Vor knapp einem Vierteljahrhundert sendete mein Lieblingssender Arte den BBC TV-Zweiteiler Warriors-Einsatz in Bosnien mit deutscher Synchronisation und ich nahm ihn selbstverständlich auf einer VHS-Videokassette auf. Spätestens seit der Anschaffung eines Festplattenrecorders mit drei TV-Tunern, wurden meine beiden altgedienten Videorecorder aus-, bzw. eingelagert. Mit ihnen verschwanden irgendwann alle bespielten VHS-Kassetten ebenfalls aus meinem Blickfeld, nicht aber die Erinnerungen an diesen eindrucksvollen Film. In einigen europäischen Ländern und den USA erschienen Anfang des Jahrtausends zwar ein paar DVD-Editionen mit entsprechend angepassten Titeln, aber diese besaßen allesamt keine deutsche Tonspur. Spätestens seit Etablierung der Blu-Ray im Jahre 2006 wartete ich also auf eine entsprechende Version dieses Filmes. Bis jetzt. MT FILMS hatte offenbar noch Zugang zu Videomaterial samt einer deutschen Tonspur, laborierte ein wenig herum, und stellt nun via CARGO RECORDS eine längst überfällige Blu-Ray dieses Filmes vor.

Originaltitel: Warriors / Peacekeepers

Deutscher TV-Titel: Warriors – Einsatz in Bosnien

Darsteller: Matthew Macfadyen, Damian Lewis, Ioan Gruffudd, Cal MacAninch, Tom Ward, Darren Morfitt, Shaun Dooley, Branka Katic, Sheyla Shekovich, Jasmina Sijercic

Kamera: Richard Greatrex

Drehbuch: Leigh Jackson

Regie: Peter Kosminsky

Artikel von Manuel Hinrichs

TRIGGER-WARNUNG! Diese vielschichtige Filmkritik enthält textliche Passagen und auch reale Bilder zur Illustration, die Teile der Bevölkerung beunruhigen können.

Wie ihr sicherlich jetzt schon bemerkt habt, blieb mir Peter Kosminskys Antikriegs-Drama, welches heute als 177 Minuten lange Blu-Ray mit dem Titel Warriors – Bosnien 1992 vorliegt, seit seiner TV-Ausstrahlung nachhaltig in Erinnerung. Bis heute erinnere ich mich an das Gefühl, welches ich schon damals beim Schauen hatte und das reichte, um ihn nie wieder zu vergessen.

Sollte man versucht sein, eine Genre-Schublade für diesen Film zu finden, würde man ihn zunächst sicherlich in Rufweite der großartigen Polit-Dramen eines Constantin Costa-Gavras oder Damiano Damiani einordnen wollen. Ja, das könnte man tun. Allerdings ist Warriors – Bosnien 1992 in der Ernsthaftigkeit seiner nüchternen Beobachtungen noch sehr viel realistischer, noch klarer, noch unverstellter, als die unwidersprochenen Meisterwerke der beiden genannten Regisseure. Nicht, dass man Costa-Gavras oder Damiani jemals vorwerfen könnte, „gefällige“ Filme gedreht zu haben, ist aber auch Warriors – Bosnien 1992 frei von jeglichem Versuch, den Zuschauer an die Hand zu nehmen, ihn gar „abzuholen“ zu wollen. Diese Verweigerungshaltung ist durchaus speziell, denn den freiwilligen Verzicht auf jegliche Formen „unterhaltender“ Aspekte vollziehen Regisseure üblicherweise nur, wenn sie wissen, dass ihr Thema aus sich heraus so stark ist, dass es keinerlei unterhaltendes Brimborium benötigt. In seinem formalen und inhaltlichen Ultrarealismus hat der Film über einige Strecken tatsächlich mehr mit einer Dokumentation mit Spielhandlung als mit der klassischen Drei-Akt-Dramaturgie einer Standard-Filmerzählung gemein.

Das dieser Film noch dazu kaum aus der Zeit seiner Entstehung zu lösen ist, wird spätestens bei folgender Anekdote klar: Ende der 1990er Jahre, also zu jener Zeit, als Warriors – Bosnien 1992 gedreht wurde, flogen britische Bomber im Rahmen des inzwischen tobenden Kosovo-Krieges, der bekanntlich ja ebenfalls eine der Nachwirkungen des bosnischen Bürgerkriegs war, Angriffe gegen Serbien und den Kosovo. Die serbische Schauspielerin Branka Katic, sie besetzte in Warriors – Bosnien 1992 eindrucksvoll die Rolle der Almira, rief während der Dreharbeiten jeden Abend ihre Mutter in Belgrad an, um zu überprüfen, ob diese noch am Leben war. Während also britische Bomben auf Belgrad fielen, spielte sie in dem vorliegenden Film eine mit einem muslimischen Intellektuellen verheiratete Bosnierin, die dabei war, sich in den britischen Lieutenant Feeley (Ioan Gruffudd) zu verlieben. Die Grenzen zwischen den Dreharbeiten und der Lebensrealität einiger Mitwirkender hatten sich also längst vermischt.

Da liegt es doch nah, in dieser Filmkritik auch den realen Vorgängen eine Beachtung zu schenken. Tatsächlich ist die Qualität von Warriors – Bosnien 1992 kaum einzuordnen, ohne sich mit seinem ihm zugrunde liegenden realen Szenario zu beschäftigen. Aber auch danach werde ich diesen Film weiterhin ein ums andere Mal in Relation zu den realen Vorgängen setzen müssen. Bei einem Film mit einem angenäherten dokumentarischen Charakter gebietet das, um ehrlich zu sein, alleine schon der Anstand. Versuchen wir einfach mal eine kleine Einführung.

Der damalige US-Präsident Ronald Reagan, der russische Präsident Michail Gorbatschow, der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, ein kleiner Teil (10%!) des selbsternannten „deutschen Volkes“ der DDR, oder der Schauspieler und Sänger David Hasselhoff (die Historiker sind sich da noch uneins), bereiteten 1989 den Boden, auf dem der angesichts der Demonstrationen auf der Straße unter Zeitdruck gesetzte Sekretär des ZK der SED für Informationswesen, Günter Schabowski, auf einer Pressekonferenz ein Dokument bezüglich einer in näherer Zukunft in Aussicht gestellten Reisefreiheit verlas. Als ein Journalist fragte, ab wann das denn gelte, überflog Schabowski suchend das Dokument, und sagte fahrlässigerweise: „Nach meiner Erkenntnis gilt das sofort, unverzüglich!“. Daraufhin wurde bekanntlich die innerdeutsche Grenze und die Berliner Mauer geöffnet. Wichtig in diesem Zusammenhang: Es wurde kein Schuss abgegeben! Es gab also wirklich keinen Grund zu wehleidigem Klagen. So weit, so bekannt.

Leider fielen infolgedessen in Osteuropa ganze Länder ins Chaos und waren für immer verloren. Beispielhaft hierfür stehen bekanntlich die ehemals prosperierenden Bundesländer Sachsen, Thüringen und auch Teile Mecklenburg-Vorpommerns. Als unübersehbares Mahnmal stehen sie bis heute für den sozio-ökonomischen Zerfall ganz Osteuropas. Waren es vor dem Zusammenbruch noch die drei gefühlt freiheitlichsten himmelgleichen Paradiese auf Erden, in denen Milch und Honig floss und bunte Einhörner in großen Herden auf saftigen Wildblumenwiesen grasten und auch die Feuervögel am Himmel glücklich zwitscherten, verwandelte sich nach dem Fall der Mauer die ganze Region schlagartig in eine nuklear verseuchte Todeszone, eine Ruß-graue und Zweitakt-Gemisch verpestete allwissende Müllhalde. Die Bewohner dieses plötzlich unerwartet lebensfeindlichen Schlacke Albtraums, gepeinigt und voller Sehnsucht nach ihrem alten Blümchenwiesen-Paradies, begegneten den Herausforderungen der neuen Lage bekanntlich erhobenen Hauptes und trugen die Hauptlast dieses Umbruchs stolz und tapfer auf ihren schmalen Schultern. Nein, trugen sie natürlich nicht, nur ein böser, böser Scherz. In Wirklichkeit wurde die blutige Rechnung dieser Veränderung natürlich von anderen, weniger „leidgeprüften“, europäischen Regionen übernommen. Hier lebten die echten Eisenfresser.

Je nachdem wen man fragt (und von welchen Interessen er geleitet ist), hatten sich Sozialismus und Kommunismus in Osteuropa Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre sehr wahrscheinlich durch Korruption, Mangelwirtschaft und den für eine sozialistische Planwirtschaft nicht zu bewältigenden Rüstungswettlauf mit dem Westen abgeschafft. Mag es für die betroffenen Menschen der ehemaligen DDR natürlich alles andere als ein Witz gewesen sein, nicht auf Augenhöhe wahrgenommen und für ihre Leistungen wertgeschätzt worden zu sein, lebten sie fortan aber dennoch in Sicherheit und waren am Leben. Keine zwei Flugstunden südöstlich vom Paradies kam es aber zu wirklich ernsthaften Konsequenzen dieser Umwälzungen. Nachdem die Sowjetunion in ihre Teilrepubliken zerfallen war, zeigten sich nun auch in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien erste Auflösungserscheinungen. Schon der Slowenien-Krieg zeigte auf, dass ein Zusammenhalt unmöglich geworden war. Aber auch die anderen Teilrepubliken Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro strebten nach Unabhängigkeit.

Schon seit einigen Jahren, und aus verschiedenen Gründen, war die damalige Regierung in Sarajevo nicht in der Lage, die längst überfälligen Reformen auch gegen Widerstände durchzusetzen, wodurch das Land in kleinteilige Interessensgruppen zerbrach. Die gemäßigten Kräfte hatten ihren Einfluss bereits verloren und als 1992 schließlich dunkle Wolken am Horizont aufzogen, stellte sich heraus, dass die Menschheit ihre zivilisatorischen Errungenschaften offenbar heillos überschätzt hatte.

Nationalisten und ambitionierte Faschisten aus allen politischen Lagern waren unter ihren Steinen hervorgekrochen und es wurde ganz schnell unübersichtlich. Und Serbien mit seiner historischen gewachsenen Vormachtstellung stellte sich die Frage, wer dazu gehört, und wer nicht. Diese Frage verknüpfte man unsinnigerweise mit der Zugehörigkeit zu einer Ethnie, den Glaubensrichtungen, sonstigen ideologischen Hirngespinsten oder, idealerweise, mit leicht verständlichen Lügen, welche die Ängste, die Missgunst und den Neid aller fütterte, wie immer. Da sich bei einfachen Lösungen in komplexen Lagen, hier wie dort, immer wieder der zivilisatorische Bodensatz der Menschheit zu einem dumpfen Mob zusammenfindet, damals natürlich noch analog, und auch analoge „Fake News“ unter dem viel ehrlicheren Namen „Lügen und Desinformationen“ bereits verfügbar waren, klopfte Serbien einfach mal an das Tor zur Hölle und begann schon 1990/1991 mit den ethnischen Säuberungen in den von ihnen besetzten Gebieten Bosniens und Kroatiens. Irgendwann fanden sich die üblichen eierlosen Feiglinge, und richteten in Sarajevo eine „Sniper-Alley“ für Zivilisten ein.

Die Implosion war brutal. Verschiedene ethnische Zugehörigkeiten mit teils hunderten Jahren unterdrückten Ressentiments trafen aufeinander, Bosnische Serben, serbische Kroaten, kroatische Bosniaken und sogar muslimische Mudschahedin. Nationalisten und Extremisten aller denkbaren und undenkbaren Glaubensrichtungen, sowie auch die (eigentlich) gemäßigten Kräfte, griffen zur Waffe und kämpften in paramilitärischen Freiwilligenverbänden in wechselnden Koalitionen mit-, meistens doch aber eher gegeneinander. Und natürlich wurden all diese irregulären Milizen auch noch von den Resten der einst so stolzen regulären jugoslawischen Armee bekämpft. Von 1992 bis 1995 kämpfte Jeder gegen Jeden, Bruder gegen Bruder, Nachbarn gegen Nachbarn und mit Verlierern auf allen Seiten. Es kam zu jeder vorstellbaren und unvorstellbaren Handlung, zu der Menschen in der Lage sind, zu Folter, sexualisierter Gewalt, Morden an Frauen und Kindern, eindeutigen und auch komplexen Kriegsverbrechen, offen oder verdeckt durchgeführten ethnischen „Säuberungen“, zu Massenmorden an Zivilisten. So hatten Tschetniks, also Mitglieder serbischer nationalistischer Guerilla-Kampfeinheiten, in der bosnischen Gemeinde Prijedor bereits 1992 angeordnet, dass muslimische und katholische Nicht-Serben ein weißes Band zu tragen hätten.

In der Folge wurden über 3.000 solchermaßen gekennzeichnete Muslime getötet, in Massengräber geworfen und verscharrt. Daraufhin kam es bei den Vereinten Nationen in New York zu unschönen Szenen. Bei der Entscheidungsfindung nach einer angemessenen Reaktion zerbrach die Vorstellung, die Wahl des Mittagessens in der UN-Kantine sei die schwierigste Herausforderung, die es hier zu bewältigen gäbe. Angesichts eines laufenden Völkermordes in einer Region, mit so vielen Spielern, die noch dazu unter russischem Einfluss stand, sahen die Vereinten Nationen nur eine Möglichkeit und brachten einen humanitären(!) Einsatz ohne(!) der Möglichkeit von Interventionen auf den Weg. Das hieß, dass die UN-Soldaten sich bei direktem Beschuss zwar selbst verteidigen durften, aber wenn vor ihren Augen Menschen ermordet werden, oder gar das Kriegsverbrechen einer ethnischen Säuberung verübt würde, dürften sie nicht eingreifen weil Kriegsparteien dies als Parteienahme(!) für eine spezielle Ethnie werten würden. Wohlgemerkt: Es waren die Kriegsparteien, die den Vereinten Nationen untersagten, der Zivilbevölkerung zu helfen, weil das dann eine Teilnahme an einer ethnischen Säuberung wäre! Also pochten die Vereinten Nationen auf Einhaltung des Neutralitätsgebotes des Einsatz-Mandates UNPROFOR. Nun war der Einsatz völkerrechtlich abgesichert. Eine gute Nachricht? Nein, ganz sicher nicht. Wenn nämlich direkt mit dem Tod bedrohte, verfolgte, gejagte, hilfesuchende Zivilisten (auch Kinder!) den Wirkungskreis eines derartig mandatierten UN-Fahrzeugs betreten, dann bietet es dieser schutzbedürftigen Person selbst bei einem bewaffneten Angriff keine bewaffnete Nothilfe, kein Asyl, keinen Schutzraum, keinen dauerhaften Beistand und keine proaktive Verteidigung, solange die Angreifer nicht direkt auf die UN-Soldaten feuern. Und selbst dann verteidigen die Soldaten nur sich selbst und nicht die Schutzbedürftigen. Ich finde ja, dass man diese wenig bekannte und verabscheuungswürdige Seite des Völkerrechts auf diesem Bild sehr gut erkennen kann.

Wir halten fest: Jemanden in Sicherheit zu bringen, wäre eine Parteinahme und eine Verletzung des Mandates. Der Befehl konnte also nur lauteten: „Beobachtung der Vorgänge, Hilfskonvois schützen und sichere Zonen einrichten“. Bei mindestens sechs teilnehmenden Bürgerkriegsparteien war dieses Rechtskonstrukt allerdings kaum beherrschbar, daher stellten diese selbstgesteckten Grenzen die Existenz der Vereinten Nationen damals durchaus zu Recht infrage.

In einem Anfall von Selbstüberschätzung hatten die UN-Juristen offenbar angenommen, dass das Hochhalten eines „Rasen betreten verboten“-Schildes in Form von weiß lackierten UN-Panzern verhindern würde, dass jemand den Rasen betritt. Dabei stand auch hier eigentlich längst fest: Je losgelöster Kampfeinheiten in einem Bürgerkrieg agieren, desto weniger halten sich gerade irreguläre Milizen oder Freischärler eher nicht an die grundsätzlichen Regeln der Genfer Konvention und lassen sich auch nicht von Strafen oder rechtlichen Konsequenzen für ihr Handeln abschrecken.

Die Vereinten Nationen ignorierten, dass das völkerrechtliche Werkzeug eines UN-Mandates erst nach(!) Abschluss von Kampfhandlungen eine Wirksamkeit entwickeln würde und so wurden zum vermeintlichen Schutz der Bevölkerung, vor allem aber unter Wahrung der Neutralität(!), Blauhelm-Soldaten in ein aktives Bürgerkriegsgebiet gesandt. Ohne weitere Befugnisse. Genauso gut hätte man in jedem Ort auch je einen LKW mit einer Ladung Reis und einen mit Trinkwasser abstellen können. Die hätten wenigstens einen echten Nutzen gebracht.

Noch heute zucke ich deshalb zusammen, wenn Politiker in Sonntagsreden das Völkerrecht bemühen, um ihren Handlungsunwillen zu kaschieren. Diese feinen Details, diese Zusammenhänge, waren es, die es mir letztlich schon damals unmöglich gemacht hatten, den Blick abzuwenden, diesen Film zu vergessen und zur Tagesordnung überzugehen… keine Chance.

Laut Pressebereichten hatten sich die britischen UN-Soldaten ursprünglich sogar auf ihren Einsatz gefreut, weil sie, entgegen ihrer ursprünglichen Ausbildung, endlich mal verhindern sollten, dass Menschen getötet werden. Im Einsatzgebiet angekommen, konnten sie dann gar nichts verhindern… sie fügten der Bürgerkriegs-Infrastruktur nur eine weitere Farbe hinzu.

Serious-Fact: Was die UN-Blauhelme ihrerzeit nicht durften, hätten reguläre Soldaten angesichts einer akuten Gefahr für Zivilisten durchaus gedurft: Eingreifen und die Gefahr unter Zuhilfenahme eines geeigneten Mittels abwehren. Und selbst Zivilisten hätten unter Zuhilfenahme eines verhältnismäßigen Hilfsmittels eingreifen und Nothilfe zur Abwehr einer drohenden Gefahr leisten dürfen. Bei einer Bedrohung durch bewaffnete Milizen, die einen Völkermord begehen und hierfür sogenannte „ethnische Säuberungen“ durchführen, sollten also doch wohl mindestens mittelschwer bewaffnete Sondereinsatzkräfte mit allen(!) Befugnissen und schwergepanzerten Fahrzeugen das Mittel der Wahl sein. Soweit meine unterkomplexe Vorstellung von „Richtig“ und „Falsch“. Denn bekanntlich lief es ja anders. Am 11. Juli 1995 wurde die Stadt Srebrenica nämlich von serbischen Truppen unter dem Kommando von General Ratko Mladić eingenommen. Unmittelbar nach der Erstürmung der Stadt ließ er sofort alle Männer und Jungen im wehrfähigen Alter zusammentreiben. Direkt unter den Augen von, zum Stillhalten befohlenen, niederländischen UN-Schutztruppen (sic!) befahl Mladić, 8.372 Bosniaken zu ermorden. Es war das schlimmste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Unter welchen Umständen dieses unscharfe Bild entstanden sein mochte, so entlarvend war es auch. So, wie auch Politiker verschiedener Parteien üblicherweise auch heute noch glauben, dass man auch die irrationalsten Ängste der Bürger ernst nehmen muss, oder Journalisten glauben, man müsse mit Faschisten Interviews führen und ihnen deshalb bei einem Waldspaziergang eine Bühne bieten, oder dem kurzsichtig dümmlichen „Wandel durch Handel“-Dogma bezüglich der deutschen Russland-Politik oder auch Intellektuelle, die glauben, man könne „Fake-News“-Gläubigen argumentativ mit Fakten beikommen, so glaubten seinerzeit auch die UN-Befehlshaber, dass es eine gute Idee sei, mit dem Kriegsverbrecher Mladić auf Augenhöhe zu sprechen. Es ist letztlich immer dasselbe: Die Fähigkeiten zum Kompromiss oder die Bereitschaft zum Gespräch, welche in der sicheren Umgebung eines Rhetorik-Leistungskurses auf einer Elite-Uni möglicherweise noch gut funktioniert haben, bedeutet nicht, dass diese Fähigkeiten die echte Welt zur Besinnung oder gar zu einer Verhaltensänderung bei etwaigen Kontrahenten führt. Noch dazu hat diese Form der Hybris der Beteiligten „in charge“ einen Preis, der nicht von ihnen selbst getragen wird. Als Ende 1995, kurz nach dem Massaker von Srebrenica, der Bürgerkrieg mit der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton endete, blieben nicht nur die freudestrahlenden Gesichter der Politiker zurück, sondern auch bis zu 2,2 Millionen heimatlos gewordene Menschen, die während des Bürgerkrieges auf der Flucht waren. Und angesichts von 100.000 Toten gab es natürlich auch mehrere hunderttausend untröstliche Angehörige. Nicht zu vergessen die 118 von 142 Gemeinden, die auch heute noch, 30 Jahre nach Ende des Krieges, großflächig mit aktiven Landminen verseucht sind. Und das wahrscheinlich noch auf Jahrzehnte.

Und ganz nebenbei: Es dauerte noch bis in das Jahr 2022, dass sich der niederländische Premierminister bei den in Srebrenica anwesenden eigenen Truppenteilen für die Befehle zum Nichteingreifen entschuldigte. Soweit der zugrundeliegende und ungefähre historische Hintergrund des vorliegenden Films.

Ein schweres Thema, zugegeben. Und ganz sicher kein Material für einen Unterhaltungsfilm, nach dem man beschwingt zu Bett gehen würde. Die Kampfhandlungen hatten gerade angefangen, als die BBC den Regisseur Peter Kosminsky beauftragte, sich dieses komplexen Projektes in aller Sachlichkeit und Präzision anzunehmen. Er brauchte knappe sieben Jahre für die Realisierung, davon alleine schon zwei volle Jahre, um die britische Armee von ihrer Mitwirkung zu überzeugen. Dabei war es zunächst vergleichsweise leicht: Es war „nur“ ein Problem der benötigten originalen Fahrzeuge. Aber dann sagte die britische Armee zu, acht Stück ihrer originalen FV510 Warrior-Schützenpanzer plus mehrerer Werkstattwagen für mögliche Instandsetzungen im Feld samt Mechaniker-Stab zur Verfügung zu stellen. Auf dem britischen Armeestützpunkt im niedersächsischen Bad Fallingbostel wurden die Fahrzeuge auf einen Zug verladen und sollten direkt zum Drehort in der Tschechischen Republik transportiert werden.

Anreisen sollten außerdem 40 Mitglieder der Royal Green Jackets, deren Infanterie-Regiment seinerzeit ebenfalls in Bosnien unter dem UN-Mandat tätig war. Das blieb nicht ohne Folgen. Da die Tschechische Republik gerade erst der NATO beigetreten war, gab es zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch Gesetze, die ausländischen Truppen das Betreten des Landes untersagten. Nach ein paar Telefonaten entschlossen sich Großbritannien und die Tschechische Republik zu einem gemeinsamen NATO– Manöver, dessen einziger Zweck es war, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem dieser Film gedreht werden konnte.

Die Mitglieder des Regiments waren bei den Dreharbeiten unbestritten eine unschätzbar wertvolle Quelle beim Realitätsabgleich ihres, aus „erster Hand“ kommenden Fachwissens. Nur an einem Tag ließen sich alle mitwirkenden Regiments-Mitglieder von den Dreharbeiten beurlauben. Es war jener Tag, an welchem der Regisseur Peter Kosminsky eine realistische Massengrab-Szene inszenieren wollte. Das war zu realistisch, zu nah an den Erinnerungen der immer noch traumatisierten Veteranen. Besetzt wurden außerdem Serbo-Kroatisch sprechende Schauspieler aus dem ehemaligen Jugoslawien, von denen einige ebenfalls noch persönlich vom Krieg betroffen waren.

In jedem denkbaren Fall ein absoluter Glücksfall. Ganz nebenbei wurde nämlich erreicht, dass sich die britischen Schauspieler Tom Ward (Captain Richard Gurney) Damian Lewis (Lieutenant Neil Loughrey), Ioan Gruffudd (Lieutenant John Feeley), Cal MacAninch (Sergeant Andre Sochanik), Matthew Macfadyen (Private Alan James) und Darren Morfitt (Private Peter Skeet) in ihren Rollen maximal isoliert und orientierungslos fühlten, als Fremde in einem fremden Land. Inklusive der sprachlichen Barrieren. So waren die echten(!) Übersetzungen der drei Schauspielerinnen Branka Katic (Almira), Sheyla Shekovich (Minka) und Jasmina Sijercic (Aida) kein dramaturgischer Selbstzweck sondern absolut notwendig für die Kommunikation.

Das folgende Bild aus dem Film zeigt die Dynamik dieser Kommunikationshölle recht gut. Welche Mittel zur Androhung hat ein vom Mandat amputierter Captain Gurney (Tom Ward/ links) eigentlich wirklich, wenn er unter Zuhilfenahme seiner Dolmetscherin Aida (Jasmina Sijercic/ mit dem Rücken zur Kamera) versucht, den Kontrollposten rechtsfrei agierender Milizen zu passieren? Natürlich nur eine mit aller Ernsthaftigkeit formulierte Bitte. Ganz so, als säße man im Plenarsaal.

Die Rolle der dolmetschenden Lehrerin Aida basierte übrigens auf der echten Lehrerin Aida Selmanagić, die damals im Rahmen der UN-Mission ebenfalls dolmetschte und direkte Zeugin des Massakers in Srebrenica war. Ihre Geschichte fand einige Jahre später auch in dem Film Quo Vadis, Aida (2020/ Jasmila Žbanić) internationale Anerkennung und wurde mit Preisen überschüttet (u.a. dem OSCAR für den besten fremdsprachigen Film 2021).

Einem Psychogramm gleich, beleuchtete Kosminsky am Beispiel dieser Menschen die Grautöne zwischen dem Mandat und den so limitierten Möglichkeiten des Eingreifens, den Realitäten des Völkerrechts, den militärischen Herausforderungen in einem laufenden Bürgerkriegsszenario und natürlich den Preis, den eine solche Menschenmühle fordert. Um alle Schattierungen dieses Anliegens möglichst effektiv zu transportieren, wählte er eine dramaturgisch viergeteilte, formal jedoch als TV-Zweiteiler konzipierte Erzählung, in welcher nur Bosnien als Handlungsrahmen konkretisiert wurde. Dieser Rahmen wurde dann mit fiktiven Protagonisten und Antagonisten belebt, deren hauptsächliche Charaktere zwar frei erfunden waren, deren Persönlichkeiten und Erlebnisse aber auf den Gesprächen mit mehr als 100 damals involvierten Blauhelm-Soldaten basierten.

Der britische BBC-Originaltitel Warriors ebenfalls klug gewählt, weil er nicht nur auf die namentliche Bezeichnung des im Einsatz verwendeten britischen Schützenpanzer-Typs anspielte, einem Stahlklotz mit klaustrophobischer Enge im Innenraum, sondern auch auf das seelische Dilemma der beteiligten UN-Soldaten, die aufgrund ihres eingeengten UN-Korsetts auf sich selbst zurückgeworfen waren und in ihrem Selbstverständnis dadurch alles andere als „Warriors“, „Kämpfer“, waren. Durch die europäische Brille betrachtet war der Realitätsschock des Filmes um einiges nachvollziehbarer, als beim strukturell verwandten Film Die durch die Hölle gehen (USA 1978) von Michael Cimino. Während Cimino in seinem Film damals weitestgehend bei den zivilen Problemen der zivilen Protagonisten blieb, respektive bei ihren Versuchen als Soldaten, angesichts des Kriegswahnsinns ihre Menschlichkeit zu bewahren, und hierbei sowohl das Einsatzmandat, als auch die verantwortlichen Befehlsketten nahezu vollständig ausgespart wurden, verortete  Kosminsky seine UN-Blauhelme hauptsächlich auf, im, oder am UN-weiß lackierten UNWarrior, einem trotz Maschinenkanone erschreckend schwach aussehendem Symbol des UN-Mandats, das nur den Soldaten Schutz bot und gleichzeitig humanistisches Handeln verhinderte.

Aber kein Licht ohne Schatten. Es war unübersehbar, dass Warriors – Einsatz in Bosnien aka Warriors – Bosnien 1992 beim Zuschauer ein grundsätzliches Interesse und eine solide Wissensbasis bezüglich dieses rechtlichen Offenbarungseides und der chaotischen Folgen des Befehls durch dieses politische Mandat voraussetzte. Eine Sorge, die ich dem interessierten Leser nun etwas abnehmen konnte. Ich kann es nicht oft genug betonen: Wir haben es hier mit einem absoluten „no-nonsense“-Film zu tun. Es gibt einfach kein Stück Würfelzucker, mit dem man die bittere Medizin leichter schlucken könnte. Aber dadurch störten hier auch keine unnötigen Einflüsse die Fokussierung oder die Konzentration.

Der Verwandtschaftsgrad mit dem amerikanischen Pendant beschränkte sich daher glücklicherweise vor allem auf die Erzählstruktur. Nicht, dass wir es bei Ciminos Film mit einem Unterhaltungsfilm zu tun hatten, war es dort das Ego und der blinde „Hurra“-Patriotismus, welche damals den tiefen Fall der Protagonisten einleitete. Wurde in beiden Filmen das Leben der Soldaten vor und während eines militärischen Einsatzes beleuchtet, löste sich Warriors – Bosnien 1992 allerdings von dem sonst in solchen Filmen abgehandelten Patriotismus und zeigte, wie das völkerrechtliche Mandat die Protagonisten sukzessive verändert. Gerade, weil hierbei alle künstlich hinzufügbaren Konflikte und Probleme vermieden werden konnten, erzeugte der britische Film eine Nähe zu den Figuren, die angesichts des Genres ungewöhnlich war.

Ja, Warriors aka Warriors – Einsatz in Bosnien aka Warriors-Bosnien 1992 mag eine reine TV-Produktion sein, aber er schaffte es dennoch (oder gerade deshalb?), den Zuschauer zu zwingen, vom reinen Konsumenten zunächst zu einem Beobachter, und schließlich zu einem Teil der Szenerie zu werden und so nicht nur die zunehmende Hilflosigkeit aller Beteiligten sondern auch das Leid der Zivilbevölkerung nachzuempfinden. Für sensible Naturen eine nahezu unerträgliche Perspektive.

Beim filmischen Einsatzbriefing brachte der UN-Kommandant die Spielregeln des Mandats dann auch folgendermaßen auf den Punkt: „Wir ergreifen keine Partei, wir bewegen keine Flüchtlinge. Wir sind nicht hier, um bei ethnischen Säuberungen zu assistieren. Wir sind nicht hier, um die ethnische Landkarte von Bosnien neu zu zeichnen… Sie (die Soldaten/ ed.) dürfen nicht feuern, es sei denn, Ihr Leben wird direkt bedroht!“. So lautete vielleicht nicht wort-, dennoch aber sinngemäß der Einsatzbefehl vor Ort.

Für alle Zivilgesellschaften weltweit sind das sehr schlechte Nachrichten, denn es würde bedeuten, dass UN-weiß lackierte Fahrzeuge, selbst mit aufmunitionierter Maschinenkanone, nur mit aufgetufftem ChiChi ausgestattetes Augenfutter-Füllmaterial für die Nachrichtensendungen der Welt sind. Sie sind echte Scheinriesen… je näher sie einem Konfliktherd kommen, desto weniger Befugnisse haben sie.

Wie weiter oben schon gesagt: Reguläre Armeen hätten jederzeit nicht nur die Freiheit, sondern sogar die Pflicht, einem Schutzsuchenden jegliche benötigte Hilfe in irgendeiner Form zu gewährleisten. Mit allen Mitteln. Und ja, es ist genau das, wonach es sich anhört: Jedwede pazifistische Theorie kann da nur an ihre Grenzen kommen und entwickelt sich sehr viel schneller in eine unterlassene Hilfeleistung, als den Vertretern dieser Ideologie klar sein dürfte. Adolf Hitler wurde jedenfalls nicht von Pazifisten gestoppt und auch Auschwitz wurde nicht von ihnen befreit.

So gibt es inzwischen längst kritische Think-Tanks, die sagen, dass in Bosnien sogar schon der Begriff der „Friedenstruppen“ falsch war. Obwohl die UN-Truppen in Verbindung mit diesem Einsatz recht oft als „Friedensstifter“ bezeichnet worden waren, war das vor Ort nicht einmal annähernd ihre Rolle. Zum einen, weil es keinen Frieden in Bosnien zu bewahren gab, und zum anderen, weil UNPROFOR natürlich nicht das Mandat hatte, einen Waffenstillstand durchzusetzen.

Auch ein Vierteljahrhundert nach diesen Vorgängen schämt man sich noch für das Versagen der Vereinten Nationen, deren vornehmste Aufgabe die Wahrung des Weltfriedens, die internationale Sicherheit, die Durchsetzung der Menschenrechte sowie der wirtschaftliche und soziale Fortschritt aller Völker ist. So steht es jedenfalls Schwarz auf Weiß in der UN-Charta. Im Bosnienkrieg fand Kapitel VII (Artikel 42) der UN-Charta, welcher den eingesetzten Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur „Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen“ erlauben würde, offenbar keine Berücksichtigung.

Sinngemäß steht dort übrigens auch: Wenn es in einem Gebiet Menschen gibt, die in irgendeiner Form repräsentiert werden oder wurden, dann haben sie auch schützenswerte Menschenrechte. Wenn aber ein wie auch immer lautendes UN-Mandat, dessen Inhalt nach individuellen politischen Interessen der Mitgliedsstaaten der UN-Vollversammlung formuliert wurde, den betroffenen Menschen eines zerfallenden Landes aber den Schutz versagt, stehen UN-Mandate dann nicht plötzlich über den Menschenrechten? Wäre dem so, dann wären belastbare oder bindende Menschenrechte faktisch nicht existent. Mit anderen Worten: Viel Glück und lauf schnell.

Dieser Filmscheute sich zu keinem Zeitpunkt, die düstere Seite des Völkerrechts, und die Abgründe dieses speziellen Einsatzes in aller Genauigkeit und Brutalität zu zeigen. Gnadenlos fing die immer perfekt positionierte Kamera dieses TV-Filmes auch den abscheulichsten Kriegsalltag ein. Die schlimmste Erkenntnis ist dabei, dass all diese Szenen „eins zu eins“ aus den Erzählungen stammten, die Regisseur Peter Kosminsky mit Bosnien-Veteranen führte und er hatte den Mut, die Zuschauer mit einem herzzerreißenden, erschütternden und gnadenlosen Hyper-Realismus und den Konsequenzen für die Zivilbevölkerung zu konfrontieren. Er erlaubte auf diese Weise, dass man die Perspektive der zum Zuschauen degradierten UN-Soldaten einnehmen konnte. Heute könnte man Filme mit dieser Schonungslosigkeit wahrscheinlich nur an einer Hand abzählen. Aber nur an einer, an der bereits drei Finger fehlen.

Anhand von UN-Inspektoren vor Ort, von Beobachtern, die sich nicht für die Realitäten vor Ort interessierten, sondern nur die Einhaltung des Mandates überwachten, zeigte Warriors – Bosnien 1992 eindrucksvoll, wo die Grenzen des westlichen Rechtsverständnisses verliefen. Was für jeden Menschen bei klarem Verstand eine Selbstverständlichkeit darstellt, wurde hier ad absurdum geführt. Unübersichtliche Situationen als solche einzuschätzen und den Schutzstatus über einzelnen Bevölkerungsgruppen auszurufen, gehörte nämlich nicht zu den Aufgaben der UN-Inspektoren. Wohl aber, die UN-Soldaten immer wieder daran zu erinnern, dass es jetzt ihnen(!) verboten war, „den Rasen zu betreten“. Die UN-Soldaten waren seit ihrer Ankunft letztlich nur Schachfiguren in einem fehl-, weil interessengeleiteten Spiel der Weltpolitik.

Die letzte erzählerische Parallele zu Michael Ciminos Epos Die durch die Hölle gehen bestand in der Beleuchtung der psychischen Konsequenzen für die heimgekehrten UN-Soldaten nach dem Einsatz. Vollkommen unprätentiös zeigte auch der englische TV-Filmnach England heimkehrende Soldaten, die außerstande waren zu verstehen, was mit ihnen passiert war, sowie Angehörige, die mit dieser Situation überfordert waren. Zum Beispiel, dass da ein traumatisierter Fremder aus einem sinnlosen Einsatz zurückgekehrt war. Und nicht nur das. Zu Hause trafen die Heimkehrer natürlich auch auf die kalte Verständnislosigkeit einer kleingeistigen, und mit provinziellen Wohlstandsproblemen beschäftigten Zivilgesellschaft, die sich angesichts eines einzigen wahren Satzes schon belästigt fühlte. Erinnert das eigentlich nur mich an die gegenwärtigen Diskurse?

So, wie Individuen heute ebenfalls in ihren „Bubbles“ verharren und andere Meinungen hinausdrängen, verstärkte die gesellschaftliche Ablehnung das Gefühl der Isolation bei den Heimkehrern im Film nur noch weiter. Mit diesem Bezug zur Gegenwart könnte man allerdings fast vergessen, dass all diese Kollateralschäden noch zu einer Zeit stattfanden, als posttraumatische Belastungsstörungen und die Möglichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung noch gar nicht so sehr im Zentrum der Aufmerksamkeit standen.

Der Filmdienst schrieb über Warriors – Einsatz in Bosnien seinerzeit daher völlig zu Recht: „Ein ergreifendes Fernsehspiel von dokumentarischer Genauigkeit, das auf alles Spekulative verzichtet und in seinen Einzelbeobachtungen den Atem stocken lässt!“.

Dem kann man wirklich kaum etwas hinzufügen; der Film erzeugte nicht nur Mitgefühl beim Zuschauer… er erzeugte auch Wut darüber, weil Politik die Situation unterschätzt hatte. Und auch, weil die Vereinten Nationen für diese Gemengelage schlicht die falschen Instrumente in der falschen Tonlage zur Verfügung gestellt hatten. Egal, wie das Mandat von UN-Juristen ausformuliert wurde: Aus der Perspektive der betroffenen Zivilisten vor Ort war es mindestens eine unterlassene Hilfeleistung, wenn nicht gar Beihilfe zu einem Völkermord! Dieses defizitäre UN-Mandat galt also bereits bei der britischen Uraufführung des Filmes als schändliches Beispiel für ein politisches Versagen.

Die Leistung dieses meisterlichen Filmes bestand damals, und besteht auch heute noch, in der gradlinigen Aufarbeitung dieser brutalsten Form einer externalistischen Handlung, bei der die Entscheidungen mehrerer Parteien einmal mehr zulasten von unbeteiligten Parteien gingen.

Die politische Unfähigkeit zur Analyse der Lage hatte das Leid der Zivilbevölkerung multipliziert und die eigenen UN-Blauhelme seelisch deformiert. Wahrscheinlich unbeabsichtigt, zeigte der Film, wie leicht das Völkerrecht ausgehebelt werden kann und was dann mit den Beteiligten passiert.

Kommen wir nun zum Bild und zum Ton der vorliegenden Blu-ray. Angesichts der Entstehungszeit des Originalmaterials sollte das Bild eigentlich grobkörnig und somit angemessen verrauscht sein. Leider dachte man sich, dass das nicht zeitgemäß sei, und trieb hier sehr wahrscheinlich eine alte VHS-Kassette durch einen Topaz AI oder Nero AI Video-Upscaler. Leider hat dieses Vorgehen einige Spielszenen im ersten Filmdrittel etwas beschädigt, was man anhand schauderhaft verzerrter Darstellergesichter leider auch allzu deutlich erkennen kann. Der Upscaler scheint vor allem in beleuchtungsarmen und unscharfen filmischen Bereichen so seine Schwächen zu haben, ebenso bei den Konturen menschlicher Gesichter, die sich in einer Bewegungsunruhe befinden, sowie Haaren und Augen. So gibt es u.a. eine Szene, in welcher die Kopfbehaarung eines Kommandanten beim Briefing der Truppe in eine Plastikoberfläche „skaliert“ wurde, die sogenannte KI errechnete also etwas, was gar nicht da war, weil das Ausgangsmaterial es einfach nicht hergab. Das Ergebnis erinnerte frappierend an den Plastikschopf einer Big Jim-Actionfigur aus den 1970er/1980er Jahren. Überraschend gruselige Abwechslungen versprachen da natürlich jene Szenen, in welchen man plötzlich aus zweidimensionalen Augen „angestarrt“ wurde. Weil der verwendete Upscaler diverse Probleme mit den Abgrenzungen der Hell/Dunkel-Bereiche von Augen hatte, „rechnete“ er sich diese Bereiche manchmal mit asynchron „zuckenden“ Augenlidern zurecht. Im Einzelfall neigte das Programm auch dazu, sich einfach mal einen weißen Ring um die Iris der Augen des Schauspielers „auszudenken“.

Verdient hätte der Film allerdings eine professionelle und letztlich gesamtheitliche Restauration in Zusammenarbeit mit der BBC, denn zusammen mit No Mans Land (2001/ Danis Tanovic), Welcome to Sarajevo (1997/ Michael Winterbottom) und Quo Vadis, Aida (2020) ist er ist eindeutig einer der besten, wenn nicht sogar der beste Film zu diesem unbequemen Thema, sogar als TV-Produktion.

Zur deutschen Tonspur gibt es zu sagen, dass es schön ist, dass sie, woher auch immer sie kam, überhaupt vorlag. Leider bildet diese Spur aber nur die hohen Tonfrequenzen ab und zeichnet sich durch die völlige Abwesenheit von hörbaren Bässen oder Subbässen aus, auch im Score. Das Hinzuziehen eines Tonmeisters hätte hier sicherlich Wunder gewirkt, in den leiseren Passagen sorgte gar ein kaum vernehmbares Hintergrundrauschen für schöne Erinnerungen an die analoge Ära. Aber selbst die wenigen Szenen, in denen der Ton nicht ganz synchron zum Bildmaterial lief, konnte mich nicht abschrecken; mehr noch: Nach einer kleinen Eingewöhnungszeit in Verbindung mit dem gleichzeitigen Absenken der eigenen Qualitätsansprüche und der Nutzung eines Over-Ear Kopfhörers konnte man, zu meiner großen Überraschung, aber auch diese Version recht gut schauen. Was aber auch daran liegen könnte, dass der Film in den letzten 25 Jahren absolut nichts von seiner emotionalen Wucht verloren hatte. So nehme ich diese Auslieferungsversion mit dem Charme eines Prototypen genauso an, wie ich es bei der Erstauflage eines Buches tun würde, bei welchem der Buchbinder mehrere Bindungen vertauscht hat. Sicherlich wird es dem Normal-Zuschauer, der mindestens eine seelenlos glatte HD-Qualität auf QLED TV-Geräten und einen durchdesignten Ton gewohnt ist, etwas schwerer fallen, bei der vorliegenden Version konzentriert zu bleiben und der Geschichte zu folgen, aber -hey- es hat ein Vierteljahrhundert bis zur digitalen Erstauflage mit deutschem Ton gedauert. Und alleine deshalb ist diese Blu-Ray Version bereits weitaus besser als gar keine Version.

Vielleicht sollte ich Warriors – Bosnien 1992 auf einem alten Röhrenfernseher ansehen, damit die fiesesten KI-Bildverzerrungen vom Bildrauschen der Kathoden wieder verschluckt werden. Ich denke, dass dieses Vorgehen heute am ehesten an jenen Eindruck heranreichen würde, welchen dieses harte Thema seinerzeit hinterlassen hatte. Aber was auch immer man vorzieht, vergessen wird man diesen Film ganz sicher nicht.

Noch ein Wort zum tollen Layout des Blu-Ray-Covers:

Die alte, fast schon vergessene, jugoslawische Flagge hinter den beiden UN-Soldaten im Profil… dieses Cover hätte an der Tipp-Wand meiner alten Videothek sicherlich großartig ausgesehen. Und da es seit dem Verschwinden meiner VHS-Kassette ein unübersehbares Loch in meiner Sammlung der besten politischen Filme aller Zeiten gab, steht dieses intelligente Meisterwerk seit heute an meiner privaten (ex-Videothek) Filmtipp-Wand, wo er nun ebenfalls großartig aussieht. Von dort kann er nun wenigstens schon mal regulierend auf meine ganz persönlichen kleingeistigen und provinziellen Wohlstandsprobleme einwirken.

Und wenn der stumpfsinnige Rest der kleingeistigen und mit provinziellen Problemen kämpfenden Welt es zulässt, reaktiviere ich vielleicht morgen mal einen meiner eingelagerten Röhrenfernseher.

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