Farmbesitzerin beschäftigt. TURBINE MEDIEN spendiert dem Film, der voll und ganz auf seine Hauptdarstellerin Mia Goth zugeschnitten ist, nach dem Ausverkauf der Steelbook-Variante, jetzt fünf limitierte Mediabook-Editionen, sowie einfache Amaray-Varianten. Das wird so manchen Fan erfreuen.
Regie: Ti West
Darsteller: Mia Goth, David Corenswet, Emma Jenkins-Purro, Tandi Wright, Matthew Sunderland
Artikel von Christian Jürs
Unterschiedlicher können Fortsetzungen nicht sein. Während X noch als Retro-Slasher daherkam, erzählt uns Ti West in Pearl die Vorgeschichte als schillerndes Charakterdrama, stilistisch irgendwo zwischen Unsere kleine Farm und Der Zauberer von Oz, nur halt mit einer blutgierigen Psychopathin als Hauptfigur und dem nötigen Splatter im Gepäck.
Wir schreiben das Jahr 1918. Die Spanische Grippe kursiert und bildet Parallelen zu der coronageplagten Welt, in der sich die Filmcrew während der Produktionszeit von Pearl befand. Die Menschen scheuen die Außenwelt und wenn, dann gehen sie meist mit Maske auf die Straße. Nicht so Pearl (Mia Goth), die auf der Farm ihrer Eltern ihr Dasein fristet, seit ihr Ehemann Howard (David Corenswet) in den Krieg gezogen ist. Dort teilt sich Pearl, seit ihr Vater (Matthew Sunderland) nach einem Schlaganfall nur noch katatonisch vor sich hinvegetiert, die Arbeit mit ihrer strengen Mutter (Tandi Wright). Ihr ein und alles der im anliegenden See lebende Alligator, den Pearl mit Hingabe füttert. Doch die junge Frau strebt nach Höherem. Sie möchte ein Star auf der großen Bühne werden. Eine Tänzerin, so wie in den Filmen, die sie regelmäßig im Kinosaal in der nahegelegenen, großen Stadt sichtet, wenn sie mal wieder mit dem Fahrrad zum Medikamente-Einkauf für ihren kranken Vater geschickt wird. Dort lernt sie den Filmvorführer (David Corenswet) kennen, der Pearl eine Privatvorstellung eines Schmuddelfilms gibt und auch sonst nicht abgeneigt von der aparten Schönheit Pearls ist, worauf sie, trotz ihrer Ehe, anspringt.
Daheim übt sie weiter ihre Tanzchoreographien. Bislang waren ihre Zuschauer nur die Tiere in der Scheune, doch dann ereilt sie die Nachricht von ihrer Schwägerin Mitsy (Emma Jenkins-Purro), dass ein Tanzcasting in Kürze stattfinden soll, bei dem nach einem weiteren Talent für eine große Aufführung gesucht wird. Für Pearl steht fest, dass sie dieses Vortanzen für sich entscheiden muss. Als dies nicht gelingt, knallen bei der jungen Frau die Sicherungen endgültig durch und sie startet ihren eigenen, kleinen Rachefeldzug. Für Alligatorfutter ist also gesorgt.
Quietschbunt kommt Ti West´s Horrorprequel daher, fast so, als wären wir in einem Disneyfilm gelandet. Doch schon kurz vor den Credits wird klar, dass wir hier keinen Kinderfilm vor uns haben, denn dann hat bereits der Gänserich des Hofes zunächst Bekanntschaft mit Pearls Mistgabel gemacht und landet im Maul des Alligators. Trotzdem erstrahlt die Leinwand, bzw. das Fernsehgerät, weiterhin, denn Mia Goth überstrahlt mit ihrem Schauspiel alles und jeden. Mit einem Lächeln im Gesicht, dass zwischen bezaubernd und komplett wahnsinnig hin- und herpendelt, spielt sie sich preisverdächtig in die Herzen des Horrorfans. Durch dieses facettenreiche Spiel wird der Vorgängerfilm nachträglich nochmals aufgewertet. Denn auch wenn wir Pearls Verhalten weiterhin (hoffentlich) nicht gutheißen können, ein wenig mehr verstehen wir ihren Charakter, der in X eher am Rande agierte, jetzt.
Wie schon bei Film Nummer eins lässt sich Ti West Zeit, seine Charaktere aufzubauen, um im letzten Drittel dann ordentlich die Sau rauszulassen. Dass der Film sich dabei nicht ernst nimmt und ordentlich auf die schwarzhumorige Schiene setzt, macht ihn zusätzlich unterhaltsam. Nach zwei gelungenen Filmen fiebere ich dem bald erscheinenden Abschluss der Trilogie, MaXXXine, gehörig entgegen.
Turbine Medien legte Pearl als limitiertes Steelbook samt 4K UHD-Scheibe und Blu-ray auf. Da diese bereits ausverkauft ist, folgt nun das Mediabook (4K UHD & Blu-ray / Blu-ray & DVD). Insbesondere die 4K-Scheibe lohnt sich, erstrahlt der Film dort doch in grellend-leuchtenden Farben. Der Ton in Dolby Atmos ist ähnlich famos. Im Bonusbereich gibt es zwei Featurettes zu finden, sowie Teaser, Trailer. Dem Mediabook liegt erstmals ein 32-seitiges Booklet, verfasst von Tobias Hohmann, bei.
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