Es ist wahrscheinlich unnötig zu erwähnen, dass Lucio Fulci ja nicht nur seine berühmten Horrorfilme drehte, die über Jahre, ach was, Jahrzehnte hinweg, die Bundesprüfstelle für Jugendschutz beschäftigten, sondern auch in allen anderen Genres recht umtriebig war. Dabei galt sein (oberflächiges) Interesse immer irgendwie der Kontroverse und dem Skizzieren von politischen Zuständen, gerne mal im Verbund mit einer scheinbaren Kritik an der katholischen Kirche und dem Ausloten von Sexualität. Werner Herzog meinte einmal in einem Interview, dass ohne Lucio Fulci im Kino einiges nicht möglich gewesen wäre und er mit seinem Stil ein wichtiger Teil der europäischen Filmlandschaft war. Es wäre also gänzlich falsch, Lucio Fulci als unwichtigen Billigfilmer aus Italien abzustempeln, denn kaum ein anderer prägte das Genre des italienischen Horrorfilms so sehr, wie Lucio Fulci. Da war zwar noch der Kollege Dario Argento, der allerdings einen anderen Stil für die Katharsis des Spannungsbogens wählte und mehr dem Psychothriller zugetan war. Beide Filmemacher sind stilistische Marken mit Alleinstellungsmerkmal, deren künstlerischer Wert heute anerkannter ist als damals. Wer in Italien in eine gepflegte Buchhandlung geht, wird dort restaurierte Fassungen (natürlich uncut) der meisten Filme von Lucio Fulci und Dario Argento im Buchregal finden (gleich neben Sergio Leone). Sorgte man sich früher noch um die Verrohung der Jugend und verscharrte diese Filme verschämt irgendwo zwischen Hühnerstall und Mülltonne bei Mondlicht im Garten, so sind sie heute ein anerkannter und restaurierter Teil italienischer Filmgeschichte und für 14,– Euro in Italien zu haben. Und dank eines extrem solventen deutschen Sammlermarktes, gibt es diese Klassiker nun nach und nach auch für den heimischen Markt. Jüngst erreichte uns die Nachricht, dass „Ein Zombie hing am Glockenseil“ wohl alsbald uncut in den Handel kommen wird. Wahrscheinlich nicht für 13,– Euro, sondern standesgemäß zu deutschen Sammlerpreisen. SEDNA MEDIEN brachte diesen Klassiker aus Lucio Fulcis Portfolio nun uncut und in einem gut gefüllten Medienbuch (!) heraus.

Originaltitel: Beatrice Cenci

Regie: Lucio Fulci

Darsteller: Tomas Milian, Adrienne Larussa, Georges Wilson, Ignazio Spalla, Raymond Pellegrin, Antonio Casagrande

Artikel von Kai Kinnert

Der reiche Tyrann Cenci unterjocht und schikaniert seine Familie und Untergebenen. Durch sein boshaftes und hinterhältiges Treiben steht er unter Beobachtung der römischen Kirche und wird sogar befristet aus Rom verbannt. Er feiert den Tod seiner beiden Söhne, und schändet nach dem Fest seine Tochter Beatrice, die sich ihm durch den Gang ins Kloster entziehen wollte. Daraufhin plant diese mit ihrem Geliebten und dem Rest der Familie den Mord am alten Cenci. Durch Folter werden Geständnisse erzwungen und die gesamte Familie wird verhaftet, enteignet und zum Tode verurteilt. Aber das Schicksal der Beatrice bewegt eine ganze Nation.

Beim Öffnen der Verpackung habe ich wieder etwas dazugelernt. Nach diversen Verpackungsmöglichkeiten kommt nun das Medienbuch auf den Markt, welches explizit kein Mediabook ist. Obwohl es in der Übersetzung dann doch dasselbe bedeutet, gestaltet sich die Realität hier anders. Der Unterschied ist die Tasche im Prägedruck auf der rechten Seite. Während beim Mediabook in der Mitte meist ein Text eingeheftet wurde, steckt hier alles auf der rechten Seite in der Tasche, während die Scheiben links sind. In der Tasche mit dem Prägedruck (vielleicht wird hier einmal zukünftig der Titel des jeweiligen Filmes stehen) steckt dann ein 28-seitiges Booklet, ein A4 Poster gefaltet und beidseitig bedruckt, drei Picture Cards im beidseitigen Druck und ein Untersetzer. Der ist wahrscheinlich für den Schnaps oder Cognac, den man sich vor und während des Films hinter die Binde gießen wird. Das erinnerte mich sehr an alte Commodore C64-Tage, wo ich mir im Wahn die Infocom Textadventure kaufte und stets am Englisch scheiterte. Dem Spiel The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy lag nämlich eine Geruchstafel bei (in den Geruchsrichtungen „alte Socken“, „Käsepizza“, „Schimmel“ usw.) und man wurde während des Spiels dazu aufgefordert, dieses oder jenes Geruchsfeld aufzukratzen und eine Nase tief davon zu nehmen. Das fehlt hier eigentlich auch noch: Die Geruchstafel mit den Feldern „Folterkeller“, „Angstschweiß“, „Blut“ und „fauliger Atem von Lucio Fulci“ könnten dann an entsprechender Stelle vom Zuschauer aufgekratzt und beschnuppert werden. Es gibt für den Fan also etwas zum Auspacken, was ich jetzt gar nicht so schlecht finde.

Doch in der Verpackung steckt ja auch noch ein Film, den ich zuvor nicht kannte. Man munkelt, dass es Fulcis Lieblingsfilm war und lobte allgemein die Ausstattung und Inszenierung. In der Tat ist der Film mit ruhiger Hand und ohne große Effekthascherei gefilmt worden, wobei die Inszenierung in seinem Western Django – Sein Gesangbuch war der Colt (1966) besser (und blutiger) war. Die Nackte und der Kardinal ist eher konventionell verfilmt worden, nur selten fordert Fulci von seinem Kameramann eine originellere Kameraführung. Wahrscheinlich war es die Story von Beatrice Cenci an sich, die Fulci reizte und den Film daher als eigenen Lieblingsfilm verortete. Die Story sollte dann auch nicht in selbstzweckhaften Folterszenen untergehen, wohl aber genügend Raum geben, um Kritik am Verhalten der Kirche zu üben. Wobei man nun in Fulcis Filmen nicht unbedingt eine ernsthafte Kritik an der katholischen Kirche feststellen kann, eher nutzte er dies als Aufhänger für ebensolche Szenen, die ihn einst berühmt machten, denn als ernsthafte Kritik. Fulci war ein Oberflächenkratzer und kein politischer Filmemacher mit Aussage. Aber er nutzte für das Genre die günstige Symbiose zwischen Kirche, Sex und Gewalt und bot so seinen Kritikern eine Ebene, an der sie Tiefe vermuten durften.

Die Geschichte um Beatrice Cenci erzählt sich in Rückblenden und beginnt mit dem Todesurteil für die Täter. Die Sprünge zwischen den Zeitebenen passieren ohne große zeiträumliche Orientierung für den Zuschauer, erklären sich aber schnell von selbst. Wir sehen, warum und wie es zur Tat kommt und wie das Gericht die Geständnisse aus den Verdächtigen presst. Fulci zeigt diese Szenen zwar immer etwas länger, als man es eigentlich müsste (man versteht ja recht früh, wie brutal die Verhöre waren), nutzt dies aber nur selten (und dann auch nur kurz) für explizitere Effekte.

Die Nackte und der Kardinal ist ein routiniert inszeniertes Kriminaldrama mit einigen Folterszenen, die dank Fulci immer etwas länger als nötig gezeigt werden. Dazwischen gibt es viel Dialog in recht originaler Kulisse, die mit reichlich Komparserie zum Leben erweckt wurde. Der Film ist durchaus atmosphärisch und findet seine größte filmische Dichte im Herauspressen der Geständnisse. Das war zu erwarten.

Das Bild der gesichteten Blu-ray ist zwar sauber von Kratzern und anderen Schäden, schliert jedoch in den Bewegungen und hat eine leichte Unschärfe. In der Titelsequenz stimmt das Bildformat nicht, auch unterscheiden sich an dieser Stelle die Farben zum Rest des Films. Der Ton ist gut. Als Extras gibt es (wie anfangs schon erwähnt) ein 28-seitiges Booklet, ein Poster A4 gefaltet und beidseitig bedruckt, drei Picture Cards beidseitig bedruckt und einen Untersetzer.

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