Das Weihnachtsgeschäft ist im vollen Gange – da müssen natürlich auch die Kinos mitmachen. Die Vorweihnachtszeit ist schließlich die beste Zeit, um an den kurzen Tagen den Kids das Warten aufs Christkind in einem Kinosaal zu verkürzen. Während andere lediglich eine weitere Jumanji-Variante mit Weihnachtsmann im Petto haben (die in Überschallgeschwindigkeit ins Heimkino wechselte) und die Maus mit einem Zeichentrick-Sequel und einem Realverfilmungs-Prequel ihr Glück versucht, beschreitet UNIVERSAL PICTURES einen originelleren Weg. Sie wagten sich an die Produktion des erfolgreichen Broadway-Musicals Wicked – Die Hexen von Oz. Ich war skeptisch, zumal man die Geschichte in zwei Filme aufgeteilt hat und die Trailer nach CGI-Overkill aussahen. Umso überraschter verließ ich den Kinosaal.
Originaltitel: Wicked: Part I
Regie: Jon M. Chu
Darsteller: Cynthia Erivo, Ariana Grande, Ethan Slater, Jonathan Bailey, Michelle Yeoh, Jeff Goldblum
Artikel von Christian Jürs
Es ist schon seltsam, dass 2024 ein filmisches Musical-Jahr wurde, die Verleiher dies jedoch vor ihrem Publikum versuchten, zu verheimlichen. Schaut man sich die Trailer zu Joker: Folie à Deux, Emilia Pérez oder Wicked – Teil 1 an, so erwartwt man zumindest kein Musical. Bei Letzterem, um den es hier geht, ging man im Hause Universal Pictures sogar noch einen Schritt weiter und unterschlug den Hinweis darauf, dass es sich hier um Teil 1 von 2 handelt. Dass man zusätzlich noch die erste Hälfte des Musicals auf satte 160 Filmminuten streckte, war zudem kein gutes Omen. Ein Irrtum meinerseits, denn Wicked – Teil 1 bietet beste, märchenhafte Unterhaltung für die Vor- und Nachweihnachtszeit. Doch kommen wir erstmal zur Handlung.
Die böse Hexe ist tot! – Diese frohe Botschaft verkündet ihr gutes Gegenstück, die freundliche Hexe Glinda (Ariana Grande) dem jubelnden Volk. Doch zwischen all dem frenetischen Applaus keimt plötzlich eine Frage auf. Die Frage, ob Glinda einst mit Elphaba (Cynthia Erivo), der bösen Hexe, befreundet war. Glinda muss es zugeben, Elphaba und sie waren einst Freunde – dies ist ihre Geschichte.
Die beiden jungen Damen treffen sich erstmals, als sie ihr Studium an der Universität Glizz im fantastischen Land Oz antreten. Glinda, die damals noch Galinda genannt wurde, ist eine verwöhnte, naive, junge Göre, die nur auf ihren Vorteil bedacht ist. Der Anblick der grünhäutigen Elphaba, die deshalb als Außenseiterin gilt und sogar von ihrem Vater, dem Govenor Thropp (Andy Nymann), gehasst wird, irritiert die junge Dame. Die Hautfarbe ist aber nicht der einzige Grund, warum „Vater“ und Tochter sich nicht „grün“ sind (ho ho). Sein Herz schlägt stattdessen für seine geliebte, zweite Tochter Nessarose (Marissa Bode), die allerdings im Rollstuhl sitzt und, nach Ansicht des Vaters, die Aufsicht von Elphaba benötigt, weswegen sie ebenfalls an der Universität bleiben darf.
Die Situation eskaliert bereits bei Ankunft, als man Elphaba aufgrund ihres Aussehens hänselt. Plötzlich werden bei der jungen Dame magische Kräfte freigesetzt, die die Aufmerksamkeit der Schulleiterin Madame Morrible (Michelle Yeoh) auf die Außenseiterin lenkt. Diese nimmt Elphaba umgehend unter ihre Fittiche, um ihr Privatstunden zu erteilen, was die naive Galinda nicht verstehen kann, bekam sie doch bislang immer die volle Aufmerksamkeit. Dass sie zudem ihr Zimmer mit der Außenseiterin teilen soll, macht es nicht besser.
Als sich dann noch der draufgängerische und smarte Fiyero (Jonathan Bailey) an der Universität einschreibt, verlieben sich beide, die eine öffentlich, die andere klammheimlich, in den Schönling. Doch anstatt im Konkurrenzkampf gegeneinander anzutreten, werden G(a)linda und Elphaba beste Freundinnen. Doch es bilden sich dunkle Wolken am Himmel von Oz, als man den sprechenden Tieren ihrer Rechte beraubt, um sie fortan in Käfigen zu halten. Elphaba versucht, dies um jeden Preis zu verhindern, weiß sie doch selbst am besten, wie es ist, ausgestoßen zu sein. Da kommt es gerade recht, dass der große Zauberer von Oz (Jeff Goldblum) sie aufgrund ihres Talentes zu sich einlädt. Wer könnte helfen, wenn nicht er?
Was Musicals betrifft, so habe ich Spaß an Filmen wie La La Land oder The Greatest Showman. Das ist so ziemlich ganz weit weg von Wicked – Teil 1. Auch bin ich nicht der größte Fantasy-Fan, auch wenn ich die Herr der Ringe-Verfilmungen und die Harry Potter-Reihe natürlich gesehen habe. Und doch schaffte es dieses 160 Minuten lange Musical, mich von Anfang an in seinen Bann zu ziehen.
Klar, der Film ist übersäht mit CGI-Effekten und wirkt entsprechend künstlich, doch drehte man nicht vor LED-Wänden, sondern baute echte Sets, in denen die Schauspieler agieren. Dies verdichtet die Musical-Atmosphäre deutlich zum Positiven. Die Schauspieler sind allesamt treffend besetzt (auch wenn Michelle Yeoh über die Gesangsqualität eines Pierce Brosnan verfügt). Zwar taucht ein Jeff Goldblum in diesem ersten Teil erst sehr spät auf, doch er bringt sofort den nötigen Witz und Charme mit, den man von ihm gewohnt ist. Die größte Überraschung ist aber Ariana Grande, die nicht nur mit Gesangstalent überzeugt, sondern auch mit unglaublicher Spielfreue. Sie bringt unglaublich viel Witz in den Film als Zicke mit Herz.
Wicked – Teil 1 wirkt ein wenig wie eine Mischung aus Maleficent und Harry Potter, aufgepeppt mit vielen Gesangs- und Tanzeinlagen. Fans werden diese Songs lieben (im Preview-Publikum wurde ordentlich mitgesungen), bei mir blieben die Melodien aber nicht haften (sorry). Der Film wird in verschiedenen Versionen gezeigt. Mal komplett synchronisiert, im Original und mit deutscher Synchro und Songs im Originalton mit Untertiteln. Letztere Version habe ich gesehen, was mir auch am Liebsten war. Allerdings scheinen sich die Untertitel an der deutschen Sprachfassung zu orientieren – da passt ja gar nichts.
Regisseur Jon M. Chu gelang das Kunststück, ein vergnügliches Kinoabenteuer für die ganze Familie zu schaffen, welches verdient an der Box Office abräumen wird, auch wenn die Laufzeit von 160 Minuten etwas ausufernd ist. Das Ende dieses ersten Teils ist gelungen, lässt aber Zweifel aufkeimen, ob der zweite Film über die gleiche, unterhaltsame Leichtfüßigkeit verfügen wird. Gespannt bin ich allemal.