„Totale Finsternis, ein Meer von Gefühl und kein Land“ Wer hat nicht noch den auf die Melodie von „Total Eclipse of the Heart“ gesungenen Schmachtfetzen aus einem der wohl berühmtesten Musicals aller Zeiten im Ohr? Dabei haben viele vergessen, dass das Stück auf einem weitaus weniger pathetisch kitschigen Film basiert, den Roman Polanski ein Jahr vor seinem internationalen Durchbruch ROSEMARY’S BABY (1968) drehte. Die Rede ist natürlich von der skurril launigen Gruselkomödie TANZ DER VAMPIRE (1967), in dem nicht nur der Meister höchstpersönlich eine der Hauptrollen spielt, sondern auch die damals aufstrebende und nur zwei Jahre später von der Manson Family ermordete Sharon Tate zu sehen ist. Plaion Pictures hat sich dem Klassiker angenommen und ihn nun restauriert und mir rekonstruiertem deutschen Ton in mehreren Mediabooks veröffentlicht. Ob der Film auch heute noch den nötigen Biss hat, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: The Fearless Vampire Killers/Dance of the Vampires
Drehbuch: Roman Polanski, Gérard Brach
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Jack MacGowran, Roman Polanski, Alfie Bass, Sharon Tate, Ferdy Mayne, Iain Quarrier, Jessie Robins…
Artikel von Christopher Feldmann
TANZ DER VAMPIRE (1967) hat einen besonderen Platz in der Popkultur, der nicht zwingend durch die erfolgreiche und langlebige Musical-Adaption begründet ist. Viel mehr war die skurrile Blutsaugersatire der Startschuss für den Mythos und die kurzlebige Karriere von Sharon Tate. Diese traf ein Jahr zuvor im Alter von zarten 23 Jahren auf Polanski und hinterließ dabei so viel Eindruck, dass dieser sie für seinen Film besetzen wollte, die Rolle aber leider schon an Jill St. John vergeben hatte. Als diese sich kurzfristig zurückzog, kam Tate zum Zug, nach dem Dreh wurden beide ein Paar, ein Jahr später läuteten die Hochzeitsglocken. Die Blondine galt als vielversprechender Shooting Star, ihr Leben fand jedoch ein jähes Ende, als sie 1969 hochschwanger von Mitgliedern der Manson-Familie ermordet wurde. Polanskis Vampirkomödie haftet somit trotz aller Komik ein trauriger Beigeschmack an, ist sie doch eine von einer Handvoll Produktionen, in denen Tate auftrat. Macht man sich davon frei, bietet THE FEARLESS VAMPIRE KILLERS (so der Originaltitel) immer noch einen hohen Unterhaltungswert, auch wenn anno 2024 nicht mehr jeder Gag fest im Sattel sitzt.
Handlung:
Nachdem er wegen seiner umstrittenen Theorien zum Thema „Vampirismus“ seinen Lehrstuhl an der Universität Königsberg verloren hat, reist der Vampir-Experte Professor Ambronsius (Jack MacGowran) gemeinsam mit seinem Assistenten Alfred (Roman Polanski) nach Transsylvanien, um Beweise für die Existenz blutsaugender Untoter zu sammeln und seinen Ruf wieder herzustellen. Schon bald finden die beiden Abenteurer in einem Gasthaus Hinweise auf Vampire in der Umgebung: Knoblauch-Girlanden an den Wänden! Der Wirt Shagal (Alfie Bass) versucht, die alarmierten Gäste davon zu überzeugen, dass es keine Vampire gäbe, doch schon bald entdecken diese die Existenz des Vampir-Fürsten Krolock (Ferdy Mayne). Der hat es sich zum Ziel gesetzt, die schöne Wirtstochter Sarah (Sharon Tate) zu seiner Gefährtin für die Ewigkeit zu machen …
Auch in der Vita von Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller Roman Polanski hat TANZ DER VAMPIRE einen besonderen Platz inne. Angesichts seiner anderen Werke wie u.a. EKEL (1965), ROSEMARY’S BABY (1968), CHINATOWN (1975) oder auch DER PIANIST (2002), versprüht der Film eine fast schon einzigartige Leichtigkeit, die der Filmemacher seitdem nie wieder in dieser Form an den Tag legte. Im Grunde ist der fast vollständig im Studio entstandene Streifen ein früher Spoof, ein Genre, welches erst in den 1980er Jahren dank den ZAZ-Filmen so richtig durchstartete.
TANZ DER VAMPIRE entstand, als schon unzählige DRACULA-Verfilmungen das Licht der Leinwand erblickt hatten. Vor allem jene der Hammer Studios und mit Christopher Lee als Vampirfürst hatten mehr oder weniger die Kernelemente des Genres kultiviert. Polanski bediente sich hier recht offensichtlich bei den Kollegen, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass er hier wesentlich mehr auf skurrilen Humor und Situationskomik setzte. Allein schon die beiden Protagonisten, der biedere wie auch schusselige „Professor Abronsius“ und sein schreckhafter Assistent „Alfred“, sind in ihrer Darstellung schon derart skurril, dass es für den Zuschauer eine wahre Freude ist. Der Film setzt ohnehin viel auf die Typenkomik, die entsprechend ihrer Charakterisierung für den ein oder anderen Lacher sorgen. Wenn Polanski mit roten Wangen hinter jedem noch so unheimlichen Geschehnis hin und der tapst, der Gastwirt nichts besseres zu tun hat als dem jungen, weiblichen Personal nachzusteigen oder dessen Tochter „Sarah“ ständig die Badewanne des vermieteten Fremdenzimmers benutzt und damit „Alfred“ unfreiwillig bezirzt, sorgt das Alles schon für eine beschwingte Atmosphäre.
TANZ DER VAMPIRE verarbeitet Klischees und Genre-Bausteine, überhöht diese aber auch und liefert somit eine gelungene Farce, deren Gruselaspekt allerdings nie so richtig zündet. Auch wenn Polanski darauf bedacht ist, die Balance zwischen Humor und Schauerstimmung zu halten, funktioniert der Film doch in erster Linie als Komödie, die allerdings ein wenig Zeit braucht, um wirklich in die Gänge zu kommen.
So vergnüglich das Ganze auch ist, sobald die beiden Hauptfiguren das Schloss des Grafen „von Krolock“ betreten, spielt der Film seine Trümpfe voll aus. Polanski hat seine Hausaufgaben hierfür gemacht, frotzelt gegen die Aristokratie der Blutsauger und arbeitet die sexuelle Begierde heraus, die immer auch ein Kernthema klassischer Vampirfilme war und ist. Das gipfelt in einer der witzigsten Szenen, als „von Krolocks“ Sohn, der homosexuelle Vampir „Herbert“ „Alfred“ an die Wäsche will, was in einer spaßigen Verfolgungsjagd mündet. Polanski persifliert ein klassisches Trope, denn sonst sind es immer die schönen Jungfrauen, die als Objekte der Begierde herhalten müssen. Prunkstück des Films ist natürlich der titelgebende Tanz im Ballsaal, wunderbar choreographiert und inszeniert, oft kopiert aber nie erreicht.
Auch handwerklich ist TANZ DER VAMPIRE charmantes Kino, das sich offensichtlich an Look & Feel der Hammer-Filme orientiert. Das Set Design ist toll und die dezenten Kamerafahrten geben dem eher kammerspielartigen Werk eine gewisse Größe. Polanski bewies schon hier, dass er sein Handwerk versteht und insgesamt braucht sich die Komödie nicht vor seinen anderen Filmen verstecken, auch wenn es hier eher heiter zugeht. Sicher, nicht jeder Gag zündet heute noch und insgesamt ist das Drehbuch nicht gerade komplex, für nostalgischen Spaß eignet sich das Ganze aber dennoch hervorragend.
Plaion Pictures hat sich bei der Veröffentlichung mal wieder nicht lumpen lassen und präsentiert TANZ DER VAMPIRE in drei verschiedenen Mediabooks, wobei eines exklusiv über Amazon vertrieben wird und die anderen beiden über den Label-Shop vertrieben werden. Das Bild der Blu-ray bietet eine saubere Schärfe, der Ton ist ordentlich abgemischt und für die deutsche Version konnte man sogar die längsmögliche Spur rekonstruieren, hatte die alte DVD doch ein paar defekte Stellen. Im Bonusmaterial finden sich die von einer 16mm-Kopie gezogene US-Fassung, Interviews, Featurettes, geschnittene Szenen, ein alternativer Vorspann und mehrere Trailer. Ein 20-seitiges Booklet ist ebenfalls enthalten.
Fazit:
Dass nicht mehr jeder Gag in TANZ DER VAMPIRE (1967) zündet, dürfte angesichts der zahlreichen Vampirfilme und auch -Komödien, die in den letzten 60 Jahren entstanden sind auf der Hand liegen. Dennoch ist Roman Polanskis launige wie leichtfüßige Parodie auf den klassischen Blutsaugergrusel immer noch eine große Freude, nicht zuletzt durch die schrulligen Charaktere und der Balance zwischen Schauermär und Komödie, sondern auch aufgrund der detailreichen Sets und Kostüme. Vielleicht nicht Polanskis wichtigster und bester Film aber definitiv sein spaßigster.
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