In den 1980er Jahren war der italienischen Filmindustrie so gut wie nichts heilig. Im Dutzend billiger füllten sich die Videotheken mit Streifen aus dem Land des Stiefels, die stets bemüht waren, internationale Kinotrends zu „adaptieren“. Egal ob One-Man-Army-Actionspektakel im Fahrwasser der RAMBO-Filme, an insbesondere MAD MAX II – DER VOLLSTRECKER (1981) angelehnte Endzeit-Heuler, Science-Fiction-Quark nach Mustern von ALIEN (1979) und TERMINATOR (1984), Sword-and-Sorcery-Mumpitz nach dem Vorbild von CONAN DER BARBAR (1982) und natürlich reihenweise Horror-Schlock im Dunstkreis populärer Hollywood-Produktionen. Dass auch der Erfolg des Kultfilms KARATE KID (1984) und dessen Fortsetzungen nicht spurlos an Schund-Produzenten wie Fabrizio De Angelis vorbeiging, liegt in der Natur der Sache. So schnappte er sich der emsige Plagiator und Filmemacher ein paar Jungdarsteller, karrte diese auf die Philippinen und drehte mit KARATE WARRIOR (1987) seinen eigenen Beitrag zum in Mode gekommenen Teenager-Kampfsportfilm. WMM und Cargo Records veröffentlichten den Streifen kürzlich als Neuauflage im wattierten Mediabook und als Keep-Case-Version im Heimkino. Ob der „Warrior“ dem „Kid“ das Wasser reichen kann?
Originaltitel: Il ragazzo dal kimono d’oro
Drehbuch: Fabrizio De Angelis, Dardano Sacchetti
Regie: Fabrizio De Angelis
Darsteller: Kim Rossi Stuart, Ken Watanabe, Jannelle Barretto, Jarred Martin, Janet Agren, Enrico Torralba…
Artikel von Christopher Feldmann
Regisseur und Filmproduzent Fabrizio De Angelis scherrte sich offensichtlich nie um große Filmkunst oder so etwas wie Anspruch in seinen Produktionen. De Angelis, der gerne mit dem Pseudonym „Larry Ludman“ unterwegs war, war ein Mann für grobe und möglichst kommerzielle Unterhaltung, die stets für den internationalen Markt konzipiert und eng an amerikanischen Vorbildern angelehnt war. Als Produzent war der inzwischen 84-jährige Italiener für so manchen Klassiker des südeuropäischen Exploitationfilms verantwortlich. Ob man Streifen wie BLACK EMANUELLE – STUNDEN WILDER LUST (1976), NACKT UNTER KANNIBALEN (1977), FLOTTE TEENS UND SEX NACH NOTEN (1979), METROPOLIS 2000 (1983) und CY-WARRIOR (1989) allerdings als „Klassiker“ bezeichnen kann, liegt im Auge des jeweiligen Betrachters. Nicht zu leugnen ist allerdings die Tatsache, dass er mitverantwortlich für Lucio Fulcis zweiten Karrierefrühling als Splatter-Opa war, produzierte er doch dessen blutige Kultfilme WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES (1979), DIE GEISTERSTADT DER ZOMBIES (1981), DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER (1981) und das Sleaze-Fest DER NEW YORK RIPPER (1982).
Als Regisseur hinterließ De Angelis weniger Spuren in der Filmgeschichte. Sein Regiedebüt THUNDER (1983) war eine mehr oder weniger dreiste Kopie des Stallone-Hits RAMBO: FIRST BLOOD (1982), THUNDER 2 (1987) und THUNDER 3 (1988) setzten wie auch die weiteren Einsätze von Slys Kultfigur mehr auf bleihaltigen Rabatz. Und dann gab es eben noch KARATE WARRIOR (1987), mit dem De Angelis sich an den Erfolg von John G. Avildsens KARATE KID (1984) hängte. Dass dabei nur ein kostengünstiges Rip-Off von mauer Qualität herauskommen konnte, dürfte niemanden überraschen. Wer allerdings schon Hohn und Spott für glattgebügelten Kämpfe im Original übrig hat, wird in IL RAGAZZO DAL KIMONO D’ORO seinen neuen Meister gefunden haben.
Handlung:
Der sechzehnjährige Anthony (Kim Rossi Stuart) gerät in seinen Ferien in einen Alptraum der Gewalt und Zerstörung. In einem phillipinischen Dorf terrorisiert eine Schläger- und Erpressertruppe die Bevölkerung. Anführer der Bande ist Kinou (Enrico Torralba), ein gefährlicher Karatekämpfer. Auch der junge Tourist bekommt die brutale Tyrannei der Gangster am eigenen Leib zu spüren und wird brutal von Kinou zusammengeschlagen. Im Wald findet ihn der Eremit Kimura (Ken Watanabe), der einst der Lehrer von Kinou war, und weiht ihn in die tiefsten Geheimnisse der Kampfkunst ein. Beim alljährlichen Karateturnier kommt es dann zum alles entscheidenden Kampf zwischen Anthony und Kinou.
Selbstverständlich ist die Erwartungshaltung an einen Film wie KARATE WARRIOR relativ niedrig, zumal man sich in Erinnerung rufen muss, dass das italienische Genrekino anno 1987 seinen Zenit längst überschritten hatte. Machwerke wie eben das hier vorliegende waren die letzte Bastion der Cinecitta, preiswert produzierte Kopien internationaler Publikumserfolge, um in den Videotheken noch ein paar Zuschauer abzugreifen. Allerdings haben auch solche Rip-Offs ihren Charme und Unterhaltungswert, man denke beispielsweise an THE LAST JAWS (1981), der 1:1 Spielbergs DER WEIßE HAI (1975) nachahmte, als Film aber durchaus Spaß machte. KARATE WARRIOR hingegen macht keinen Spaß, sondern ist vor allem stinklangweilig.
Das Debakel beginnt mit Milchgesicht Kim Rossi Stuart, der hier als sechzehnjähriger Motorcross-Champion (eine Information, die gerne im Film gedropt wird aber eigentlich kaum Relevanz hat) auf die Philippinen reist, um seine Ferien beim dort lebenden Vater zu verbringen. Warum auf den Philippinen? Weil Filmdrehs dort schon immer billig waren und man sich um irrelevante Dinge wie Mitarbeiterschutz und Sicherheitsmaßnahmen keine Gedanken machen musste. Für die Story ist die Location ohnehin unerheblich, sie hätte genauso gut in Oer-Erkenschwick angesiedelt sein können. Jedenfalls macht „Anthony“ schnell Bekanntschaft mit der süßen „Maria“ aber auch mit Karate-Schläger „Kinou“, der lokale Geschäfte um Schutzgeld erpresst. Es kommt zum Konflikt und unser vorlauter Protagonist bekommt ordentlich auf die Omme. Wieder erwacht aus dem kurzzeitigen Knock-Out findet sich „Anthony“ bei Meister „Kimura“ wieder, quasi „Mr. Myagi für Arme, der im Dschungel vor sich hin meditiert und den lädierten Möchtegernhelden unter seine Fittiche nimmt.
Wer jetzt glaubt, einen kurzen Abriss der Ausgangssituation, quasi des Vorgeplänkels, gelesen zu haben, den muss ich schweren Herzens enttäuschen. Sobald „Anthony“ bei dem Asiaten mit dem Zottelbart aufwacht, ist schon etwas über eine Stunde der 89-minütigen Laufzeit vorbei. Es bleiben also noch rund 20 bis 25 Minuten für das Training und den finalen Kampf übrig. Prost Mahlzeit!
Im Grunde ist KARATE WARRIOR fast schon eine Mogelpackung, denn Karate wird eigentlich nur in zwei Szenen präsentiert. Ansonsten führt „Anthony“ unter Anleitung des Meisters bescheuerte Übungen im Wald durch, etwa gegen eine Melone boxen, die an einem Seil hängt oder eine Kuh niederzustrecken, was für Gegner von Gewalt gegen Tiere bestimmt besonders erfreuen dürfte. „Anthony“ erlernt nämlich den „Drachenschlag“ (wie wird nicht gezeigt aber who cares?) und darf dann unterstützt von einem miesen Lichteffekt eine Kuh außer Gefecht setzen. Tatsächlich dauert das gesamte Training nur wenige Filmminuten aber auch in der Handlung selbst wird nur von ein paar Tagen gesprochen, bis „Anthony“ zum Karatemeister avanciert, einen solchen Kurs würde ich auch gerne belegen. Es folgt noch der finale Endkampf, bei dem Regisseur De Angelis beweist, dass ihm nicht das Talent geschenkt wurde, Kampfsportszenen authentisch zu inszenieren. Generell sieht der Film aus wie die ganzen Gurken, die Bruno Mattei in der Spätphase seiner Karriere auf den Philippinen drehte, nur das in KARATE WARRIOR das Geballer und die Pyrotechnik fehlt. Übrig bleibt somit nur langweiliger, lausig gedrehter Quark, über den Ich mich wahrscheinlich noch mehr aufgeregt hätte, hätte ich mich damals in der Videothek vom Cover verführen lassen.
In den Videotheken muss KARATE WARRIOR zumindest irgendeine Form von Erfolg vergönnt gewesen sein, erschienen bis ins Jahr 1993 unter der Regie von Fabrizio des Angelis ganze 5(!) Fortsetzungen, wobei KARATE WARRIOR 6 (1993) lediglich ein Zusammenschnitt mehrerer Episoden einer TV-Serie darstellt. Betrachtet man sich andere unter italienischer Ägide produzierte Genretitel dieser Zeit, kann man sich ausmalen, in welche qualitativen Sphären diese Sequels hinabsteigen.
WMM und Cargo Records spendierten dem Italo-Klopper eine Blu-ray-Neuauflage im Keep-Case. Außerdem ist noch eine Mediabookvariante ohne Zusammenarbeit mit Cargo Records erschienen. Bei den Discs der Amaray handelt es sich um ein Repack der im vergangenen Jahr erschienen Blu-ray. Bild- und Tonqualität der Scheibe demzufolge auf ordentlichem Niveau. In den Extras finden sich Bildergalerie und Trailer.
Fazit:
Für einen Film mit dem Titel KARATE WARRIOR (1987) bekommt der geneigte Kampfsportfan erstaunlich wenig Handkantenakrobatik geboten. Stattdessen serviert man einen in die Länge gezogenen Haufen Geplänkel, welches jegliche Form von Emotion oder gar Spannung vermissen lässt und dazu noch erbärmlich schlecht gespielt ist. Hier handelt es sich wirklich um absoluten Italo-Schund, der aber im Gegensatz zu anderen Genrekollegen nicht auch nur eine Sekunde unterhaltsam ist und als Trash ebenso versagt wie als Actionfilm.
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