Ein Killer, ein Tarnanzug, ein schwarzer Motorradhelm, viele junge Leute und eine Nagelpistole – das sind die Zutaten für den 1985 entstandenen Undergroundfilm „Nail Gun Massacre – Blutgericht in Arizona“. Nicht mehr und nicht weniger brauchen die Regisseure Terry Lofton und Bill Leslie, um ein absolut sinnbefreites und geschmackloses Trashfest zu veranstalten. Ob es sich lohnt, dieses Machwerk, das unter Kennern immerhin einen gewissen Kultstatus erlangt hat, zu Gemüte zu führen oder ob dies nur eine tragische Verschwendung von Lebenszeit ist, soll hier kurz herausgefunden werden. ASTRO RECORDS & FILMWORKS haben den Streifen jedenfalls unzensiert mit einer FSK 16-Freigabe durchgeboxt.
Originaltitel: The Nail Gun Massacre
Alternativtitel: The Nailgun Massacre – Blutgericht in Arizona
Regie: Terry Lofton, Bill Leslie
Darsteller: Rocky Patterson, Ron Queen, Beau Leland, Michelle Meyer
Artikel von Philipp Locher
Irgendwo in Arizona. Eine junge Frau liefert Baumaterial an eine Baustelle aus. Daraufhin wird sie von den lüsternen Bauarbeitern in der Gruppe vergewaltigt. Kurze Zeit später beginnt eine Mordserie. Ein mysteriöser Killer in einem Tarnanzug, mit einem Motorradhelm und einer Nagelpistole bewaffnet beginnt damit, die an der Vergewaltigung Beteiligten mit seinem Druckluftgerät „abzunageln“. Und so dezimiert sich allmählich, aber stetig die Zahl männlicher und endlos lüsterner Twentysomethings. Zum Showdown in einem Tagebau geht es dann nochmal richtig rund und der Zuschauer muss feststellen, dass er ganz perfide auf eine falsche Fährte gelockt wurde…
Nail Gun Massacre – Blutgericht in Arizona hat es nicht nötig, sich irgendjemandem anzubiedern, schon gar keinem Zuschauer. Selbst das Wort Publikum verbietet sich hier, denn hart an der Zuschauerbeleidigung vorbeigeschrammt, kümmert sich der Film nicht mal vernünftig um sich selbst. In seiner von der Grundidee ausgehenden Schlichtheit wird hier ordentlich tief gestapelt was Handlung, Figuren und Schauspiel angeht. Apropos Schauspiel: Alle Schauspieler wurden damals von verschiedenen Schauspielschulen gecastet. Was ein schauspielerischer Vorgang ist, stand bis dahin anscheinend noch nicht auf dem Lehrplan. Zu ihrer Verteidigung muss man sagen: Die Dialoge geben zum Spielen auch nichts her. Im Bonusmaterial schließlich zeigt sich Terry Lofton, der 2011 an den Folgen seiner Diabeteserkrankung gestorben ist und noch bis ins Jahr 2005 Filme gemacht hat, regelrecht verdutzt, dass er für eine einzige Dialogszene zu Beginn des Films einen ganzen Tag gebraucht habe. Herzlich willkommen in der Welt des Filmemachens, Herr Regisseur. Darüber hinaus sind in diesem 8000 Dollar schweren Erguss männlicher Rachefantasien beinahe alle Frauen entweder beständig halb oder ganz nackt, willig und den Bedürfnissen der pubertären Halbmännlichkeit sexuell treu ergeben. Diese erprobt hier nämlich, wenn sie nicht gerade mit Nagelpistolen auf der Baustelle Krieg spielt, neue plumpe Überredungstechniken, die die holde Weiblichkeit möglichst widerstandslos zu Sex im Wald oder Sex auf der Motorhaube bewegen soll. Aber willig sind sie ohnehin. Da kann man sich fragen, warum der Streifen von 1998 bis 2017 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert war, denn selbst im Jahre 1985 kann das alles nicht ganz ernst gemeint gewesen sein. Oder etwa doch? Die Kills sind alle sehr unspektakulär. Nach meist einem Schuss aus der Nagelspritze wird mithilfe eines waghalsigen Schnitts auf das erlegte Opfer ernsthaft erzählt, diesem einen Schuss seien noch mehrere äußerst tödliche Hochgeschwindigkeits-Metallstifte gefolgt. Dass diese nur aus Gummi bestehen, wird mit einer kleinen Berührung ins Gesicht des Opfers allzu schnell deutlich. Von einer bewussten Arbeit mit Einstellungsgrößen kann auch nicht die Rede sein. Als besonderes Bonbon sei an dieser Stelle auch die alte Dame im Krämerladen erwähnt, die ihren Text sichtlich von der Wand abliest und anschließend direkt in die Kamera schaut, sich Bestätigung erhoffend, ob sie denn auch alles richtig gemacht habe. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass es sich hier um die Großmutter des Regisseurs handelt. Die dafür besetzte Schauspielerin erschien schlichtweg einfach nicht zum Dreh. Summa summarum kann festgestellt werden, dass es sich bei Nail Gun Massacre – Blutgericht in Arizona um ein No-Budget-Projekt par excellence handelt.
Und damit habe ich genug Bashing betrieben, denn ich habe mir das Werk in der deutschen Synchro angesehen. Diese ist selbstredend furchtbar und ich möchte beschönigend sagen: sehr frei übersetzt. Aber was mit mir passierte war etwas ganz Erstaunliches: Plötzlich saß mein elfjähriges Ich vor dem Bildschirm. Samstagnacht um halb zwei. Im Schlafanzug. Ganz aufgeregt, wegen der weiblichen Nacktheit und der Gewalt. Gespannt wie ein Flitzebogen darauf lauschend, ob ein Schlüssel in die Haustür gesteckt wird und Mama und Papa nach Hause kommen. Und jedes Mal wenn der Sat1-Ball die Werbung ankündigte wie in dem Film die Musik den Killer, fühlte ich mich um fünf Minuten meiner Zeit betrogen. Allein deswegen hatte ich nicht übel Freude.
Wer 80er-Jahre-Trash liebt, der ist mit dieser Veröffentlichung mehr als gut beraten. Das ist eben Schrott, der zu seiner Zeit ernst gemeint war und das verleiht ihm eine gehörige Portion Charme. Nichts ist hier auf Trash hin produziert. Nichts ist hier als Spaß gemeint. Das will ein richtiger Film sein, ist aber an der Umsetzung gescheitert. In meinem Lieblingskino gibt es die Veranstaltungsreihe „Wir Kinder vom Bahnhofskino“. Reden, raus- und reingehen sind ausdrücklich erlaubt. Ab und zu kommt Kinopersonal und verteilt Schnäpse. Dort gehört Nail Gun Massacre – Blutgericht in Arizona definitiv hin.
Die ungeschnittene Veröffentlichung von Astro Records & Filmworks, die mir vorliegt, kommt in deutscher und englischer Fassung ohne Untertitel. Beide Fassungen liegen auch in einer 16:9-Variante vor, die beide gut aussehen. Als Extras bekommt man den Trailer in Englisch und Deutsch, eine Bildergalerie, das Making-Of „Nailed“ und ein Behind-The-Scenes, sowie ein Wendecover ohne FSK-Logo.
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