Das ist ja mal ein Ding! Diesen Klassiker des echten Hongkong-Crime-Dramas hatte ich gar nicht mehr auf der Uhr – und auch nie gesehen, wusste aber im Hinterkopf um seine Stellung im asiatischen Genre-Kino. Das Cover des Streifens assoziierte mir gleich eine andere Perle des frühen Hongkong Genrekinos, ähnlich schmutzig und rau angelegt: Long Arm of the Law von 1984. Mir gefallen diese kleinen Filme, die in den engen Hinterhöfen und Hochhaussiedlungen ganz unprätentiös naturalistisch gedreht worden sind. Mann ohne Ausweg habe ich mir noch mitten in der Nacht in den Player geschmissen und wurde während des Films das Gefühl nicht mehr los, die gesamte Story und seine dramaturgischen Akzente irgendwie schon zu kennen. Kein Wunder! Mann ohne Ausweg ist nicht der X-te Genre-Film über eine Undercover-Mission in Hongkong, es ist der erste Film überhaupt, der so einen Einsatz zum Thema machte und fortan als Blaupause für alle weiteren Cop-Crime-Thriller dienen sollte. Das ist wirklich abgefahren, denn es macht deutlich, dass die Filmindustrie Hongkongs diesen Film als dramaturgische Grundlage für alles Folgende nutzte. John Woo erfand vielleicht das Heroic Bloodshed Genre, nicht aber das dramaturgische Grundgerüst um Freundschaft, dramatischer Liebe, Zeitlupen, Gewalt und Popsongs in entscheidenden Augenblicken. Vorläufer und Urvater dieses Segments ist Alex Cheung mit seinem Krimi-Drama, das 1982 den Golden Horse Award (Bester Film, Beste Regie, Bester Schauspieler) erhielt. CARGO RECORDS brachte diese vergessene Filmperle nun auf DVD heraus.

Originaltitel: Man on the Brink

Regie: Alex Cheung

Darsteller: Lun Chia, Kam Hing-Yin, Eddie Chan, Fund Oi-Tsu, Chan Chuen, Ng Man-Tat

Artikel von Kai Kinnert

Der Hong Kongner Polizist Ho Wing-Chiu wird von seinem Vorgesetzten Inspector Chan auserwählt, für zwei Jahre in die gefährliche Welt der Triaden einzusteigen. Als Kontakt in den kriminellen Untergrund dient der ebenfalls undercover arbeitende Polizist Ah Tai. Der Einstieg fällt dem jungen Cop relativ leicht, das Geld liegt ihm nach kurzer Zeit zu Füßen, zudem hat er diesmal eine neue Herausforderung in seinem Job gefunden. Doch mit der Zeit werden auch die Herausforderungen an ihn schwieriger und brutaler, zudem er bei seinen ganzen Ausgaben auch die Dienste eines Kredithais in Anspruch nehmen muss und sich auch seine Freundin von ihm abwendet. So aus dem Tritt gebracht, gerät sein Leben zunehmend in Gefahr.

Der Film ist in jeder Hinsicht eine kleine Besonderheit. Technisch ist Mann ohne Ausweg ein kleiner, aber sehr sorgfältig gefilmter Streifen mit künstlerischer Qualität und alles andere als günstig hingeschludert. Man hat zwar mit schmalem Budget an Originalschauplätzen in den schmutzigen Straßen und Hinterhöfen prekarisierter Wohnsiedlungen gedreht, dafür aber mit Alex Cheung einen sorgfältigen Mann hinter der Kamera gehabt, der nicht nur eine souveräne Regiearbeit hinlegte, sondern auch noch erstklassig als Drehbuchautor, Kameramann und Editor tätig war. Echtes Autorenkino also. In den Credits liest man dann auch gleich noch ein paar weitere bekannte Namen, die hier noch am Anfang ihrer Karriere standen. Neben Arthur Wong als zweiter Kameramann (später führte er bei einer Vielzahl an bekannten Filmen die Kamera), findet sich noch Teddy Chen in den Credits (der zukünftige Regisseur von Purple Storm und Accidental Spy), sowie Jeff Lau als Produktionsassistent, der später bei einigen Stephen Chow Filmen Regie führen sollte. Produziert hatte den Film die kurzlebige Century Motion Picture & Dist. Co., Ltd, die nach nur fünf Filmen wieder eingestampft wurde und mit dem Horrorfilm The Imp (1982) noch einen weiteren bekannten Titel auf den Markt brachte.

Das kleine Drama um Polizist Wing Chiu führte nicht nur alle wesentlichen Elemente des modernen Hongkong-Kriminalfilms ein, und diente so als Vorlage für Streifen wie Infernal Affairs (2002) oder City On Fire (1987), sondern zeichnet sich zusätzlich auch noch durch das gute Schauspiel seines Hauptdarstellers und einer guten Kameraführung durch seinen Regisseur Alex Cheung aus. Die Lichtsetzung stimmt in jeder Einstellung, der Schnitt ist flüssig, der Ausschnitt ist gut gewählt und als besonderen Akzent gibt es hier und da noch eine geschickte Handkamera, die sich im Weitwinkel in die Szene wirft. An Action gibt es in Mann ohne Ausweg nicht viel zu sehen, wohl aber an dramatischer Entwicklung, die unseren Hauptdarsteller immer tiefer in den kriminellen Abgrund drängt und ihn so verschluckt. Das dichte Drama um den jungen Polizisten, der völlig naiv dem Undercover-Job zustimmt und sich in die urbane Unterwelt begibt, überzeugt durch sein dichtes Drehbuch und einer schnörkellosen Erzählung, die platte Action schlichtweg ausblendet, wohl aber die bestimmenden Action-Elemente des Genres schon aufzeigt. Mann ohne Ausweg ist fast schon visionäres Kino, dem man bei der Entwicklung eines neuen Genres zusehen kann. Möchte man mutig eine Verallgemeinerung dieser filmischen Genre-Grundlage bemühen, dann die, dass die Filmindustrie Hongkongs seit dem Erscheinen des Films nichts weiter gemacht hat, als Mann ohne Ausweg immer wieder neu zu verfilmen.

Mann ohne Ausweg hat mich begeistert. Dieser kleine Film hat rundum eine tolle Kameraführung, verzichtet dabei auf dramaturgische Albernheiten und bleibt ganz dicht an der Idee, dem jungen Polizisten Wing Chiu beim Abstieg zuzusehen. Der Typ ist eine arme Sau, das macht einem der Film ganz deutlich klar. Mann ohne Ausweg ist großes-kleines Kriminalkino voller Dramatik und wahrscheinlich sogar der wichtigste Kriminalfilm aus Hongkong überhaupt. John Woo prägte den Shoot-Out, Alex Cheung hingegen die gesamte Dramaturgie, der sich später John Woo & Co bedienen sollten. Ein Geheimtipp für alle Freunde des Hongkong-Kinos!

Das Bild der gesichteten DVD ist solide gut, der Ton ist in vernünftiger Qualität. Die deutsche Synchronisation ist überraschend gelungen und wurde mit vielen bekannten Stimmen besetzt. Als Extras gibt es Diverse Originaltrailer und eine Bildergalerie.

Amazon Partner Links:

DVD

Zurück zur Startseite