Lange bevor Luc Besson als Produzent, Drehbuchschreiber und Chef der französischen Produktionsfirma EuropaCorp Jason Statham mit TRANSPORTER (2002) zum Actionstar machte und Liam Neeson mit TAKEN (2008) einen zweiten Karrierefrühling in ähnlichen Gefilden ermöglichte und etliche weitere Filme nach ähnlichen Rezepten auf die Leinwand brachte, lieferte er als Regisseur und Autor einen der ganz großen Klassiker des Kinos der 1990er Jahre. LÉON – DER PROFI (1994) gilt nicht nur gemeinhin als absoluter Kultfilm und hat einen festen Platz auf zahlreichen Bestenlisten, sondern erwies sich auch als entscheidendes Karriere-Sprungbrett der Hauptdarsteller Jean Reno, Natalie Portman und Gary Oldman. Studiocanal und Arthaus spendierten dem packenden Actiondrama zum 30-jährigen Jubiläum eine neue Steelbook-Auflage, die sowohl den Director’s Cut, als auch die für den US-Markt geschnittene Kinofassung in 4K enthält.
Originaltitel: Léon
Drehbuch & Regie: Luc Besson
Darsteller: Jean Reno, Natalie Portman, Gary Oldman, Danny Aiello, Peter Appel…
Artikel von Christopher Feldmann
Während Quentin Tarantino im Jahr 1994 mit PULP FICTION für frenetische Begeisterungsstürme sorgte und dem Independent-Kino zu neuem Marktwert verhalf, sorgte der französische Produzent, Autor und Regisseur Luc Besson dafür, dass das internationale Publikum auch einen genaueren Blick auf die europäische Film-Industrie warf. Nachdem Besson bereits mit Filmen wie SUBWAY (1985) und dem Actionthriller NIKITA (1990) veritable Hits vorweisen konnte, setzte er mit LÉON – DER PROFI (1994) einen weiteren Meilenstein in seiner Karriere, der nicht nur große Anerkennung erfuhr, sondern auch heute noch regelmäßig in zahlreichen Bestenlisten zu finden ist. Bessons emotional aufgeladenes Actiondrama gehört zweifelsohne zum Pflichtprogramm eines jeden Filmfans und das obwohl es erst in der Zweitverwertung im Heimkino richtig zum Hit wurde.
Handlung:
Die 12-jährige Mathilda (Natalie Portman) wächst nicht gerade in den besten Verhältnissen auf. Ihre Mutter arbeitet als Prostituierte, ihr Vater versteckt Drogen für den korrupten Polizisten Norman Stansfield (Gary Oldman). Als sich dieser eines Tages betrogen fühlt, richtet er kurzerhand die ganze Familie hin und nur Mathilda entgeht dem Massaker knapp. Verzweifelt bittet sie ihren wenig gesprächigen Nachbarn Léon (Jean Reno) um Hilfe, der sie nur widerwillig in die Wohnung lässt. Schon kurze Zeit später stellt sie fest, dass er sein Geld als Profikiller verdient. Sie beschließt ebenfalls Cleaner zu werden, um den Mord an ihrer Familie zu rächen…
Bereits im Jahr 1994 war der Plot, den LÉON – DER PROFI dem Zuschauer anbietet, keineswegs neu oder gar ansatzweise originell. Die Geschichte um einen einsamen, schweigsamen Hitman, der stoisch und konsequent seine Arbeit verrichtet und im Laufe des Films Menschlichkeit erfährt, gab es schon häufig. Besonders im französischen Noir-Kino wurden bereits zahlreiche Stilmittel etabliert, bei denen sich Besson ausgiebig bedienen konnte. Was den Film schlussendlich zum Meisterwerk macht, sind die starken Charaktere, denen das Drehbuch genug Raum gibt, um die Geschichte zu tragen. Besson war nie der große Geschichtenerzähler, sondern eher ein Filmemacher, der mit Stil und Aufmachung punkten konnte. Hier hat er es allerdings geschafft, eine große Emotionalität zu erzeugen, was nicht mal zwingend an der titelgebenden Hauptfigur liegt. „Léon“ ist der klassische Auftragskiller, wie man ihn aus zahlreichen, ähnlich gelagerten Filmen kennt. Schweigsam, einzelgängerisch und mit dem Tod verwandt, wobei er aber streng nach eng gesteckten Prinzipien lebt. Diese im Grunde doch eher stereotype Figur wird allerdings von Jean Reno derart authentisch und gefühlvoll dargestellt, dass das ein oder andere Klischee nicht ins Gewicht fällt. Mit diesem Film feierte Reno zu Recht seinen internationalen Durchbruch.
Der große Gewinn, sind die beiden weiteren tragenden Charaktere, die einen krassen Kontrast zu dem eher maulfaulen Antihelden bilden. „Léon“ bekommt mit „Mathilda“ ein aufgewecktes, von Traumata geprägtes Mädchen zur Seite gestellt, eine vielschichtige Figur, die so viele emotionale Komponenten vereint und dabei so grandios gespielt ist, dass man sich nicht wundert, warum Natalie Portman danach zum Star wurde. Das Gleiche gilt für Paradebösewicht Gary Oldman, der als drogensüchtiger Cop eine absolute Wucht ist und mit so viel Verve das verachtenswerte Arschloch gibt, dass sogar die zugegeben recht simpel gestrickte Rache-Story eine ganz eigene Tiefe bekommt. LÉON -DER PROFI lebt von seinen Figuren und ihren emotionalen Bausteinen, die sich perfekt zu einem homogenen Ganzen zusammenfügen. Alle drei Figuren bilden durch ihre Darstellungen und Persönlichkeiten eine Art magische Symbiose, so dass man als Zuschauer mit ihnen mit fiebert und sich dem Bann des Films kaum mehr entziehen kann.
Dabei läuft das Drehbuch aber auch nie Gefahr in Plattitüden abzugleiten, bleibt doch die Beziehung zwichen „Léon“ und „Mathilda“ durchweg ambivalent, nie kitschig, obwohl manche Szenen dazu neigen. Auch eine sexuelle Komponente spielt eine Rolle, diese wird jedoch nur angedeutet und das auch nur in der gemeinhin als Director’s Cut bezeichneten Langversion. Heute wäre dies wahrscheinlich Auslöser einer Kontroverse, damals war dies allerdings die nötige Würze, um den Figuren eine noch größere Dimension zu verleihen. Die Beiden schaffen es schnell, das Herz des Zuschauers zu erobern und mit ihnen zu fühlen, besonders weil Oldmans Antagonist, mit Vorliebe für Beethoven, so grandios als Kontrahent und Gegenstück funktioniert.
Inszenatorisch bewegt sich Besson auf erprobten und routinierten Pfaden. Zwar frönt der Regisseur, der später mit DAS FÜNFTE ELEMENT (1997) einen weiteren Kultfilm in die Kinos brachte, ausgiebig seine Stilmitteln wie schnellen Zooms und Detailaufnahmen, jedoch gestaltet sich die Erzählung ruhiger als man zunächst vermuten würde. Die Action, die für einen Film dieser Art eigentlich unentbehrlich ist, spielt eine überraschend untergeordnete Rolle und wird größtenteils nur angedeutet, etwa wenn „Léon“ blutverschmiert von einem Auftrag zurückkehrt, von dem man als Zuschauer nichts sieht. Obwohl die Geschichte in New York angesiedelt ist, fühlt sich der Stil durchweg europäisch und im speziellen französisch. Höhepunkt ist natürlich das bleihaltige, explosive und auch blutige Finale, das auch aufgrund seiner Tragik einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Besonders das explosive, wie auch tragische Finale hinterlässt dabei nachhaltig Eindruck. LÉON – DER PROFI ist weniger Actionkracher, sondern viel mehr von starken Figuren getragenes Drama, an das man sich auch noch in den nächsten 30 Jahren erinnern wird.
Studiocanal und Arthaus veröffentlichten den bereits zum 25-jährigen Jubiläum im Jahr 2019 als deutschsprachige 4K-Premiere. Da Bessons Meilenstein im vergangenen Jahr stolze 30 Jahre alt geworden ist, spendierte man dem Ganzen eine Neuauflage, dieses Mal als „Definitive Edition“ im schicken 3-Disc Steelbook. Natürlich sind beide Fassungen vorhanden, die Kinofassung, sowie der Director’s Cut, obwohl Besson persönlich die für den US-Markt geschnittene und auch kürzere Version (Kinofassung) bevorzugt, weshalb der Director’s Cut eigentlich keiner ist und man stattdessen eher von einer Langfassung oder Extended Fassung sprechen könnte. Während bei der 2019 erschienenen Auflage lediglich die längere Version in 4K enthalten war, hat man nun auch die gekürzte Fassung restauriert und auf die UHD-Scheibe gepackt, womit nun beide Versionen sowohl in 4K als auch in HD vorliegen. Leider kann ich aufgrund fehlenden Vergleichsmaterials nicht beurteilen, ob die Neuauflage ein signifikantes Upgrade in Sachen Bild- und Tonqualität darstellt, jedoch sei gesagt, dass LÉON – DER PROFI blendend aussieht, ein gestochen scharfes und detailreiches Bild aufweist und auch der 7.1-Ton lässt eigentlich keine Wünsche offen.
Zusätzlich bekommt man auch ein paar Extras. Neben dem bereits bekannten Bonusmaterial (Interview mit Eric Serra; Interview mit Jean Reno; Jean Reno – The Road to Léon; Léon – A Ten Year Retrospective) beinhaltet die UHD-Disc auch neu produzierte Interviews, u.a. mit André Labbouze. dem Technischen Leiter der Produktionsfirma Gaumont.
Fazit:
Luc Bessons LÉON – DER PROFI (1994) ist nicht nur ein unbestrittener Klassiker der 1990er Jahre, sondern gehört auch in jede gut sortierte Filmsammlung. Ein mitreißendes, emotionales und gen Ende auch actiongeladenes Drama, das mit großartigen Schauspielleistungen und viel Herz aufwartet. Muss man gesehen haben!
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