Alfred Hitchcock zählt zweifellos zu den großen Meistern des Kinos war insbesondere in den 1950er Jahren für einige Filmklassiker verantwortlich, die in jede gut sortierte Filmsammlung gehören. Zwischen Thrillern wie DAS FENSTER ZUM HOF (1954) und DER MANN, DER ZUVIEL WUSSTE (1956) drehte der Brite die leichtfüßige Kriminalromanze ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA (1955), in der die Hollywoodstars Cary Grant und Grace Kelly, die der Traumfabrik nur kurze Zeit später den Rücken kehrte, vor malerischer Kulisse brillieren. Paramount Pictures Home Entertainment spendierte dem Film kürzlich eine Neuveröffentlichung als Limited Collector’s Edition, inklusive liebevoller 4K-Restauration. Warum sich der wunderschön anzusehenden Krimi wiederzuentdecken lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: To Catch a Thief

Drehbuch: John Michael Hayes; nach dem gleichnamigen Roman von David Dodge

Regie: Alfred Hitchcock

Darsteller: Cary Grant, Grace Kelly, Jessie Royce Landis, John Williams, Charles Vanel, Brigitte Auber, Jean Martinelli…

Artikel von Christopher Feldmann

Alfred Hitchcock zählt mit ziemlicher Sicherheit zu meinen Lieblingsregisseuren. Kaum ein anderer Filmemacher verstand es besser mit Suspense und einer einfallsreichen Inszenierung zu punkten wie der korpulente Regisseur britischer Herkunft. Zwar legte „Hitch“ mit PSYCHO (1960) später den Grundstein für den modernen Horrorfilm, seine Blütezeit hatte er allerdings in den 1950er Jahren, in denen er als fester Vertragsregisseur für Paramount Pictures tätig war. Aus dieser fruchtbaren Zusammenarbeit entstanden Klassiker wie DAS FENSTER ZUM HOF (1954), IMMER ÄRGER MIT HARRY (1955), DER MANN, DER ZUVIEL WUSSTE (1956), VERTIGO (1958) und DER UNSICHTBARE DRITTE (1959). Allesamt großartige, spannende und mitunter auch unterhaltsame Filme, da Hitchcock stets auch etwas Humor in seine Produktionen einfließen ließ. ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA (1955), im Original TO CATCH A THIEF, reiht sich ebenfalls in diese hochwertige Riege ein, fristet aber im Vergleich zu den anderen Paramount-Produktionen eine Art Schattendasein, handelt es sich bei dem Film zu großen Teilen um eine lockerleichte Romanze, deren Krimiplot lediglich als Korsett fungiert. Wahrscheinlich zählt das Katz-und-Mausspiel vor der traumhaften Kulisse Südfrankreichs zu den ungewöhnlichsten Hitchcock-Filmen, jedoch bewies der Meister auch hier, dass er auch dieses Metier hervorragend beherrscht.

Handlung:

John Robie (Cary Grant) sorgte einst unter dem Namen „die Katze“ als Einbrecher für Unruhe. Doch diese Zeiten liegen hinter ihm, da er sich mittlerweile aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Aber wie man weiß, lässt die Katze das mausen nicht, weshalb man auch John als Erstes verdächtigt, als an der Cote D’Azur eine erneute Einbruchswelle startet. Da er keine Möglichkeit hat, seine Unschuld zu beweisen, macht er sich selbst auf den Weg, die wahren Verbrecher zu stellen.

ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA begegnete Ich das erste Mal, als ich mich auf dem berüchtigten „Ich muss sämtliche Filmklassiker sehen“-Trip befand, der auch dazu führte, dass ich mich intensiv mit Hitchcocks Vita befassen wollte. Tatsächlich sichtete den Film eigentlich nur, weil Cary Grant in DER UNSICHTBARE DRITTE (1958) großartig und Grace Kelly in den beiden vorherigen Hitchcock-Filmen BEI ANRUF MORD (1954) und DAS FENSTER ZUM HOF (1954) einfach unfassbar bezaubernd war. Diese Kombination aus Hauptdarsteller-Gespann und Regisseur bewogen mich dazu, dem Film eine Chance zu geben, auch wenn er mich eigentlich weniger interessierte.

Lange Rede, kurzer Sinn, nach der Sichtung war ich hin und weg, aus vielerlei Gründen. Die Geschichte an sich gehört aber nicht unbedingt dazu, denn für Hitchcock-Verhältnisse ist diese eher simpel und kommt ohne großen Kniff aus. Das Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Roman von David Dodge und erzählt eine eher gemütliche Geschichte über einen ehemaligen Juwelendieb, der versucht seinen Namen reinzuwaschen, da jemand anderes nach dem gleichen Muster auf Beutezug geht. Dass „die Katze“ (so der Spitzname des Protagonisten „John Robie“) dabei natürlich selbst der Hauptverdächtige ist, dürfte auf der Hand liegen, weswegen er stets auf der Hut vor der Polizei sein muss. Wer bei ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA auf den ganz großen Twist oder auf elektrisierende und spannende Momente wartet, die man aus anderen Filmen des Regisseurs kennt, wird vermutlich etwas enttäuscht werden. TO CATCH A THIEF lebt weniger von seiner Kriminalgeschichte, sondern viel mehr von dem Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren und von seinen Schauwerten, nicht umsonst gilt der Film als Vorreiter des sogenannten „Glamour-Thrillers“.

Natürlich steht die Frage nach der Identität des Juwelendiebs im Zentrum, allerdings ist der Film viel mehr an der Beziehung zwischen „John Robie“ und „Francie Stevens“ interessiert. Besonders interessant ist dabei, dass Grace Kelly als ziemlich selbstbewusste Frau auftritt, die Grants Charakter nicht sofort verfällt, sondern ihn eine Zeit lang zappeln lässt. So baut der Film eine immer größere Spannung zwischen den Figuren auf, die sich allerdings nur dank symbolischer Bilder und mehrdeutiger Dialoge entlädt. Da es anno 1955 noch unmöglich war, eine Sexszene zu zeigen, strotzt ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA nur so vor mehrdeutigen Szenen und sexuellen Anspielungen. Diese gipfeln in einer Szene, in der Hitchcock die Aufnahmen eines Feuerwerks am Nachthimmel einsetzt, um eine Kussszene entsprechend deutlicher zu machen.

Der Film profitiert darüber hinaus aber vor allem von seinem Hauptdarstellergespann. Cary Grant, der zu den populärsten Schauspielern der Welt zählte und nach Humphrey Bogart als bedeutendster US-Filmstar gilt, befand zu sich zum Zeitpunkt der Produktion schon in der Endphase seiner Karriere, zog er sich doch bereits 1966 aus dem Filmgeschäft zurück. Natürlich ist ihm die Rolle des schelmischen Gentleman und ehemaligen Ganoven wie auf den Leib geschrieben. Grant besaß stets ein unwiderstehliches Charisma wie es nur wenigen Schauspielern vergönnt ist. Die Show stiehlt ihm aber seine Leinwandpartnerin Grace Kelly, für die es die dritte und letzte Zusammenarbeit mit Hitchcock war, kurz bevor sie ein Jahr später den Fürsten von Monaco ehelichte und aufgrund ihres Adelsstands keine Filme mehr drehen konnte. Ironischerweise verunglückte die Oscarpreisträgern 1982 auf einer Küstenstraße, die jener im Film, auf der sie gemeinsam mit Grant unterwegs ist, sehr ähnlich ist. In ihrer Rolle ist Kelly auch hier mehr als hinreißend und bei jedem Auftritt beginnt das Bild förmlich zu leuchten. Beide Darsteller sind eine Idealbesetzung, deren Charme dem Film zu Gute kommt.

Ein weiterer Grund, warum ich mich an ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA kaum satt sehen kann, sind die Bilder. Die französische Riviera ist eine malerische Kulisse für den Film, der viel vom Lokalkolorit profitiert. Die azurblauen Buchten, die malerischen Strände und allgemein die französische Urlaubsromantik versprühen eine ganz eigene Atmosphäre, die den Zuschauer gefangen nehmen. Der Film eignet sich perfekt für das herbstliche Schmuddelwetter, lädt er doch in ein sommerliches Paradies ein, in dem die Smokings perfekt sitzen und die Abendkleider leuchten. Hitchcock lässt das Ganze malerisch aussehen, wendet aber auch seine beliebten inszenatorischen Kniffe an, die dem Film eine gewisse Würze verleihen, was besonders in den Szenen zur Geltung kommt, in denen Grant in schwindelerregender Höhe agiert. Das sorgt auch beim Zuschauer für ein beklemmendes Gefühl, was Hitchcock später in VERTIGO (1958) noch einmal verfeinern sollte.

Paramount Pictures Home Entertainment veröffentlichte den Film kürzlich als Limited Collector’s Edition, restauriert in 4K. Das Bild der UHD sieht absolut fantastisch aus. Eine hervorragende Schärfe, viele Details, ein toller Kontrast, leuchtende Farben und sehr feines Filmkorn lassen den Film in ganz neuem Glanz erstrahlen, ein Fest für die Augen. Leider wurde der Ton nicht überarbeitet, weswegen die etwas blechern klingende Mono-Spur nicht ganz zu dem erstklassigen Bild passt. Dazu gesellt sich reichlich Bonusmaterial, u.a. ein Audiokommentar, Making-Of und mehrere Featurettes. Die Edition beinhaltet darüber hinaus noch Poster und Artcards.

Fazit:

ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA (1955) gehört vielleicht nicht zu den ganz großen Hitchcock-Meisterwerken, ist aber ein fantastisch aussehender, charmanter, leichtflüßiger „Glamour-Thriller“ vor traumhafter Kulisse mit einem bestens aufgelegten Hauptdarsteller-Duo. Ein Film, mit dem einfach eine gute Zeit hat und mit dem man wunderbar dem tristen Alltag entfliehen kann.

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