Die professionellen Filmkritiker des Feuilletons haben vor 24 Jahren kaum ein gutes Haar an diesem Film gelassen. Kein Wunder, denn Howard Deutchs Film ist ein reiner Vertreter des formelhaften Entertainments und ungefähr genauso langlebig und überraschend, wie ein Wassertattoo für Kinder aus der Juniortüte. Oder ein Sammelbildchen aus dem Hanuta. Beides ist kein großer Wurf, dennoch kann beides die Menschen bespaßen. So auch dieser Film, der inhaltlich und musikalisch ein bunt-schimmernder Gruß der späten 1990er ist und einen Soundtrack besitzt, bei dem Marky Mark und M/A/R/R/S gelistet werden. Echtes Retro-Kino also, mit zwei völlig unterforderten Stars prominent besetzt und einem Gute-Laune-Drehbuch, das seinen Namen nicht verdient und auf einen abgekauten Fingernagel passt. Intellektuell auf verbuttertes Popcorn heruntergebrochen, vermag der Film – gerade ob seiner völligen Vorhersehbarkeit – dennoch zu unterhalten. STUDIOCANAL brachte den Klassiker der völligen Anspruchslosigkeit nun auf Blu-ray heraus.
Originaltitel: The Replacements
Regie: Howard Deutch
Darsteller: Keanu Reeves, Gene Hackman, Orlando Jones, Jon Favreau, Rhys Ifans, John Madden, Brook Langton, Jack Warden
Artikel von Kai Kinnert
Die Washington Sentinels haben ein Problem: Ihre professionellen Spieler streiken! Jimmy McGinty (Gene Hackman), ein ehemaliger Coach der Sentinels, wird wieder zum Dienst berufen, um ein Team aus Ersatz- und Amateurspielern aufzustellen, damit die Sentinels die Saison wenigstens beenden können. Ex-Quarterback Shane Falco (Keanu Reeves), der bislang „nur“ im College Football gespielt hat, wird eingeladen und muss, zusammen mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe, etablierten Teams der NFL gegenübertreten, denn die Mannschaft steht vier Spieltage vor der Play-Off-Runde und unbedingt gegen die Dallas Cowboys bestehen, im in die Play-Offs zu kommen.
Angeblich beruht der Film auf einer wahren Begebenheit, wobei hier nur der Umstand gemeint ist, dass eine Ersatztruppe aus Amateuren und Ehemaligen die NFL-Saison zu Ende brachten und so die Profis zurück aufs Feld gezwungen wurden. Im Grunde engagierte man Streikbrecher und lies diese dann auf den Rasen. 1982 und 1987 kam es zu Streiks in der NFL, wobei nicht klar ist, ob der Einsatz der Streikbrecher in beiden Streiks auch sportliche Erfolge mit sich brachte. Aber das ist auch unwichtig, denn Kernidee des Films ist eine uramerikanische Verliebtheit: die der zweiten Chance! Ängste überwinden, aufstehen, zusammenreißen, kämpfen und gewinnen, das lieben die Amerikaner. Genau mit dieser Aussage endet dann auch der Film, was zugleich auch der beste musikalische Moment dieser pubertären Wundertüte für Jungs ist: David Bowies „Heroes“ setzt ein und untermalt im Abspann die tiefenpsychologische Schrifttafel über Sportler, die schon immer von einer „zweiten Chance“ träumten: „Diese Sportler bekamen die Chance für einen Tag – und sie nutzten sie!“ Schnief!
Das Drehbuch besteht nur aus einer Aneinanderreihung von dramaturgischen Abziehbildern, ohne dass man etwas daraus machen würde und ohne das die Andeutung einer Handlung irgendeine Bewandtnis hätte. Nichts spielt eine Rolle, keine Figur entwickelt sich. Warum auch, geht es doch nur um Football. Gene Hackman konnte seine Figur mit der Hand in der Tasche spielen und bemüht dabei nur sein mildes Großvaterlächeln, ansonsten fasst er sich mal an die Stirn, ballt die Faust, lächelt oder gibt Plattitüden von sich, gerne alles auf einmal. Keanu Reeves lebt auf einem Boot und hat ansonsten nur die Angst, im entscheidenden Augenblick zu versagen, was, man Staune nun, dann auch für fünf Sekunden im Film eine Rolle spielen wird. Ansonsten darf Keanu Reeves charmant Lächeln, Bälle werfen und am Ende die Cheerleaderin küssen. Damit sich die Frauen in so einem Film nicht langweilen, gibt es eben diese Andeutung einer Lovestory zwischen Reeves und der Cheerleaderin, was von der Regie derartig belanglos „zusammengeklebt“ wird, dass kein Charme aufkommt. Warum auch, spielt hier doch sowieso nichts eine Rolle, alles ist nur ein Abziehbildchen aus dem Handbuch für Instant-Filme und konzentriert sich vollends auf den eigentlichen Grund des Films: dem Spiel.
Und da begann für mich das Entertainment. Von Football habe ich wirklich keine Ahnung, wohl aber von Bewegungsdynamik im Bild und gerade da kann Helden aus der zweiten Reihe bestens unterhalten. Der große Vorteil dieses filmischen Machwerks ist sein Tempo! ZackZack geht es voran! Daher auch die ganzen dramaturgischen Abziehbilder „drumherum“ – man wollte schlichtweg keine Zeit verlieren und zum Wesentlichen kommen. Dem Spiel. Kein Drama, kein Story-SchnickSchnack um Vereine, Befindlichkeiten und Macken der Stars, kein nerviges Schnittgewitter, kein langes Warten auf Action und Spielzüge, gleich rauf auf den Platz. Mich nerven Sportfilme, die wenig Sport zeigen, Spiele nur kurz andeuten und sich mit dem Rest der Laufzeit um irgendwelchen dramaturgischen Mist kümmern, nur damit man als Zuschauer irgendeiner dämlichen Vereins- und Trainermentalität folgen kann.
Das dachte sich Regisseur Howard „The Duck“ Deutch auch und schon findet man sich nach gefühlten sieben Minuten Exposition gleich auf dem Platz wieder und bleibt dort bis zum Abspann. Dabei gibt es allerlei Gags zu bewundern, die irgendwo zwischen präpubertären Pennäler Humor und gelungenem Schmunzler changieren. Der beste Mann auf dem Platz ist für mich „Bateman“ (Jon Favreau), ein grunzend-dämlicher Kampfgolem, der seine Gegner auch roh auf dem Platz verspeisen würde, gäbe man ihm den Befehl dazu. Die Gags um Bateman sind allesamt vorhersehbar – aber dennoch witzig. Das Kuriose ist, dass Jon Favreau hier zwar als tumber Kampfkoloss über den Platz walzt, im echten Leben allerdings nicht nur Schauspieler, sondern auch Regisseur ist. Auf sein Konto gehen Filme wie Iron Man 1 und 2, sowie die Realverfilmungen von The Jungle Book und König der Löwen.
Helden aus der zweiten Reihe ist so originell und abwechslungsreich wie 23 hintereinander gegessene Cheeseburger von McDonalds. Manchmal kann so etwas schmecken, alles nur eine Frage des temporären Grundbedürfnisses und der mentalen Bereitschaft. Für mich hatte es an dem Abend gepasst. Der Film verliert keine Zeit mit Handlung oder originellen Ansätzen und hat dabei alle filmischen Ideen des Stadions verwiesen. Dafür gibt es Spielzug um Spielzug. Der Film geht 119 Minuten und verbringt gefühlte 98 davon auf dem Platz. So muss es sein! Helden aus der zweiten Reihe ist ein reiner Football-Party-Film, der schlichtweg nur „Gute Laune“ verbreiten will und keinerlei andere Ansprüche verfolgt. Und auf diesem Level funktionierte der Film für mich sehr gut. Dämlich, aber unterhaltsam!
Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ebenso. Als Extras gibt es einen Audiokommentar von Regisseur Howard Deutch, ein Interview mit Keanu Reeves, Making Of, ein Interview mit Orlando Jones, die Featurette Football: (ungeschriebene) Regeln und Kinotrailer.
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