So schnell kann es gehen. Kaum hat man einen Filius in die Welt gesetzt, bespricht man Animationsfilme. Das hat aber auch Vorteile, kommt man so nochmal in den Genuss so mancher Klassiker, auf die man ansonsten nicht zurückgreifen würde, wobei man zugeben muss, dass CORANLINE (2009) zu Unrecht immer noch ein Nischendasein fristet und auch die Kleinsten sollten sich noch etwas gedulden, bevor sie sich Henry Selicks oscarnominierte Graphic-Novel-Verfilmung zu Gemüte führen. Plaion Pictures hat die düster groteske Coming-of-Age-Geschichte kürzlich als deutschsprachige 4K-Premiere im Steelbook veröffentlicht und warum sich diese über alle Maßen lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Coraline

Drehbuch: Henry Selick; nach der gleichnamigen Graphic Novel von Neil Gaiman

Regie: Henry Selick

Sprecher: Dakota Fanning, Teri Hatcher, Jennifer Saunders, Dawn French, Keith David, John Hodgman, Robert Bailey Jr., Ian McShane…

Artikel von Christopher Feldmann

Henry Selick dürfte vielen Filmfans kein Begriff sein, dabei inszenierte der Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Animationskünstler einen der ganz großen Animationsklassiker, der aber immer nur dem Produzenten zugeschrieben wird. THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS (1993) gilt fälschlicherweise gemeinhin als Tim-Burton-Film und obwohl Burtons Stil und Handschrift klar erkennbar ist, war es Selick, der den Film verwirklichte. Schon zuvor galt er als renommierter Künstler, der an den Animationen berühmter Disney-Klassiker wie CAP & CAPPER (1981) und TARAN UND DER ZAUBERKESSEL (1985), sowie des Kultfilms FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT (1988) beteiligt war. Zwar geht auch der kolossale Flop MONKEYBONE (2001) auf seine Kappe, dem eigenwilligen Stop-Motion-Stil blieb Selick aber weiterhin treu und inszenierte 2009 schließlich CORALINE, den ersten Feature-Film des damals frischen Studios Laika, welches sich ebenfalls auf Stop Motion spezialisiert hatte. Der Film, der 2010 sogar für einen Oscar nominiert wurde, basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel von Neil Gaiman und präsentiert eine kreative, skurrile aber auch überraschend düstere Coming-of-Age-Geschichte, deren eigenwilliger Stil in der neuen 4K-Restauration besser denn je aussieht.

Handlung:

Coraline findet alles öde: Das neue Haus, die Viecher im Bad, die komischen Nachbarn und die Eltern, die ständig nur am Arbeiten sind und keine Zeit für sie haben. Doch dann entdeckt Coraline einen geheimen Gang, der sie in eine perfekte, bunte Parallelwelt führt. Dort trifft sie auf andere Versionen ihrer Eltern, die Knöpfe als Augen haben. Und bei denen ist es viel schöner. So kommt das Mädchen nun häufiger in ihr zweites Leben. Doch eines Tages wollen die anderen Eltern, dass Coraline für immer bei ihnen bleibt.

Um es schon mal vorweg zu nehmen, CORALINE ist ein fantastischer Film, der aber nicht nur aufgrund seiner einzelnen Komponenten funktioniert, sondern aufgrund der Symbiose, welche diese ergeben. Erzählt wird im Grunde eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, denn „Coraline“ muss sich in einem neuen Zuhaue zurechtfinden und leidet als aufgewecktes und entdeckungsfreudiges Mädchen unter ihren Workaholic-Eltern, die ihre Zeit mit der Arbeit an einer neuen Gartenzeitschrift verbringen, anstatt mit ihrer Tochter. Diese begibt sich somit allein auf einen Erkundungsrundgang in dem alten Gemäuer und der umliegenden, tristen Umgebung. Ihre Traurigkeit findet ein jähes Ende, als sie eine geheime Tür entdeckt, die sie in eine Parallelwelt führt, in der es keine Sorgen zu geben scheint und in der sie von ihren Eltern geschätzt und umsorgt wird. Dass das Böse nicht lange auf sich warten lässt, erschließt sich durch die dennoch unbehagliche Atmosphäre, welche die bunte und knallige Welt versprüht.

Ursprünglich gab die Vorlage von Neil Gaiman nicht genug Stoff für einen abendfüllenden Spielfilm her, was zur Folge hatte, dass Selick die Geschichte für sein Drehbuch um Handlungen und Figuren erweiterte. So taucht beispielsweise die Figur des „Wybie“ in der Graphic Novel gar nicht auf und wird erst im Film als vermeintlicher Sidekick eingeführt, nur um dann schlussendlich von einer schwarzen Katze abgelöst zu werden, die „Coraline“ vor dem Unheil warnt. Betrachtet man die Handlung genauer, werden unweigerlich Erinnerungen an Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker ALICE IM WUNDERLAND (1865) wach, in dem die Hauptfigur ebenfalls in einer skurrilen, magischen Parallelwelt landet. CORALINE ist im Grunde genommen eine moderne Hommage an Alice‘ Abenteuer hinter dem Kaninchenbau, die zeitgenössische Themen wie Einsamkeit und die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung verarbeitet. „Coraline“ will im Grunde nur Aufmerksamkeit von ihren Eltern, wahrgenommen werden und Liebe empfangen. Gleichzeitig behandelt die Geschichte auch das Erwachsenwerden und über sich selbst hinauswachsen. In welche Richtungen sich das Ganze entwickelt, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.

Dass in besagter Parallelwelt das Böse haust dürfte jedem klar sein und ist natürlich auch essenziell für die Dramaturgie. Tatsächlich bezieht CORALINE seinen Reiz durch die morbide, fast schon groteske Ästhetik, die entfernt an die Werke von Tim Burton erinnert. Für die ganz Kleinen ist der Animationsfilm sicher nicht geeignet, setzt er doch stellenweise auf Gruselelemente und schaurige Ideen, die zarten Gemütern dann doch etwas zu harsch sein könnten. Im Grunde ist Selicks Werk eher etwas für ein älteres Publikum, welches die verspielten wie auch surreal wirkenden Bilder zu schätzen weiß. Auch optisch hebt sich der Film von anderen Genrevertretern ab, setzt Selick doch auch hier auf sein Steckenpferd, nämlich die Stop-Motion-Technik. Anders als noch bei seinem Erstlingswerk THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS (1993) standen dem Filmemacher ganz neue Mittel zu Verfügung. Und tatsächlich gelang es hier, die traditionelle Methode der Einzel-Bild-Aufnahme mit modernsten Rechnerkünsten zu verschmelzen. Wenn „Coraline“ durch Miniaturlandschaften bewegt wird, bewahrt das den typischen, etwas entrückten Charme von Stop-Motion-Animationen und zusammen mit den damals zeitgemäßen 3D-Effekten bietet der Film einen fantastischen Anblick.

Auch der Voice-Cast ist hervorragend gewählt. Neben Dakota Fanning in der Titelrolle brillieren vor allem Teri Hatcher als Mutter und Keith David als Katze. Mit Jennifer Saunders und Ian McShane tummeln sich zudem noch weitere prominente Namen in den Nebenrollen. An den Kinokassen schlug sich der Film indes passabel, denn mit einem Einspiel von 185 Millionen US-Dollar konnte CORALINE mehr als das dreifache seines Budgets einspielen. Die begeisterten Kritiken dürften geholfen haben.

Plaion Pictures veröffentliche den modernen Klassiker kürzlich als deutschsprachige 4K-Premiere im limitierten Steelbook, welches neben der UHD-Scheibe auch über eine Blu-ray verfügt, die zudem auch einzeln im Keep-Case ausgewertet wurde. Das Bild stellt eine deutliche Verbesserung zur bisherigen HD-Version dar und punktet mit mehr Details und einer besseren Schärfe. Auch der Ton weiß zu überzeugen, auch wenn leider keine Atmos-Spur vorhanden ist. In den Extras finden sich zudem ein Audiokommentar, ein Making Of, geschnittene Szenen, Featurettes, sowie der Trailer.

Fazit:

Henry Selick lieferte mit CORALINE (2009) einen modernen Klassiker des Animationsfilms, der besonders durch seine eigenwillige Ästhetik, seinen Detailreichtum und die herzliche wie auch düster groteske Coming-of-Age-Geschichte zu gefallen weiß. Definitiv ein Must-See, auch wenn der Film sicher nicht für die ganz Kleinen geeignet ist.

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