Im Jahr 1994 setzte Regisseur und Drehbuchautor Ole Bornedal mit dem düsteren Thriller NIGHTWATCH – NACHTWACHE ein kleines Ausrufezeichen, zumindest für das Genrekino aus skandinavischen Gefilden. Der Film gewann mehrere Preise und wurde aufgrund seines Erfolgs in Europa 1997 von Bornedal persönlich für den US-Markt nochmal neu verfilmt. Knapp 30 Jahre schien der Filmemacher vom Trend der Legacy-Sequels so sehr inspiriert worden zu sein, dass er mit NIGHTWATCH: DEMONS ARE FOREVER (2023) eine Fortsetzung abgeliefert hat, die natürlich alte Bekannte zurückkehren lässt und den Horror von Damals nochmal herauf zu beschwören versucht. Nachdem der Thriller bereits im Rahmen des Fantasy Film Fests zu sehen war, veröffentlicht ihn Capelight Pictures demnächst u.a. als Limited Collector’s Edition im Mediabook. Wir konnten die Rückkehr ins Leichenschauhaus vorab sehen und verraten euch, ob sich das Ganze auch lohnt.
Originaltitel: Nattevagten – Dæmoner går i arv
Drehbuch & Regie: Ole Bornedal
Darsteller: Fanny Leander Bornedal, Nikolaj Coster-Waldau, Casper Kjær Jensen, Paprika Steen, Sonja Richter, Kim Bodina, Ulf Pilgaard…
Artikel von Christopher Feldmann
Ich kann mich noch gut daran erinnern wie mir ein Freund vor einigen Jahren ein paar DVDs in die Hände drückte, die er als persönliche „Geheimtipps“ bezeichnete. U.a. war der sehenswerte, spanische Kultfilm TESIS (1995) in der Auswahl enthalten aber eben auch NIGHTWATCH (1994) von Ole Bornedal, ein Film, der mir zu diesem Zeitpunkt nicht geläufig war und auch vom 1:1-Remake FREEZE – ALPTRAUM NACHTWACHE (1997) hatte ich bis Dato noch nichts gehört. Nachdem ich den Film gesehen hatte war ich relativ angetan von der düsteren Serienkillergeschichte made in Dänemark. Ich würde nicht soweit gehen und NIGHTWATCH als unantastbares Meisterwerk bezeichnen aber ein guter Thriller mit einer dichten Atmosphäre ist das Regie-Debüt trotzdem. Warum Bornedal es 30 Jahre später für eine gute Idee hielt, nochmal zu der Geschichte und deren Protagonisten zurückzukehren, erschließt sich mir leider nur bedingt, denn auch wenn das Original seine Fans hat, den Status, der ein Legacy-Sequel rechtfertigt, besitzt es dann leider nicht. Das scheint auch der Filmemacher selbst erkannt zu haben, müht er sich hier doch sichtlich dabei ab, eine Geschichte zusammen zu spinnen, die zumindest halbwegs die Existenz dieses Films rechtfertigt.
Handlung:
Die Mordserie während Martins (Nikolaj Coster-Waldau) Aushilfsjob als Nachtwächter in der Gerichtsmedizin verfolgt seine Familie noch dreißig Jahre später. Trotzdem entschließt sich seine Tochter Emma (Fanny Leander Bornedal), ihr Medizinstudium auf dieselbe Weise zu finanzieren. Als sie erfährt, dass der Mörder von damals (Ulf Pilgaard) noch lebt, will sie ihn im Gefängnis besuchen und so ihr Familientrauma konfrontieren. Sie findet ihn zunächst blind und apathisch in einer dunklen Isolationszelle vor. Kurz darauf beginnt eine weitere Mordserie an ihrer nächtlichen Arbeitsstelle, die erneut die Handschrift des Inhaftierten trägt.
Ole Bornedal nennt als Grund für die Entstehung von NIGHTWATCH: DEMONS ARE FOREVER (2023) sein Interesse an der Frage, wie es den Figuren aus dem Original, welche knapp dem Tod entronnen sind, über die Jahre so ergangen ist und wie sie mit den Narben und dem Traumata umgehen, die die Ereignisse 1994 hinterlassen haben. Für mich ist das allerdings immer ein wenig Phrasendrescherei, stattdessen wirkt das Alles ein wenig so, als hätte Bornedal HALLOWEEN (2018), der ein immenser Kassenerfolg war, gesehen und hätte instinktiv beschlossen auch mal so etwas zu machen. Nun würde Ich NIGHTWATCH (1994) und John Carpenters HALLOWEEN (1978) nicht auf eine Stufe stellen, zumal „Michael Myers“ ein ganzes Franchise „durchlitten“ hat, weswegen man dem drölften Sequel versöhnlicher gegenübersteht, wenn es mal nicht gegen die Wand gefahren wurde. NIGHTWATCH: DEMONS ARE FOREVER hat es da schon schwerer und leider schafft es Bornedal nicht, an alte Zeiten anzuknüpfen, dazu ist der Film zu uninspiriert, zu flach und zum Thema Trauma hat er fast genauso wenig zu sagen wie David Gordon Green.
Als schlecht würde ich den Thriller trotzdem nicht bezeichnen, denn dafür ist Bornedal ein zu versierter Handwerker, der es auch nach 30 Jahren noch schafft ein paar Gänsehautmomente und spannende Sequenzen zu inszenieren. Technisch ist das Alles wirklich sauber und auf hohem Niveau, auch wenn der Charme und die raue, ungeschliffene Ästhetik der 1990er Jahre in der Zwischenzeit einem klaren Digitallook gewichen ist. Es gab sogar die ein oder andere Szene, in der mich ein ähnlich beklemmendes Gefühl überkam wie bei der Sichtung des Originals. Einen großen Anteil daran tragen aber auch die guten Darsteller, allen voran Bornedals Tochter Fanny Leander Bornedal in der Hauptrolle. Diese schafft es wirklich ihrer etwas wenig ausgearbeiteten Rolle Leben einzuhauchen und dabei höchst authentisch zu wirken. Das kann man von ihren Klischee-Freunden aus dem Medizinstudium zwar nicht behaupten aber denen wird ohnehin wenig Zeit gewidmet, sowie der Beziehung zu ihrem Freund, der nur am Rand auftritt und für die Ereignisse keinerlei Relevanz hat. Wie es sich für ein Sequel dieser Art gehört, müssen aber auch die Originalstars nochmal ran, wobei ich durchaus überrascht war, dass Nikolaj Coster-Waldau relativ viel Screentime hat. Der GAME-OF-THRONES-Star hat zwar nicht allzu viel zu tun und wird erst gen Ende aktiv ins Geschehen eingebunden, ist aber trotz allem irgendwie allgegenwärtig. Das kann man von Kim Bodina leider nicht behaupten. Auf den werden sich Fans wahrscheinlich am meisten freuen, leider war er anscheinend für maximal drei Tage am Set, weswegen er nach etwas mehr als zehn Minuten auch schon wieder aus dem Film genommen wird. Auch Ulf Pilgaard, der im Original den Frauenmörder mit nekrophilen Neigungen gab, ist abermals dabei, wenn auch nur am Rand.
Klingt Alles gar nicht mal so verkehrt oder? Nun, DEMONS ARE FOREVER ist wie gesagt kein schlechter Film aber auch eben kein guter, was vor allem an dem plumpen Drehbuch liegt. So wirkt die gesamte Geschichte schon arg zurechtgebogen und beinhaltet einige seltsame wie klischeebehaftete Tropes. Natürlich leidet der Protagonist des Originals 30 Jahre später unter den Ereignissen und scheint ein völliges, von Pillen abhängiges Wrack zu sein, das sich gegen jede Form von Aufarbeitung wehrt. Warum die Tochter, die von der ganzen Nummer erst durch Zeitungsausschnitte erfährt, instinktiv genau denselben Job annimmt wie ihr Vater damals, macht irgendwie auch keinen Sinn. Natürlich ist der Mörder doch nicht gestorben, sondern sitzt apathisch und blind in der Isolationshaft, zu der sich „Emma“ spielend leicht Zutritt verschafft. In Dänemark muss man anscheinend nur irgendwo anrufen und falsche Angaben machen und schwupps ist man auch schon drin. Sicherheit scheint im Norden nicht allzu groß geschrieben zu werden, weswegen auch Geisteskranke unbemerkt durch die Gegend laufen und auch nach Festnahme ganz einfach den Autoritäten entkommen können.
Es gibt diverse Szenen, die wirklich Fragezeichen hinterlassen und schlichtweg keinen Sinn machen und dafür muss man nicht mal allzu sehr auf sie achten. Auch die Frage, wer jetzt wohl der neue Mörder ist („Wörmer“ kann es aus rein gesundheitlichen Gründen nicht sein) ist nicht allzu schwer zu beantworten, weiß man doch ab einer bestimmten Szene, die sich relativ früh im Film abspielt, wer hier der Bösewicht ist, dessen Existenz willkürlich hinzugedichtet wirkt, und ebenfalls die Frage aufwirft, ob in Dänemark keine Background-Checks durchgeführt werden. Dass der Killer Michael-Myers-mäßig mit Maske auf Streifzug geht, fand ich dann fast schon witzig.
Capelight Pictures veröffentlicht den Film als Limited Collector’s Edition im Mediabook, das neben der Blu-ray auch eine 4K-Version enthält. Die bietet eine astreine Bildqualität und satten Atmos-Sound. Als Bonus gibt es den Trailer, sowie ein Booklet, welches ein ausführliches Interview mit Bornedal enthält.
Fazit:
NIGHTWATCH: DEMONS ARE FOREVER (2023) hat vermutlich niemand gebraucht, ist aber für Fans des Originals eine nette Angelegenheit, zumal Bornedal einmal mehr handwerklich saubere Thriller-Kost abliefert. Allerdings muss man Abstriche in Sachen Glaubwürdigkeit und Charaktermotivation machen, um mit dem Film eine gute Zeit zu haben. Schlussendlich bleibt aber ein allenfalls okayes Sequel, das bedeutend schlechter aber auch weitaus besser hätte sein können. Aber wahrscheinlich hätte man es am besten einfach gelassen.
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