Was wäre das Medienhuren-Sommercamp ohne raubauzige Action? Richtig, vermutlich unvollständig. Als hätte es das altehrwürdige Label Astro Records & Filmworks geahnt, flatterte uns kürzlich eine Blu-ray-Neuauflage des knallharten DTV-Reißers POINT BLANK – OVER AND OUT (1998) ins Haus, in dem ein aufgepumpter und sich im Karrieretief befindender Mickey Rourke als Ein-Mann-Armee gegen skrupellose Gewaltverbrecher zu Felde zieht, die eine Shopping-Mall besetzen. Die neue Edition im klassischen Astro-Design hat dabei nicht nur die ungeschnittene, 25 Jahre auf dem Index ruhende Originalversion an Bord, sondern auch den sog. Integral-Cut. Was es damit auf sich hat und ob Fans schießwütiger B-Ware hier auf ihre Kosten kommen, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: Point Blank
Drehbuch: James Bannon, Chuck Konzelman, Daniel Raskov, Cary Solomon
Regie: Matt Earl Beesley
Darsteller: Mickey Rourke, Kevin Gage, Danny Trejo, Paul Ben-Victor, Michael Wright, James Gammon…
Artikel von Christopher Feldmann
Handlung:
Sieben Schwerverbrecher sind auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung, zusammengepfercht in einem gepanzerten Hochsicherheitsbus. Eine schwer bewaffnete und kaltblütige Bande überfällt den Transport und ermordet die Polizei-Eskorte um ihren gefährlichen Gangsterboss Howard (Paul Ben-Victor) befreien zu können. Danach stürmen die skrupellosen Verbrecher in ein Einkaufszentrum und nehmen unbeteiligte Kunden als Geiseln. Als der zurückgezogene lebende Ex-Cop und Elite-Söldner Rudy (Mickey Rourke) erfährt, dass sein krimineller Bruder Joe (Kevin Gage) einer der Geiselnehmer ist, entschließt er sich einzudringen und die Geiselnahme auf seine Art zu beenden.
Um die Karriere von Hollywoodstar Mickey Rourke war es in den 1990er Jahren nicht allzu gut bestellt. Zuvor galt Rourke als Ausnahmetalent, spielte in Filmen AMERICAN DINER (1982), RUMBLE FISH (1983), dem Kassenhit 91/2 WOCHEN (1986), sowie in dem okkulten Thriller ANGEL HEART (1987) und hatte zeitweise den Status eines Sexsymbols. Allerdings beschloss der Schauspieler 1991 seine Box-Karriere wieder aufzunehmen und bestritt bis 1994 mehrere Kämpfe, bei denen er sich einige Verletzungen zuzog. Als er wieder ins Filmgeschäft zurückkehrte, beschränkten sich die Angebote hauptsächlich auf B-Movies, in Kinofilmen waren wenn überhaupt nur noch Nebenrollen für Rourke übrig. Das führt uns ohne Umwege zu dem hier vorliegenden, 1998 erschienenen Actionkracher POINT BLANK – OVER AND OUT (1998), in dem der ehemalige Frauenschwarm als Ein-Mann-Armee das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Dabei zeichnet sich die Deformation Rourkes langsam aber sicher ab, denn von dem coolen, smarten Frauenschwarm aus den 1980er Jahren ist nur noch ein mit ein paar Schönheitsoperationen geflickter, aufgepumpter Klops übrig, der zwar noch weit weg von dem menschlichen Gruselkabinett ist, das sich heute unter dem Namen Mickey Rourke in DVD-Premieren verdingt, so richtig ästhetisch ist das aber nicht.
Trotzdem muss man aber mal festhalten, dass Rourkes Antlitz perfekt zu dem Streifen passt, in dem er als Ex-Söldner „Rudy“ auf die Pauke haut. POINT BLANK (nicht zu verwechseln mit dem Lee-Marvin-Klassiker aus den 60er Jahren) ist kaltblütiges, menschenverachtendes, zynisches und frauenfeindliches B-Actionkino wie man es nur in den hinteren Videothekenregalen fand. Dass es sich hier um das x-te STIRB-LANGSAM-Plagiat handelt (Verbrecher besetzen ein Gebäude, der Held ist mehr oder weniger auf sich allein gestellt), fällt dabei gar nicht mal so ins Gewicht, denn immerhin zieht der Film seinen dünnen Plot konsequent durch. Warum allerdings gleich vier Autoren an diesem Nichts von einer Story schrieben, ist mir dennoch schleierhaft, weiß der Zuschauer doch schon von der ersten Minute an wie der Hase läuft. Hier wird sich nicht mit Kinkerlitzchen aufgehalten, auch wenn ich für meinen Geschmack auf kitschige Szenen, in denen beispielsweise einer der Geiselnehmer sein tragisches Leben rekapituliert, nur um kurz danach im Kugelhagel zu sterben, hätte verzichten können. Auch die Beziehung zwischen „Rudy“ und seinem Bruder „Joe“ wirkt ein wenig aufgesetzt, wird aber auch nicht sonderlich vertieft.
POINT BLANK ist eben nichts für Feingeister, sondern etwas für Fans blutiger und menschenverachtender Action, die es mal wieder ordentlich scheppern sehen wollen. Regie-Eintagsfliege Matt Earl Beesley lässt hier Unschuldige reihenweise über den Jordan gehen, Frauen werden unter Einsatz dicker Bloodpacks erschossen oder mit dem Gewehrkolben niedergestreckt, wenn sie nicht mit sexistischen Sprüchen verhöhnt oder gleich missbraucht werden. Für den Sleaze-Anteil sorgt Danny Trejo, denn der Kult-Mime zieht als sadistischer Vergewaltiger „Wallace“ so richtig vom Leder und sorgt dabei für die unangenehmsten Szenen des Films, etwa wenn er eine Geisel dazu zwingt an seiner Knarre zu lutschen. Trejo gibt Alles, so dass sein ähnlich angelegter „Johnny 23“ aus CON AIR (1996) dagegen wie ein Chorknabe wirkt. Tatsächlich entpuppt er sich als waschechter Szenendieb, dem die übrige Besetzung nicht viel entgegenzubringen hat, vor allem nicht Kevin Gage. Aber auch Mickey Rourke, der in diesem Film durchaus eine Erscheinung ist, wirkt aufgrund seiner relativ dialogarmen Performance wie eine Art Fremdkörper. Statt zu reden langt er lieber zu, immerhin ein Vorteil, auch wenn man bei manchen Moves schnell merkt, dass hier ein Double zum Einsatz kam.
Rein inszenatorisch ist POINT BLANK allerdings eine wertige Angelegenheit und für ein B-Movie im DIE-HARD-Style sieht das Ganze ordentlich aus, inklusive amtlicher Pyrotechnik und knallenden MG-Salven. Zwar hätte man das Einkaufszentrum als Setting etwas effektiver und abwechslungsreicher nutzen können, so hart will ich mit diesem Actionflick allerdings nicht ins Gericht gehen.
Dafür muss ich Kritik an der hier vorliegenden Blu-ray-Auswertung üben. Bereits vom Label Xcess Entertainment erschien POINT BLANK als deutschsprachige HD-Premiere, in der ungekürzten Fassung. Später schob RetroGold 63 wie gewohnt ein Repack im Mediabook nach, das aber auch einen sog. Integral-Cut enthielt, der neben der Originalversion nun auch auf der Blu-ray zu finden ist, die via Astro Records & Filmworks erschien. Diese Schnittfassung besteht größtenteils aus der bekannten Version, wurde aber mit Material angereichert, das lediglich in der gekürzten TV-Fassung vorhanden ist. Wenn man ehrlich ist, kann man sich diese zusammengeschnittene Version klemmen und bei der kürzeren Originalfassung bleiben, bekommt man doch größtenteils nur unnötige Szenenverlängerungen serviert und das in deutlich schlechterer Qualität. Generell ist die Bildqualität bei der Astro-Scheibe nicht sonderlich berauschend, inklusive übersteuerter Kontraste. Auch die Xcess-Disc ist nicht das Gelbe vom Ei, präsentiert aber den deutlich runderen Film. Deswegen nicht beirren lassen, nur weil jemand schreibt, es handele sich hier um die weltweit längste und „weltbeste“ Fassung.
Fazit:
POINT BLANK – OVER AND OUT (1998) ist durchaus etwas für die heißen Sommertage. Ein schwitziger, krachender und raubauziger B-Actionkracher, das filmische Äquivalent zu einer Flasche preisgünstigem Vodka. Schmeckt nicht unbedingt gut, knallt aber auch ordentlich rein.
Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film
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