Ein Titel, den irgendwie jeder kennt. Hollywood brachte in den 1990ern einige große Kinofilme zustande, die prall gefüllt waren mit guten Schauspielern, neuen Ideen und echten Kinobildern. Die Filmemacher Hollywoods verstanden es zu der Zeit, rundes Entertainment zu produzieren, echtes Kino also, welches noch nicht auf breiter Seite sein Publikum mit verstreamten Fortsetzungen und Titel-Recycling beleidigte. Natürlich gibt es auch heute noch gute Kinofilme, keine Frage, aber die Taktdichte namhafter Produktionen, die wirklich für den Kinosaal gedreht werden, hat doch deutlich nachgelassen. Im Internet versunken, bestimmen Klick-Zahlen von pauschal eingebuchten Zuschauern über den Erfolg eines Films, ohne verifizieren zu können, ob das Publikum dafür auch Geld an der Kinokasse ausgegeben hätte. Da allerdings eine Unmenge an Content produziert werden muss, haben viele kleine und unabhängige Stoffe die Chance auf Finanzierung und Publikum, was vielleicht bei einer Finanzierung über die Kinoauswertung nicht möglich gewesen wäre. War Thelma & Louise damals noch ein heißes Eisen, das niemand in Hollywood anfassen wollte, hätte heute ein Player wie Netflix nicht einmal mit der Wimper gezuckt und die Millionen sofort zur Verfügung gestellt. Um so schöner ist es, dass Thelma & Louise noch primär für die Leinwand gedreht wurde und Ridley Scott in diesem kleinen Road Movie zur visuellen Höchstform auflief. CAPELIGHT PICTURES brachte den gut gereiften Klassiker als 3-Disc Limited Collector’s Edition im Mediabook (UHD-Blu-ray + Blu-ray + Bonus-Blu-ray), sowie als einfache DVD-Auflage heraus.

Regie: Ridley Scott

Darsteller: Susan Sarandon, Geena Davis, Harvey Keitel, Michael Madsen, Brad Pitt, Stephen Tobolowsky, Christopher McDonald, Timothy Carhart

Artikel von Kai Kinnert

Thelma (Geena Davis) fristet ihr eintöniges Hausfrauendasein unter der strengen Hand ihres despotischen Ehemanns. Auch ihre Freundin Louise (Susan Sarandon) kann sich etwas Besseres vorstellen, als ihr Leben lang in einem Diner Essen zu servieren und Aschenbecher auszuleeren. Kurzerhand überredet sie Thelma zu einem gemeinsamen Wochenendausflug. Doch was als abwechslungsreicher Roadtrip und Flucht aus dem Alltag geplant gewesen ist, entwickelt sich für die beiden Frauen schnell zu einem Albtraum, als Louise in einer heruntergekommenen Bar einen Mann im Affekt erschießt. Auf der Flucht vor Detective Hal (Harvey Keitel) und seiner Polizeieinheit gabelt das Duo den gut aussehenden Kriminellen J. D. (Brad Pitt) auf, der sie nur noch weiter ins Verderben zieht.

Das ist einer dieser Streifen, die ich vor 30 Jahren zuletzt gesehen habe. Ich hatte den Film als „nicht schlecht“ in Erinnerung, wohl aber auch als einen Film, den man sich nicht alle paar Jahre wieder ansehen würde. Wenig Action, wenig Witz und mit zwei weiblichen Hauptfiguren besetzt, die gerade so eben das Klischee eines Scherenschnitts der Marke Hollywood verlassen haben, glänzte Thelma & Louise damals eher durch eine kompatible Inszenierung, als durch erinnerungswürdige Filmmomente. Klar, den Sprung in den Canyon vergisst man nicht, wohl aber alles andere. Mir war völlig entfallen, das hier Ridley Scott die Regie übernahm, Hans Zimmer den Soundtrack komponierte, Brad Pitt ein unheimlicher Stalker und Harvey Keitel der heimliche Star des Films ist. Um so überraschter war ich, wie gut der Film altern konnte. Die 30 Jahre haben Thelma & Louise gut getan.

Das Drehbuch war damals ein halber Skandal. Frauen in einer „ernsten“ Hauptrolle, ohne Mann? Als Road Movie? Und dann wird auch noch ein Kerl von Susan Sarandon erschossen! Überhaupt sind die Männer hier sabbernde Karikaturen, die am Ende den Frauen stets Schaden zufügen wollen. Jedoch nicht alle! Und so haben Michael Madson und Harvey Keitel, gerade Harvey, ihre großen Szenen. Madson spielt einfach sympathisch und ist in bester Form, während Harvey Keitel granatenstark in sich selber ruht und einen fantastischen Auftritt als Detective hinlegt. Keitel ist es dann auch, der mit seiner Polizeitruppe den Witz in den Film bringt. „Der Film ist eine Komödie“ sagt Ridley Scott in den massenhaften Extras, die dem Mediabook beiliegen. „Man könnte ihn mit dem gleichen Drehbuch auch ernsthafter inszenieren, dann wäre es ein Drama geworden!“ In der Tat! Bei neuerer Betrachtung des Films kommt man zu dem Schluss, dass Ridley Scott recht hat. Thelma & Louise ist kein Drama und kein feministischer oder gar emanzipierter Film, sondern ein zugänglich inszeniertes Buddy Movie, dass zwei weibliche Hauptrollen im Fokus hat, die eben nicht sehr weit weg vom üblichen Klischee damaliger Frauenrollen sind. Damit die Story an der Kinokasse funktionierte, durfte man den Anspruch und die Ernsthaftigkeit nicht zu sehr in der Vordergrund stellen und umriss Thelma und Louise nach ihren Äußerlichkeiten. Susan Sarandon ist herb, kontrollierend und erwachsen, während Geena Davis ein naives Weibchen ist, das jedem Kerl auf den Leim geht, der sie auch nur anlächelt. Davis braucht also Sarandon, um überhaupt irgendwo hinzufahren, während Sarandons Rolle gar keinen Sidekick für einen Road Trip benötigen würde.

Dass Thelma & Louise auch nach über 30 Jahren noch als geschlossener Film gut funktioniert, liegt an der Inszenierung Ridley Scotts, der Filmmusik, Harvey Keitel und der Kamera. Hans Zimmer findet die richtige Musik für die grandiosen Aufnahmen der farbstarken Landschaft, die die Handlung umrahmt. Ridley Scott lies in den Abendszenen die Canyons ausleuchten, was zwar wenig realistisch aussieht, wohl aber den Einstellungen einen malerischen und expressionistischen Anstrich verleiht, während Keitel mit seiner Polizeitruppe für die auflockernden Schmunzler sorgt. Der Schauspieler Stephen Tobolowsky wurde von Ridley Scott mit der Inszenierung seiner „Polizeikollegen“ betraut, der dann auch gleich den richtigen Einfall hatte (die Polizeiszenen sind übrigens alle improvisiert, ebenso die Bett-Szene mit Brad Pitt und Geena Davis). Anstatt in den Polizei-Szenen den üblichen Cop-Talk vom Stapel zu lassen, griff Stephen Tobolowsky auf das „richtige Leben“ zurück und lies die Polizisten in jeder Szene einer Frage nachgehen, die ganz existenziell für jeden hart arbeitenden Ermittler überall auf der Welt ist: Was gibt es zu Essen?

Wer nun darauf achtet wird sehen, dass Keitel zwar ein mitfühlender und guter Polizist ist, alle anderen aber stets am Essen sind – oder gerade Essen bestellen. Toll die Szene, in der alle Cops Essen und Trinken und sich dabei das Überwachungsvideo vom Raubüberfall ansehen, in dem Geena Davis gerade einen kleinen Laden überfällt. Die Cops können gar nicht glauben, was sie da sehen: „Das ist nicht zu fassen!“ – und schlürfen dabei mit großen Augen am Milchshake. Etwas unheimlicher wird es dann, als Brad Pitt nächtens bei strömenden Regen an die Hotelzimmertür von Geena Davis klopft und auf schmierige Narzissten-Art sich ins Bett von Davis wanzen möchte. Plötzlich verströmt der Film einen beklemmenden Touch, der nur von Brad Pitt so harmlos und zugleich bedrohlich gespielt werden konnte. Diese gefühlte Bedrohung wird sich dann später bestätigen.

Achtung, Spoiler: Berühmt dann der ikonische Sprung in den Grand Canyon, wobei es in den Extras von dieser Szene noch die lange Version zu betrachten gibt. In den Testvorführungen wurde das originale und lange Ende als störend empfunden und dann fürs Kino kräftig gekürzt. Angeblich soll es Gelächter gegeben haben, da Thelma und Louise im Ursprung lange mit dem Auto in den Canyon trudeln – und dann offensichtlich überleben. Sie fahren in der allerletzten Einstellung den Highway entlang! Den Sturz konnten Thelma und Louise unmöglich überleben, das Auto dreht sich sogar über Kopf und würde seine Insassen beim Aufschlag plätten, aber dennoch scheinen Thelma und Louise alles schadlos überstanden zu haben. Sogar das Auto blieb heile! Wie kann das sein? Thelma und Louise haben auch in der langen Fassung des Finales nicht überlebt, sie sind definitiv tot, wohl aber im Jenseits angekommen und fahren dort in eine Ewigkeit voller prächtiger Farben. Zentral und symmetrisch eingerichtet, schildert die letzte Einstellung des Films die Ankunft der beiden Frauen im Jenseits. Nötig ist das alles nicht, daher ist die Kürzung der Szene, die am Ende dann doch nur irritiert, völlig gerechtfertigt.

Thelma & Louise ist heute besser als damals. Der Film brauchte einen Abstand von vielen Jahren, um seine Qualitäten in Kamera, Musik und Inszenierung voll ausspielen zu können. 1991 erfuhr der Steifen seine Besonderheit nur durch den Umstand, dass zwei Frauen eine eher ernsthafte Hauptrolle spielen, ohne dabei der Love Interest von irgendwelchen Kerlen zu sein. Heute ist Thelma & Louise ein Film, der auf angenehme Art und Weise zu einem echten Stück eloquent gefilmter Popkultur geworden ist und somit zu den großen Filmen der 1990er Hollywoods gehört. Ein echter Klassiker!

Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und farblich eine Wucht, der Ton ist gut. Und es gibt massenhaft Extras: Einen Audiokommentar von Regisseur Ridley Scott,
Audiokommentar von den Hauptdarstellerinnen Geena Davis und Susan Sarandon sowie der Drehbuchautorin Callie Khouri, Originalkinotrailer, Deutscher Kinotrailer, Deutscher Kinotrailer (remastered), Thelma & Louise: Die letzte Reise (Dokumentation), Featurette zum Kinostart, Entfallene Szenen, Erweiterte Szenen, Erweitertes Ende (optional mit Audiokommentar des Regisseurs), Storyboard-Sequenz: Über dem Abgrund (Multi-Angle-Feature), Musikvideo: Glenn Frey – Part of Me, Part of You , US-Heimvideo-Vorschau
und US-Fernsehspots.

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