In den 1980er Jahren hatten reaktionäre Actionfilme Hochkonjunktur und nicht selten wurde inmitten des kalten Krieges die Kinoleinwand dafür verwendet, den Staatsfeinden der USA mit viel Pyrotechnik den Garaus zu machen. Immerhin waren es die Zeiten, in denen Sylvester Stallone in RAMBO II – DER AUFTRAG (1985) nachträglich den Sieg in Vietnam nach Hause holte. Nur ein Jahr zuvor lieferte allerdings Regisseur John Milius die zur Blaupause gewordene Faschofantasie des patriotischen Actionkitschs ab. DIE ROTE FLUT (1984) galt seiner Zeit als Skandalfilm und wurde besonders von Friedensaktivisten boykottiert, avancierte aber über die Jahre zum Kultfilm, nicht zuletzt weil Milius hier ein groteskes Szenario entwirft, in dem aus Russen und Kubanern bestehende Armeen die USA überfallen. In einer Kleinstadt rottet sich jedoch eine Truppe aus beliebten Jungdarstellern zusammen, die den Invasoren in bester Guerilla-Tradition entgegentreten, um ihr Vaterland zu retten. Capelight Pictures veröffentlichte diesen reaktionären Fiebertraum kürzlich 4K-reatauriert als Limited Collector’s Edition, sowohl im Media- als auch im Steelbook. Unsere Kritik findet ihr im Artikel.
Originaltitel: Red Dawn
Drehbuch: Kevin Reynolds, John Milius
Regie: John Milius
Darsteller: Patrick Swayze, Charlie Sheen, C. Thomas Howell, Lea Thompson, Jennifer Grey, Powers Boothe, Darren Dalton, Brad Savage, Ben Johnson, Harry Dean Stanton…
Artikel von Christopher Feldmann
Der Kalte Krieg befand sich in den 1980er Jahren auf seinem Höhepunkt und war allgegenwertig, nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich. Die Angst vor einem möglichen dritten Weltkrieg war groß, nicht zuletzt weil der damalige US-Präsident Ronald Reagan nicht müde wurde, den Osten als das „Reich des Bösen“ zu titulieren. Es war eine Zeit, in der das Kino diese Ängste aufgriff und nicht selten diente die Sowjetunion als prädestiniertes Feindbild für große Kinoblockbuster. Man denke nur an ROCKY IV – DER KAMPF DES JAHRHUNDERTS (1985), in dem Sylvester Stallone den Kalten Krieg quasi im Boxring entschied oder Genre-Recken wie Chuck Norris in INVASION USA (1985) Amerika im Alleingang vom „roten Gesindel“ befreite. Zwar verlagerte sich diese Feindseligkeit zunehmend in den B-Movie-Bereich, die Thematik sprach aber das US-Publikum aber durchaus an. DIE ROTE FLUT (1984), im Original RED DAWN, gilt gewissermaßen als der Vorreiter dieses Trends und stellt zudem wohl das Paradebeispiel des reaktionären Kinos der 80s dar. Regisseur John Milius, der zwei Jahre zuvor mit CONAN, DER BARBAR (1982) Arnold Schwarzenegger auf der Leinwand etablierte und darüber hinaus für das Drehbuch zum Klassiker APOCALYPSE NOW (1979) verantwortlich war, kassierte für seine filmische Dystopie eines dritten Weltkriegs viel Schelte und musste sich vorwerfen lassen, lediglich einen stumpfen Propagandafilm inszeniert zu haben. Tatsächlich treffen diese Vorwürfe allesamt zu, DIE ROTE FLUT ist reaktionäres, rassistisches und hasserfülltes Actionkino in Reinkultur aber gerade aufgrund seiner politischen Haltung und der Ansammlung an großen Namen auf der Besetzungsliste sicher ein Streifen, den man aus filmhistorischer Sicht einmal gesehen haben sollte.
Handlung:
In der beschaulichen Kleinstadt Calumet in Colorado sitzen Matt (Charlie Sheen) und seine Klassenkameraden gerade im Geschichtsunterricht, als feindliche Fallschirmjäger auf dem Footballfeld ihrer Highschool landen und ohne Vorwarnung das Feuer eröffnen. Während die Angreifer die Stadt in ein Kriegsgebiet verwandeln, wird Matt von seinem älteren Bruder Jed (Patrick Swayze) gemeinsam mit seinen Freunden aus der Gefahrenzone evakuiert, um in die Berge zu fliehen. Eingedeckt mit einer Campingausrüstung, Proviant und Jagdwaffen, formieren sie sich zu einer Guerillatruppe – fest entschlossen, sich den Invasoren entgegenzustellen.
So richtig böse kann man DIE ROTE FLUT eigentlich nicht sein, fängt der Film doch ohne große Schnörkel die Ängste der US-Bevölkerung anno 1984 ein. Er ist eben ein Kind seiner Zeit, in der eine gehörige Portion Patriotismus zum guten Ton gehörte und in der Helden den von der Realität geprägten Schrecken ausmerzten. Milius‘ Drehbuch, welches er gemeinsam mit Kevin Reynolds schrieb, ist ähnlich schlicht. Im Fokus steht eine Invasion der USA durch sowjetische und kubanische Truppen. Vom Ausmaß dieser Besetzung erfährt der Zuschauer erst durch die Berichte des Oberstleutnant „Andy Tanner“, der sich nach einem Abschuss seines Fliegers zu unseren Hauptfiguren gesellt. Die Handlung des Films spielt ausschließlich in und um der Kleinstadt Calumet in Colorado, welche von den Invasoren eingenommen wird.
Tatsächlich verliert der Film keine Zeit, wird doch nach gerade einmal fünf Minuten schon geschossen, was das Zeug hält und unsere Kerntruppe flieht in die Berge, nachdem sie sich mit Jagdwaffen, Schlafsäcken, Dauenenkleidung und Konserven eingedeckt haben. Tatsächlich schafft es der Regisseur ein wahres unangenehmes Szenario zu etablieren, gehen die Feinde doch nicht gerade zimperlich zu Werke. Einwohner, darunter auch Eltern der Teenager werden erbarmungslos exekutiert, was insofern für die Dramaturgie hilfreich ist, da man stets das Gefühl hat, dass niemand sicher ist. Dass es sich dabei um plumpe Schwarzweißmalerei handelt, sollte man nicht in Frage stellen, agieren die Invasoren doch kaltblütig und gewissenlos. So war das eben in den 80ern, die Russen waren das pure Böse, die Amerikaner die Guten. So präsentieren sich auch unsere Helden als aufrichtige Vaterlandsvertreter, die sich als Partisanen unter dem Namen „Wolverines“ aufmacht, den Angreifern ein Schnippchen zu schlagen und diese um jeden Preis zu dezimieren. Allerdings verliert DIE ROTE FLUT schnell etwas an Reiz, vernachlässigt der Film doch einen Großteil seiner Karriere, in dem er spätestens nach einer halben Stunde lediglich Actionszenen aneinanderreiht. Von dem Überlebenskampf in den kalten Bergen bekommt der Zuschauer ebenso wenig mit wie von der Reife der Jungs und Mädels zu Guerilla-Kriegern, die irgendwann mit Maschinengewehren und Panzerfäusten ausgestattet konzentrierte Angriffe starten.
So geht auch ein maßgeblicher Teil der Charakterentwicklung verloren, die Trauer über den Verlust von Eltern, die Spannungen untereinander oder gar kleine Liebesgeschichten wie der zwischen Lea Thompson und Powers Boothe, werden nur stiefmütterlich behandelt. Man hat vielmehr das Gefühl, dass der Film darauf aus ist, eine maximale Bedrohung aufzubauen und die Figuren dabei zu zeigen wie sie im Akkord Russen und Kubaner über den Haufen ballern. Wie sie die Fähigkeiten erlangt haben, mit entsprechenden Waffen umzugehen und sich Militärtaktiken zu eigen machen, bleibt dann doch eher im Dunkeln.
Ja, DIE ROTE FLUT ist platte Propaganda und auch gerade deswegen als Zeitdokument sehenswert. Wer einmal wissen möchte wie die Gesinnung damals so war, bekommt mit Milius‘ dystopischen Kriegsszenario die volle Packung. Dabei ist es aber dennoch lobenswert, dass man nie die Grenze zum Actioncomic überschreitet, denn anders als beispielsweise RAMBO II verbreitet der Streifen keine Partylaune, sondern bleibt stets ernst und grimmig in seiner Darstellung. Es geht streckenweise blutig zur Sache, es kracht und scheppert im Minutentakt. Dass der Regisseur sein Handwerk versteht, lässt sich an den Actionszenen erkennen, hier wurde viel Aufwand betrieben, um die Bedrohung greifbar zu machen. DIE ROTE FLUT ist handwerklich absolut und top und gleitet nie in Richtung Trash ab, allerdings fehlt das Herz und auch das Vermögen, den Charakteren etwas Fleisch zu geben. Die bleiben größtenteils etwas blass, auch wenn es beeindruckend ist, welchen Cast Milius für sein Werk versammeln konnte.
Patrick Swayze, noch vor seinem großen Durchbruch mit DIRTY DANCING (1987), und Charlie Sheen, noch bevor er zum wandelnden Kokainhaufen wurde, führen die Besetzung an und galten schon damals als vielversprechende Jungstars. Beide stechen auch am meisten hervor und sind als Brüderpaar ganz klar die Protagonisten. Im Gedächtnis bleibt aber auch eine wirklich eklig pathetische Szene, in denen beide von ihrem Vater (gespielt von Harry Dean Stanton) aufgefordert werden, nie mehr zu weinen. Flankiert werden Swayze und Sheen u.a. von C. Thomas Howell (ebenfalls ein Teeniestar der damaligen Zeit), sowie von Lea Thompson, die später mit ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT (1985) ihren Durchbruch feierte, und Jennifer Grey. Letztere sah man später als „Baby“ in Swayzes größtem Hit, weil beide bei den Probeaufnahmen so gut miteinander harmonierten. Grund dafür war eine Liebesszene in DIE ROTE FLUT, die allerdings dem Schnitt zum Opfer fiel. In weiteren Rollen sind Powers Boothe, Ben Johnson und der bereits erwähnte Stanton zu sehen.
Capelight Pictures spendierte dem Film eine schicke Limited Collector’s Edition, die nicht nur als Mediabook, sondern auch als Steelbook erschienen ist. Die 4K-Disc bietet DIE ROTE FLUT in fantastischer Qualität, das Bild ist gestochen scharf, weist eine tolle Farbtiefe und gute Kontraste auf, ohne auf eine gute Dosis Filmkorn zu verzichten. Im Vergleich zur alten Blu-ray ist die neu restaurierte Version auf jeden Fall vorzuziehen, auch die Tonspur weiß durch einen dynamischen Sound zu überzeugen. Auf einer Bonus-Blu-ray befindet sich noch eine knappe Stunde Bonusmaterial, u.a. ein Making-Of. Das Mediabook beinhaltet darüber hinaus noch ein 24-seitiges Booklet.
Fazit:
DIE ROTE FLUT (1984) ist reaktionäres Propagandakino, dessen Botschaft man in keinster Weise für bare Münze nehmen sollte. Auch abseits der Message besteht der Film größtenteils aus einer Aneinanderreihung an Actionszenen, durch die die einzelnen Charaktere nur angerissen werden, was auf Kosten der Spannung geht. Trotzdem ist Milius‘ bleihaltige Dystopie wertig inszeniert und wartet mit einer beeindruckenden Besetzung auf. Als reiner Filmgenuss taugt RED DAWN nur bedingt, als Zeitdokument dafür umso mehr.
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