Neben dem Slasher- und Zombiefilm dürfte der Exorzismus-Horror wohl jenes Subgenre darstellen, dem nichts mehr Neues hinzuzufügen schien und spätestens mit dem ziemlich drögen Legacy-Sequel THE EXORCIST: BELIEVER (2023), welches immerhin auf der Ursuppe dieser Gattung basiert, dürfte sich wohl Jeder gefragt haben, was man vom Besessenen-Grusel noch originelles erwarten könne. Und meistens wenn ein solcher Punkt erreicht ist, kommt irgendjemand mit einer neuen Idee um die Ecke, welche in diesem Fall auf den Titel LATE NIGHT WITH THE DEVIL (2023) hört. Der Found-Footage-Film über übernatürliche Phänomene während einer fiktiven Late-Night-Show in den 1970er Jahren sorgte bei seiner Premiere auf den Fantasy Filmfest Nights im April diesen Jahres für ein äußerst positives Kritikerecho. Nun hat Capelight Pictures den interessanten Genrefilm im Heimkino veröffentlicht, u.a. als 4K-Mediabook. Ob es sich bei der Fernsehshow des Grauens um ein empfehlenswertes Werk für das diesjährige „Hurenween“ handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Late Night with the Devil

Drehbuch & Regie: Colin Cairnes, Cameron Cairnes

Darsteller: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Fayssal Bazzi, Ingrid Torelli, Rhys Auteri, Georgina Haig…

Artikel von Christopher Feldmann

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist es ein ziemlich schwieriges Unterfangen, gewissen Genres noch neue Impulse zu verleihen. Zwar erfreut sich auch gerade der Slasherfilm IN A VIOLENT NATURE (2024), der vollständig aus der Perspektive des Killers erzählt wird, großer Beliebtheit, diese High-Concept-Werke sind aber eher selten. Stattdessen kauen zahllose Straight-to-DVD-Produktionen und auch immer wieder für die Leinwand konzipierte Filme die immer gleichen Tropen durch, ohne auch nur irgendeine neue Idee zu liefern. Ganz besonders im Exorzismus-Horror herrscht seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, kreativer Stillstand, weil sich einfach niemand wirklich traut jene Pfade zu verlassen, die einst William Friedkin mit seinem Klassiker THE EXORCIST (1973) bereitete. Während andere Genres immer wieder mal aufgebrochen, unterwandert oder gar satirisch behandelt wurden, bekommt man im Besessenen-Grusel eigentlich immer das Gleiche vorgesetzt, mal mehr, mal weniger variiert. LATE NIGHT WITH THE DEVIL (2023) allerdings wagt es zumindest in meiner Wahrnehmung erstmals einen ganz anderen Ansatz zu wählen und die bewährten Elemente in ein Found-Footage-Konzept zu packen, ohne allerdings den Zuschauer mit Wackelkamera alá THE BLAIR WITCH POJECT (1999) zu quälen. Eingebettet in das Setting einer Late-Night-Show aus den 1970er Jahren löst der Film des australischen Brüderpaars Colin und Cameron Cairnes nicht nur Unbehagen aus, sondern kommt darüber hinaus als beißende Mediensatire daher.

Handlung:

Halloween, 1977. Quotenwoche im US-Fernsehen. Ein Millionenpublikum verfolgt das Live-Event, das eine ganze Nation erschüttern wird. Zu Gast: Ein Medium, ein Magier, eine Expertin für Paranormales und ein junges Mädchen, das von einem Dämon besessen ist. Aufgrund des unfassbaren Grauens der Ereignisse wurde der Mitschnitt dieses schicksalhaften Abends fast 40 Jahre lang unter Verschluss gehalten – bis jetzt…

Allein das Artwork von LATE NIGHT WITH THE DEVIL machte mir schon gewaltig Lust auf den Film, ohne auch nur eine einzige Kritik gelesen zu haben. In der festen Überzeugung, dass das ein ziemlich cooles Ding werden könnte, schürten die ersten Reviews meine Vorfreude, attestierten doch zahlreiche Kritiker und Filmfans, dass es sich hierbei um einen der wohl sehenswertesten Horrorfilme des Jahres handeln würde. Und tatsächlich gehört der Streifen mit zu den besten in 2024, auch wenn man so fair sein und erwähnen muss, dass die Konkurrenz sehr dünn ist. Aber wie kann ein Film, in dem irgendwann ein vom Bösen besessenes Mädchen den Kopf verdreht und mit tiefer Stimme unflätige Obszönitäten von sich gibt, noch irgendjemanden hinter dem Ofen hervorlocken?

Ganz einfach, denn die beiden Brüder Colin und Cameron Cairnes, die sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnen, wählen einen wirklich interessanten Ansatz. LATE NIGHT WITH THE DEVIL spielt während der Aufzeichnung der fiktiven Late Night Show „Night Owls with Jack Delroy“, die sich über mehrere Jahre eine nicht unerhebliche Fangemeinde aufbauen aber dem direkten Konkurrenten „The Tonight Show Starring Johnny Carson“ nie ganz das Wasser reichen konnte. Nach einer einmonatigen Auszeit bedingt durch den Krebstod seiner Frau, versucht Moderator „Jack Delroy“ nun mit einer besonderen Halloween-Ausgabe der von zurückgehenden Quoten gebeutelten Show die Zukunft zu sichern. Neben einem Medium und einem Magier steht zudem ein ehemaliges Sektenmitglied auf der Gästeliste, die offenbar vom Teufel besessen ist. Statt die Handlung nur in dem Setting einer Late Night Show anzusiedeln, was den Machern somit einen gewissen Freiraum verschafft hätte, entschied man sich dazu, den gesamten Film als eben jene zu inszenieren. Tatsächlich handelt es sich, laut Off-Stimme zu Beginn, hierbei um das Masterband jener Aufzeichnung aus dem Jahr 1977, also im Prinzip genau Das, was von den Studiokameras auch gefilmt wurde. Dass diese Perspektive eines gewöhnlichen TV-Zuschauers natürlich so manche Momente hinter den Kulissen von Haus aus ausschließt, versucht man insofern zu umgehen, in dem man (fiktives) Behind-the-Scenes-Material einbaut. Somit umschifft man in entscheidenden Momenten zwar das eng gestrickte Konzept, immerhin kann man dem Filmfan während der Werbepausen ja nicht drei Minuten lang ein Standbild präsentieren, allerdings sorgen die in schwarz-weiß gehaltenen Aufnahmen für unterhaltsame Momente, wenn Moderator „Jack Delroy“ und vor allem der Produzent darüber diskutieren wie sie die aus dem Ruder laufende Sendung zu ihren Gunsten beeinflussen können.

Ansonsten trifft man den 70s-Look relativ gut, vom 4:3-Fernsehbild bis hin zu den entsprechenden Outfits und der Studioausstattung. Selbst der Moderationsstil Delroys passt in jene Zeit, auch wenn man beim Zusehen nie so richtig glauben kann, dass dieses quatschige und leicht rumpelig wirkende Format die Nr.2-Show des USA sein soll. Und für ein nach über 40 Jahren aufgetauchtes Band sieht das Ganze trotz Bildeffekten immer noch viel zu gut aus. Ansonsten hat das Regie-Duo seine Hausaufgaben offensichtlich gemacht und erzeugt eine anhaltende Authentizität.

Dies spiegelt sich auch in den Figuren wieder, so ist der Mentalist „Christou“ an Bühnen-Scharlatan James Hydrick angelehnt, während Magier und Skeptiker „Carmichael Haig“, von Ian Bliss übrigens ganz hervorragend gespielt, deutlich von James Randi inspiriert zu sein scheint. Tatsächlich ist es auch das Setting und die Dynamik zwischen den Figuren, warum LATE NIGHT WITH THE DEVIL so gut funktioniert. Der Horror selbst, der mit den üblichen Genre-Zutaten arbeitet entfesselt sich erst im letzten Drittel, dennoch schafft es der Film einen konsequenten Spannungsbogen aufzubauen und das Unbehagen immer weiter zu steigern. So ist man als Zuschauer stets gespannt, was als nächstes passiert und tappt damit auch schnurstracks in die Falle der Macher. Denn neben der Kritik am sensationsgierigen Unterhaltungsfernsehen stichelt der Film auch gegen das Publikum, das sich stets nach dem nächsten großen Ereignis sehnt, also gegen Uns. Zudem liefert der Film ein hervorragendes Pacing, welches für kurzweilige 90 Minuten sorgt, bevor es gen Ende noch etwas Blut und Gekröse als Zugabe gibt. Über das Ende kann man sicherlich streiten, wirkt die Auflösung doch etwas zu forciert und somit auch erwartbar, was dem Unterhaltungswert aber keinen Abbruch tut.

David Dastmalchian gibt blendend den Showhost und chargiert dabei zwischen aalglattem Quotengeier, der versucht die Ereignisse als PR-Stunt zu missbrauchen, und überfordertem TV-Zampano, bei dem man nie weiß, wie viele der dargestellten Szenarien vielleicht geplant und arrangiert sind und welche sich wirklich so abspielen. Auch die übrige Besetzung weiß zu überzeugen, allen voran Ingrid Torelli als vom Bösen besessenes Sektenopfer, die ihre Figur mit der nötigen Portion Creepiness ausstattet. Wenn etwaige Szenen stets im Gloss einer leichtfüßigen Unterhaltungsshow verhaftet bleiben, ohne das Jump-Scares stattfinden oder die Tonspur anschwillt, entsteht daraus eine ganz besondere Atmosphäre, die LATE NIGHT WITH THE DEVIL über sämtliche Genrevertreter der vergangenen Jahre hebt.

Capelight Pictures veröffentlichte den eigenwilligen Horrorfilm nicht nur digital, als Blu-ray und DVD, sondern auch als Limited Collector’s Edition im Mediabook, inklusive UHD-Scheibe. Bild- und Tonqualität sind erwartungsgemäß sehr gut, auch wenn das Medium ein wenig konträr zum Retro-Feeling steht. Im Bonusmaterial finden sich u.a. ein Behind-the-Scenes-Featurette, ein Making-Of zur Musik der fiktiven Show „Night Owls“, sowie das 70-minütige Found-Footage „Das Night Owls Halloween-Special“. Ein 24-seitiges Booklet ist ebenso in der Edition enthalten.

Fazit:

LATE NIGHT WITH THE DEVIL (2023) findet einen äußerst gelungenen Ansatz, um dem Exorzismus-Horror neues Leben einzuhauchen. Ein spannender, medienkritischer und ungeheuer effektiver Gruselfilm mit reichlich Retro-Charme, der mit zum Besten gehören dürfte, was das Horrorgenre dieses Jahr zu bieten hat.

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