Irgendwelche seriösen Medien lobte einst die schauspielerische Leistung dieses kleinen Kammerspiels, kritisierten hingegen aber die mangelnde Logik in der Dramaturgie. Nun ja. Mal Hand aufs Herz – die große künstlerische Freiheit des Erzählens ist ja die Möglichkeit, logische Zusammenhänge der Dramaturgie anzupassen, und nicht umgekehrt. Das wäre an sich zwar auch mal lobenswert, ist aber für einen Film keine Bedingung. Welcher Thriller ist schon immer logisch? Wie oft rennen Leute bei Gefahr in den dunklen Wald oder auf den Dachboden? Oft. Gerade der Spannungsfilm lebt ja von der – Trommelwirbel – Spannung! Thrill´ ist ein Gefühl, etwas kribbelndes, der Thriller lebt von der Atmosphäre der Umgebung, vom Unerwarteten, von der Interaktion des Hauptdarstellers mit seinem Gegenspieler und der Bedrohung. Und genau das macht Die dritte Dimension auf eine ganz elegante Art und Weise, mit der ich nicht gerechnet hatte. PLAION PICTURES und EXPLOSIVE MEDIA brachten dieses Kleinod des Spannungskinos nun auf Blu-ray und DVD heraus.

Originaltitel: Le couteau dans la plaie

Regie: Anatole Litvak

Darsteller: Sophia Loren, Anthony Perkins, Gig Young, Jean-Pierre Aumont, Pascale Roberts, Elina Labourdette, Tommy Norden, Yolanda Turner

Artikel von Kai Kinnert

Der Film erzählt die Geschichte von Lisa Macklin (Sophia Loren), die mit ihrem gewalttätigen Ehemann Robert (Anthony Perkins) in Paris lebt. Als Robert bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt, taucht er überraschend lebendig wieder auf und zwingt Lisa, mit ihm einen riskanten Versicherungsbetrug zu begehen. Während sie zunehmend unter Druck gerät, entfaltet sich ein psychologisches Katz-und-Maus-Spiel, das Lisa an ihre Grenzen bringt.

Je länger ich über diesen Film nachdenke, umso besser wird er. Doch der Reihe nach. Alles in diesem Film ist irgendwie heimatlos, alles ist irgendwie im Fluss, was sich später bei den Szenenübergängen betätigen wird. Die Heimatlosigkeit beginnt schon bei der Produktion. Die Amerikaner vertrieben den Film, die Briten, Franzosen und Italiener produzierten. Besetzt wurde mit einer Italienerin und einem Amerikaner in den Hauptrollen, dazu mit Engländern und Franzosen in den Nebenrollen, wobei Sophia Loren eine Frau aus Neapel spielt und Anthony Perkins einen ehemaligen G.I., der überall in Europa war. Beide leben nun in Paris, während er öfter mal verreisen muss und sie einen Triumph fährt, ein britisches Auto. Beide sind verheiratet, wobei sich die Sache irgendwie als Zweckehe herausstellt, die irgendwo auf der Welt geschlossen wurde. Liebe hat die beiden definitiv nicht zusammengebracht.

Der Film beginnt mit einer kleinen Besonderheit, die man dort noch gar nicht als Besonderheit einordnen kann. Anthony Perkins steigt, nur über die Füße gefilmt, aus einem Taxi aus und geht eine nächtliche Straße entlang. Die Kamera verfolgt in tiefer Perspektive. Das geht zwei oder drei Minuten so, bis er in einen Nachtclub geht, wo Sophia Loren gerade ausgelassen tanzt. Die Kamera zieht hoch und zeigt uns Anthony Perkins, wie er sich an die Wand lehnt und seiner Frau beim Tanzen zuschaut. Liebe ist da nicht im Blick. Lisa sieht ihn – und schon ist die Stimmung dahin. Sie beendet den ausgelassenen Abend und verlässt mit Robert die Bar. Sie gehen zu ihrem Auto. „Du bist schon zurück?“ fragt sie enttäuscht. Robert lächelt. Und sein Lächeln lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Anthony Perkins beweist in diesem Film, dass er ein „Schwarzes Loch“ spielen konnte. Jemanden, der alles einsaugt und einen unangenehm berührt. Selbst den Zuschauer vor dem TV-Gerät. Das hat er in einigen Filmen so gemacht, in diesem jedoch besonders gut. Dies ist dann auch die Szene, auf die das Finale aufbaut. Der Film liefert am Anfang die Ebene für eine besondere Deutung und wahrscheinlich speist sich der deutsche Titel Die dritte Dimension aus eben dieser Ebene.

Da Sophia Loren nicht ganz so erfreut über seine Rückkehr ist, bekommt sie eine Geballert. Sie lässt ihn dafür stehen, braust mit dem Triumph davon und Perkins muss mit dem Taxi nachhause fahren. Im Bett dann die üblichen Entschuldigungen und Liebesbekundungen gewalttätiger Ehemänner, wie sie auch heute noch in der Realität angeführt werden. Das Thema „Gewalt in der Ehe“ ist zeitlos, so auch hier und könnte mit den Gesprächen und Argumentationen auch heute noch so geführt werden. Am nächsten Tag muss Robert schon wieder los, es ist ein beruflicher Flug nach Casablanca angesagt. Dagegen hat Sophia natürlich nichts. Alle, auch die Zuschauer, sind erleichtert, wenn Robert nicht mehr anwesend ist. Man möchte schreiend vor ihm weglaufen. Lisa fährt Robert zum Flughafen, er fliegt ab. Einen Tag später erfährt sie über die Zeitung, dass das Flugzeug mit ihrem Mann abgestürzt ist. Alle tot. Verhaltene Freude. Denkste, denn ihr Mann kehrt zurück. Mit einigen Blessuren zwar, aber er hat es überlebt. Für die gute Sophia ist das schon fast zu viel. Erst ist er weg, dann wieder da, dann wieder weg – und sogar tot, aber dann doch wieder da. Der Typ ist wie eine Kakerlake, einfach nicht tot zu kriegen. Und nun zwingt er sie auch noch zu einem Versicherungsbetrug. Er will sich in der Wohnung verstecken und Sophia soll die Witwe spielen, damit er die Lebensversicherung kassieren kann. Fortan kämpft sie nur noch darum, nicht aufzufliegen und von ihrem Mann los zu kommen. Doch da sollte man die Rechnung nicht ohne den Wirt machen. Was nun beginnt, ist für die zarte Sophia Loren einfach nur noch Stress pur. Das ist der Moment, wo das Gefühl für die Figuren die Logik ersetzt und man auf dem Stress-Level Lorens in einen Fluss gerät, der einen mitnimmt und an den Nerven zerrt, denn Lisa hat keinen Plan, wie sie aus dieser Sache wieder herauskommen soll. Die dritte Dimension heftet sich emotional an Lisa, die völlig überfordert von der Situation und vom Gewaltpotential ihres Mannes ist. Sie zittert sich von Moment zu Moment und muss alles Improvisieren. Was sagt sie, was macht sie, wie flüchtet sie? Die Frau hat keinerlei Zeit, sich irgendetwas Sinnvolles einfallen zu lassen, denn Anthony Perkins ist immer da, er klebt an ihr, er ist der Parasit, lächelnd, schmierig, bedrohlich und zersetzend. Der Regisseur bindet den Zuschauer an Lisa und verdichtet mit zunehmender Laufzeit den hypnotischen und zermürbenden Druck auf sie, was ihren geistigen Zustand in eine Art improvisierendes Wachdelirium entgleitet lässt. Nutzt der Film anfangs noch den konventionellen „harten Schnitt“ für die Szenenwechsel, wird mit zunehmendem Druck auf Lisa die lange Überblendung eingeführt, was filmisch recht elegant wirkt und alles in einen Fluss versetzt. Anatole Litvak steigert den optischen Einfallsreichtum des Films im letzten Drittel auf angenehme und spannende Art und Weise.

Perkins spielt so gut, so intensiv und zugleich so tot im Blick, dass man es selbst beim Zusehen kaum noch aushält: „Bring den Scheißkerl endlich um!! Kann den nicht mal jemand verhaften?!“ denkt man sich im Stillen und ballt die Fäuste. Natürlich hat Lisa einen Kampf an zwei Fronten. Auf der einen Seite ihr Ehemann, den sie unbedingt loswerden muss, und auf der anderen Seite ermittelt schon die Polizei im „Todesfall“ ihres Mannes und treibt sich ständig in ihrer Nähe herum. Die Polizei glaubt nämlich zunehmend nicht an den Tod ihres Mannes, sondern eher an einen Versicherungsbetrug, bei dem Lisa beteiligt ist. Das Wort „Schuldig!“ steht ihr quasi auf die Stirn geschrieben.

Dass niemand Lisa wegen eines dringenden Tatverdachts verhaftet, ist ein Aspekt der „mangelnden Logik“, stört aber nicht weiter, denn die emotionale Spannung und der Druck auf sie ist so groß, dass man das alles akzeptiert und gespannt darauf wartet, wie sich das Psychoduell zwischen Lisa und Robert auflösen wird. Um da keinen Spoiler zu liefern, muss ich das Finale weiträumig meiden und lehne mich stattdessen überrascht zurück: Mit einem so spannenden Film hatte ich nicht gerechnet!

Die dritte Dimension ist ein packendes Psychoduell, in das der Zuschauer über Sophia Loren hinein gezogen wird und durch Anthony Perkins in Spannung versetzt wird. Lisa verliert zunehmend die geistige Form und versucht sich über den Affekt aus der perfiden Präsenz ihres Ehemannes zu befreien. Doch der ist nur ganz schwer los zu werden. Regisseur Anatole Litvak inszenierte einen gänzlich durchdachten und technisch versierten Psychothriller, der durch seine beiden extrem präsenten Hauptdarsteller zu zeitloser Spannung geführt wird. Kamera und Schnitt sind von hoher Qualität, hier wurde wahrlich sorgsam gearbeitet und jede Einstellung dient dem Spannungsbogen, hier wird kein Meter Film mit Unsinn verschwendet. Dazu ein Finale, das in den letzten Sekunden plötzlich eine neue Ebene eröffnet. Ein echter Geheimtipp!

Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es Original Kinotrailer und Bildergalerie.

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