Besser spät als nie! Das denken sich vermutlich jene Filmfans, die seit Monaten auf eine physische Veröffentlichung von FARANG – SCHATTEN DER UNTERWELT (2023) warten. Der knüppelharte Martial-Arts/Rache-Reißer von Regisseur Xavier Gens sorgte bei seinem zugegeben eher kleinen Kinostart im November des vergangenen Jahres für ein äußerst Presseecho, erschien im Februar allerdings ausschließlich digital. Nun hat Studiocanal dem Film doch noch eine verspätete Veröffentlichung spendiert, u.a. als 4K-Mediabook. Ob es sich bei dem in den USA als MAYHEM! betitelten Klopper um eine neue Offenbarung für Freunde knallharter und vor allem körperlicher Action handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Farang

Drehbuch: Xavier Gens, Guillaume Lemans, Magali Rossitto

Regie: Xavier Gens

Darsteller: Nassim Lyès, Loryn Nounay, Olivier Gourmet, Chananticha Tang-Kwa, Vithaya Pansringarm, Sahajak Boonthanakit…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Der inhaftierte Profiboxer Sam (Nassim Lyès) durfte gerade wegen guter Führung das Gefängnis verlassen. Aber noch während seiner Bewährung wird er von seiner Vergangenheit eingeholt und muss abtauchen. Fünf Jahre später hat er sich mit seiner Frau Mia (Loryn Nounay) und der gemeinsamen Tochter Dara auf einer Insel in Thailand ein einfaches Leben aufgebaut. Durch einen Freund lernt er den zwielichtigen Clananführer Narong (Olivier Gourmet) kennen, der Sams dunkle Vergangenheit kennt und ihn damit erpresst. Sam soll für ihn eine Drogenlieferung übernehmen. Doch die Situation eskaliert und endet mit der Ermordung von Sams Familie… Ein erbarmungslosen Rachefeldzug quer durch Thailand beginnt.

Filme wie FARANG – SCHATTEN DER UNTERWELT sind im Prinzip genau meine Kragenweite, denn für jemanden, der auch dem bescheidensten Vehikel etwas abgewinnen kann, hat eine dynamisch inszenierte Kampfsport-Szene etwas magisches. Immer dann, wenn Schläge und Tritte auf gegnerische Körper treffen und dies in eine temporeiche wie abwechslungsreiche Choreographie mündet, bei der auch noch die Kamera genau weiß, wo sie zu stehen hat, dann löst das immer wieder Freude in mir aus. Umso euphorischer war ich, als plötzlich zahlreiche positive Kritiken zu dem hier vorliegenden, französisch-thailändischen Actionfilm eintrudelten.

Und tatsächlich hält FARANG was er verspricht, wenn auch erst in der zweiten Hälfte. Zuvor wird der blutige Rachefeldzug erst einmal aufgebaut, man nimmt sich Zeit für die Charaktere und die Geschichte, die jedoch etwas ernüchternd ausfällt. Für den Film haben sich Xavier Gens und seine Autoren die wirklich abgedroschenste Story aus der Mottenkiste für One-Man-Army-Rachefeldzüge ausgesucht, die das Kino so hergibt. Ehemaliger und nun geläuterter Krimineller wird von der Vergangenheit heimgesucht, lässt sich auf die falschen Leute ein, ein eigentlich simpler Auftrag, den der Protagonist natürlich nur zum Wohl seiner Familie annimmt, geht ordentlich schief und schlussendlich wird die Ehefrau gekillt und unsere Hauptfigur zum Sterben zurückgelassen. Diese rappelt sich nun auf, um die Bösen zur Strecke zu bringen und um somit Rache zu üben. Tatsächlich könnte man meinen, dass es sich hierbei um ein Skript für einen x-beliebigen DTV-Klopper handelt, welches man aus dem Papiermülleimer von Scott Adkins oder Dolph Lundgren gefischt hat. Umso schwieriger ist es für den Zuschauer, sich auf die Geschehnisse einzulassen, lassen sich doch sämtliche Plot-Points vorhersagen, insbesondere das Ende des Films. Da wirkt es schon etwas fragwürdig, wenn sich Xavier Gens, bis auf einen kurzen Ringkampf, über 40 Minuten mit der Bambule zurückhält. Zumindest aber wirkt die ganze Veranstaltung ausreichend authentisch, bediente sich der Filmemacher doch auffällig beim Neorealismus, besteht ein Großteil der Besetzung doch aus Laiendarstellern, die mehr oder weniger sich selbst verkörpern, vom Knastbruder zu Beginn bis hin zu den Kämpfern im späteren Verlauf des Films. Alles wirkt trotz vorhersehbarem Verlauf irgendwie greifbar, was ein zusätzliches Plus darstellt.

Aber spätestens wenn sich „Sam“ nach einer knappen Dreiviertelstunde aufmacht, fiesen Unholden die Knochen zu brechen, dann hat Gens so richtig auf die Kacke. Der französische Regisseur und Autor, der mit FRONTIER(S) (2006) erstmals auf sich Aufmerksam machte, führte zuvor nämlich bei ein paar Episoden der Gangster/Action-Serie GANGS OF LONDON (seit 2020) Regie, die bekanntlich von Gareth Evans konzipiert und produziert wurde, der mit THE RAID (2011) und THE RAID 2 (2014) zwei moderne Actionmeisterwerke geschaffen hat. Anscheinend hat sich Gens ein wenig bei Evans abgeschaut, nicht von ungefähr erinnern die Auseinandersetzungen in FARANG an die kompromisslosen Fights in den beiden indonesischen Kampfsport-Knallern. Zwar geht es hier etwas weniger elaboriert zu und auf wirklich ausladende Kämpfe muss man dennoch verzichten, in Sachen Regie, Choreographie und Brutalität muss sich der Streifen allerdings nicht verstecken. Wenn Hauptdarsteller Nassim Lyès wie eine Abrissbirne durch seine Gegner fegt, zeigt sich FARANG wenig zimperlich. Köpfe werden weggeschossen, Kehlen aufgeschnitten, sowie Beine und Arme mit Messern durchbohrt. Spätestens wenn die herausragende Speiche eines offenen Armbruchs als Stichwerkzeug missbraucht wird, erreicht das Ganze durchaus ein besonderes Level.

Die Kamera ist indes nah am Geschehen und fängt den Rhythmus der Kämpfe gut ein, der Schnitt ist dynamisch und nicht selten wird auf längere Einstellungen gesetzt, in denen man einfach mit dem Geschehen mitgeht. Somit entwickeln die Konfrontationen eine echte Wucht, was durch die Brutalitäten unterstützt wird und in einer intensiven Fahrstuhl-Sequenz ihren Höhepunkt findet. Xavier Gens hat definitiv seine Hausaufgaben gemacht und es bleibt zu hoffen, dass er nach seinem Netflix-Hit IM WASSER DER SEINE (2024) nochmal in das Genre des Martial-Arts-Actionfilms zurückkehrt, zumindest um die Zeit zu überbrücken, bis Gareth Evans mit HAVOC um die Ecke kommt.

Studiocanal veröffentlicht den Film nicht als Blu-ray und DVD, sondern auch als UHD-Scheibe im schicken Mediabook. Uns lag zur Sichtung der Blauling vor, Bild- und Tonqualität sind sehr gut, als Extras sind Interviews und der Trailer auf der Disc zu finden. Das Mediabook bietet darüber hinaus auch ein Booklet.

Fazit:

Krachende und derbe Kampfsport-Action vor thailändischer Kulisse. FARANG – SCHATTEN DER UNTERWELT (2023) bietet erzählerisch zwar Stangenware, überzeugt aber dank einer authentischen Atmosphäre und knallharten Fights in der zweiten Hälfte. Fans des Genres werden auf jeden Fall gut bedient.

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

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