Kino über den Greul des 2. Weltkriegs wie auch über die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten ist in Deutschland ein etabliertes Genre und dürfte neben den romantischen Komödien sicherlich zu den produktivsten Gattungen unserer hiesigen Filmindustrie zählen. Neben Wolfgang Petersens DAS BOOT (1981) dürfte wohl DER UNTERGANG (2004) der prestigeträchtigste und auch erfolgreichste Vertreter sein, avancierte das kammerspielartige Drama mit rund 4,5 Millionen Zuschauern nicht nur zum Publikumserfolg, sondern wurde seiner Zeit sogar für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Dies fußt zum einen auf die authentische Darstellung der letzten Tage im dritten Reich und zum anderen auf Bruno Ganz‚ eindrucksvolle Performance als Adolf Hitler. Constantin Film hat das Werk nun erstmals in 4K veröffentlicht wird.

Originaltitel: Der Untergang

Drehbuch: Bernd Eichinger

Regie: Oliver Hirschbiegel

Darsteller: Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Ulrich Matthes, Juliane Köhler, Christian Berkel, Heino Ferch, Corinna Harfouch, Matthias Habich, Thomas Kretschmann, Götz Otto…

Artikel von Christopher Feldmann

Filme wie DER UNTERGANG (2004) sorgen die unliebsamen Besprechungen bei den Medienhuren. Während man Genrefilme oder hoch budgetierte Kinoblockbuster meist auf den Unterhaltungsfaktor prüft, erfordern ambitionierte Werke wie Oliver Hirschbiegels Nationalsozialistendrama eine etwas andere Auseinandersetzung, denn von Spaß kann hier keine Rede sein. So sitze Ich nun vor dem Bildschirm und überlege, wie ich den folgenden Text angehen soll, immerhin handelt es sich bei der rund 13,5 Millionen Euro teuren Produktion um einen waschechten Downer, den man nicht so einfach auf einer Arschbacke absitzen kann, sondern der ein waches Auge und große Aufmerksamkeit erfordert. Aufmerksamkeit, die nun mal nicht jeden Tag gegeben ist, so dass ich die Sichtung immer mal wieder vor mir herschob, denn man ist einfach öfters dazu geneigt, sich auf harmlose Art berieseln zu lassen. Dennoch will ich nicht um den heißen Brei herumreden, denn DER UNTERGANG ist nach wie vor ein wirklich sehenswerter Vertreter des deutschen Kinos, der mit der nötigen Ernsthaftigkeit beweist, dass die wir hierzulande mehr können als verklärten Historienkitsch und albernen Klamauk.

Handlung:

Berlin, April 1945. Ein Volk wartet auf seinen Untergang. In den Straßen der Hauptstadt tobt der Häuserkampf. Hitler (Bruno Ganz) hat sich mit einigen Generälen und engsten Vertrauten im Führerbunker der Reichskanzlei verschanzt. Zu ihnen gehören auch Traudl Junge (Alexandra Maria Lara), seine Privatsekretärin, die ihn nicht im Stich lassen will. Während draußen die Lage immer mehr eskaliert, die Rote Armee weiter vorrückt und sich in den von Explosionen erschütterten Vierteln verzweifelte Szenen abspielen, erlebt Hitler den Untergang des Dritten Reiches hinter Bunkermauern. Obwohl Berlin nicht mehr zu halten ist, weigert sich der Führer, die Stadt zu verlassen. Er will, wie Architekt Speer (Heino Ferch) es ausdrückt, „auf der Bühne stehen, wenn der Vorhang fällt“. Doch Hitler steht nicht auf der Bühne. Während sich die Wucht des verloren gegangenen Krieges mit aller Härte über seinem Volk entlädt, inszeniert der Führer im Bunker seinen Abgang.

Aufgrund meines Jahrgangs kam ich in den Genuss, DER UNTERGANG (2004) nicht etwa im Kino zu sehen, sondern in der Schule. Ich muss etwa in in der neunten Klasse gewesen sein, als Oliver Hirschbiegels monumentaler Abgesang auf das dritte Reich über den damals schon ziemlich in die Jahre gekommenen Röhrenfernseher flimmerte, der auf einem Rollwagen in den Klassenraum geschoben wurde. Zumindest zu jener Zeit konnte ich dem Film nicht viel abgewinnen, interessierten mich historische Stoffe doch eher wenig, das Thema 2. Weltkrieg hing mir irgendwie zu den Ohren raus und auf Schule hatte ich gerade ohnehin nicht so viel Lust. Nach 150 Minuten Laufzeit, die wir uns in drei Etappen zu Gemüte führten, blieb somit auch nicht viel hängen. Das Resümee lautete schlicht „War okay, bisschen langweilig aber der Ganz war gut als Hitler“, was mit ca. 15 Jahren wahrscheinlich auch das eloquenteste war, was Ich mir abringen konnte.

Ganze 17 Jahre später kam ich nun den Genuss, DER UNTERGANG noch einmal zu sehen und ihn in Gänze schätzen zu können. Dass sich Jugendliche teilweise schwer mit dem ausladenden Kammerspiel im Führerbunker tun, ist auch heute keine Seltenheit. Statt actionreicher Schlachten und aufwühlender Spannung lebt der prominent besetzte Historienfilm vor allem von seiner Atmosphäre. Hirschbiegel und Drehbuchautor Bernd Eichinger, der sich für das Skript auf die Erzählungen von Hitlers Sekretärin Traudl Junge, die hier von Alexandra Marie Lara gespielt wird, berief, sind weniger an der klassischen Dämonisierung Hitlers und den Greul des 2. Weltkriegs interessiert, sondern legen ihren Fokus viel mehr auf den Kult der sich um das Zentrum eines menschenverachtenden Regimes gebildet hatte. So schockiert allein die unbändige Treue, die die Gefolgsleute ihrem Führer entgegenbringen, trotz dem Wissen, dass der Krieg verloren und das deutsche Reich dem Untergang geweiht ist. Das gipfelt in jener fiesen Szene, in der die Goebbels Ehefrau ihre eigenen Kinder ermordet, damit diese nicht in einer Welt ohne Nationalsozialisten aufwachsen müssen. Allein die fanatische Verbundenheit, die Generäle, Vertraute und Hitlers spätere Ehefrau Eva Braun hier an den Tag legen, lässt erahnen, welche Wirkung das Ganze auf die damalige Bevölkerung hatte. Es glich einer Sekte.

Über Allem schwebt natürlich Bruno Ganz in der Rolle, die ihn unsterblich machen sollte. Adolf Hitler wurde schon mehrfach in Filmen dargestellt, Ganz‘ Interpretation ist allerdings die eindringlichste. So spielt er den Führer nicht unbedingt als bösartigen Schlächter, sondern ist vielen Szenen auch nett zu seinen Untergebenen, besonders zu seinen Sekretärinnen, isst mit ihnen zu Abend, zeigt sich manchmal sogar aufrichtig betroffen oder gar führsorglich. Wenn allerdings Wutausbrüche über fahnenflüchtige Generäle, irrsinnige Kriegstaktiken oder gescheiterte Manöver zu Tage treten, entlarvt der Film Hitler als wahnsinnigen Kriegstreiber, der von seiner eignen Ideologie dermaßen vernebelt war, dass er gar nicht merkte wie er Alles um sich herum in den Abgrund riss. Völlig verblendet hielt er bis zum Ende an seiner Vision eines großen deutschen Reichs fest, nur um sich am Ende feige der Verantwortung zu entziehen. Statt wie es seine Person eigentlich verdiente, nämlich heroisch auf dem Schlachtfeld zu sterben, wählte Hitler den heimlichen Selbstmord, inklusive anschließender Verbrennung, um dem Feind auch als Leiche nicht in die Hände zu fallen.

DER UNTERGANG ist ein authentisches Zeitdokument, facettenreich und eindringlich inszeniert. Da der Krieg bis auf wenige Ausnahmen nur angerissen wird und man in den meisten Fällen nur eine Geräuschkulisse wahrnimmt, entwickelt der Film stets eine bedrohliche und auch unangenehme Atmosphäre. Natürlich sind viele Rollen im Film sehr „deutsch“ geacted, was besonders bei Juliane Köhler als Eva Braun erkennbar ist, im Großen und Ganzen war man aber weniger auf Kitsch und Verklärung aus, sondern um eine Abbildung realer Ereignisse bemüht. Oliver Hirschbiegel gelingt dies hier sehr gut, da er immer nah an den Figuren dran ist und diese auch agieren lässt. Es wird nichts beschönigt aber es wird auch nichts unnötig dramatisiert oder verkitscht. Wahrscheinlich ist DER UNTERGANG sogar einer der besten Filme zu diesem Thema, eben weil er nicht auf Unterhaltung setzt, sondern der psychischen Verfassung Hitlers am nächsten kommt.

Constantin Film hat den Film kürzlich erstmals in 4K veröffentlicht. Neben der UHD-Scheibe enthält das Keep-Case auch eine Blu-ray-Version. Das Bild ist hervorragend und bietet eine detailreiche Schärfe, der Ton ist wuchtig und lässt keine Wünsche offen. Die Blu-ray bietet darüber hinaus umfangreiches Bonusmaterial wie einem Audiokommentar, Interviews, Making-Of, mehrere Featurettes, sowie den Trailer.

Fazit:

DER UNTERGANG (2004) ist zweifellos einer, wenn nicht sogar der beeindruckendste deutsche Film der vergangenen 20 Jahre. Oliver Hirschbiegel inszeniert ein dichtes Kammerspiel, das die letzten Tage im Führerbunker darstellt und dabei die Absurdität des dritten Reichs und des Kults um Hitler offenlegt. Bruno Ganz brilliert als Schreckensgestalt des 2. Weltkriegs, das übrige Ensemble überzeugt ebenfalls. Ein Film, der Sitzfleisch und auch Aufmerksamkeit erfordert, dies aber allemal wert ist.

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