In den letzten Jahren musste sich Marvel viel Kritik gefallen lassen, denn seit dem krönenden und emotionalen Abschluss der „Infinity-Saga“ mit AVENGERS: ENDGAME (2019) zerfasert das „Marvel Cinematic Universe“ zunehmend und leidet unter der hohen Anzahl an Filmen und Serien und dem damit einhergehenden erzählerischen Ballast. Das MCU ist trotz Abnutzungserscheinungen aber immer noch weitaus ergiebiger als die Filme aus „Sonys Spider-Man Universe“ (kurz SSU), in welchem die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft selbst gar keine Rolle spielt. Sony Pictures hat es nun endlich geschafft, ihr Franchise nach Gurken wie MORBIUS (2022) und MADAME WEB (2024) mit KRAVEN THE HUNTER (2024) endgültig zu Grabe zu tragen, hat sich für den mit Superkräften ausgestatteten Großwildjäger, der ja eigentlich auch ein Bösewicht sein soll, doch niemand interessiert. Sony Pictures Home Entertainment und Plaion Pictures veröffentlichen den gar nicht mal so actiongeladenen Film in mehreren Versionen im Heimkino.

Originaltitel: Kraven the Hunter

Drehbuch: Richard Wenk, Art Marcum, Matt Holloway

Regie: J.C. Chandor

Darsteller: Aaron Taylor-Johnson, Ariana DeBose, Fred Hechinger, Alessandro Nivola, Russell Crowe, Christopher Abbott…

Artikel von Christopher Feldmann

Den Unterschied zwischen den Filmen und Serien des Marvel Cinematic Universe und den Comicverfilmungen aus dem Hause Sony Pictures zu erläutern, sorgt immer wieder für Fragezeichen in den Augen mancher Unwissenden. Vor vielen Jahren veräußerte Comic-Riese Marvel aus monetären Gründen Lizenzen an Studios, um Filme basierend auf ihren Comics zu produzieren. Während beispielsweise die X-MEN an 20th Century Studios (seiner Zeit noch Fox) verkauft wurden, schnappte sich Sony die Rechte an SPIDER-MAN und Allem, was dazugehört. Das brachte uns immerhin die heißgeliebte Trilogie mit Tobey Maguire, als auch das Reboot-Doppel mit Andrew Garfield. Nachdem Marvel Studios gegründet wurde und über die Jahre ihre Lizenzen wieder zurückgewannen, blieb Sony hartnäckig auf dem Spinnenmann sitzen, lediglich eine besondere und streng geregelte Vereinbarung erlaubte es, die beliebte Figur in das bestehende MCU zu integrieren. Auf Basis dessen versuchte nun Sony noch ein wenig mehr Kapital aus der Sache zu schlagen, in dem sie ein eigenes, zusammenhängendes Filmuniversum etablierten, das sich vollständig auf den SPIDER-MAN-Kanon fokussiert. So entstanden VENOM (2018) und dessen Fortsetzung VENOM: LET THERE BE CARNAGE (2021), als auch MORBIUS (2022). Während die beiden Filme um den außerirdischen Symbionten noch respektable Hits am Box-Office waren, soff der uninspirierte Vampirtrash mit Jared Leto gnadenlos ab. In dieselbe Kerbe schlug dann auch MADAME WEB (2024), der einer Nebenfigur aus der Spinnen-Reihe einen überflüssigen und mit mehreren Goldenen Himbeeren „prämierten“ Kinoauftritt spendierte. Nach dem noch einigermaßen profitablen aber qualitativ ebenfalls dürftigen VENOM: THE LAST DANCE (2024) setzte das Studio nun all seine Karten auf KRAVEN THE HUNTER (2024), der sogar mit R-Rating daherkommt. und ging damit erneut gnadenlos baden. Trotz CGI-Blut ist die Comicverfilmung nämlich vor allem eines: Stinklangweilig.

Handlung:

Der russische Immigrant Sergei Kravinoff (Aaron Taylor-Johnson) ist Großwildjäger, versteht sich selbst aber als Beschützer der Natur. Als Tierliebhaber stehen ihm viele Kreaturen näher als die Menschen. Was vielleicht auch daran liegt, dass sein Vater (Russell Crowe) ihn in jungen Jahren (Levi Miller) fallengelassen hat und stattdessen seinen Halbbruder Dmitri (Fred Hechinger) bevorzugte. Als Erwachsene führt das Schicksal sie wieder zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hat Sergei sich mittlerweile sein Alter Ego als „Kraven the Hunter“ aufgebaut, dem die Tiere bei seiner besonderen Art der Kriegsführung dienen.

Die zahlreichen Verschiebungen ließen schon darauf schließen, dass von KRAVEN THE HUNTER nicht allzu viel zu erwarten ist. Zwar ist an dem verspäteten Leinwand-Debüt auch der SAG-AFTRA-Streik nicht ganz unschuldig aber ursprünglich sollte die Comicverfilmung mal im Januar 2023 starten, am Ende wurde es Dezember 2024. Das lag vor allem auch wieder an den üblichen Nachdrehs und der Tatsache, dass das Studio nicht mehr so wahnsinnig viel Vertrauen in das Projekt hatte.

Es ist schon beachtlich, dass fast jeder Film, den Sony Pictures aus ihren SPIDER-MAN-Lizenzen presste, völlig in die Binsen ging. Über die VENOM-Filme kann man sich sicher streiten, ich behaupte, dass Tom Hardy ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Reihe war. Den Rest kann man aber guten Gewissens in die Tonne treten, denn wie schon Schnarchfeste wie MORBIUS (2022) und MADAME WEB (2024) bewiesen, lässt sich mit Comic-Schurken aus der zweiten und dritten Reihe nun mal schwer eine spannende Geschichte erzählen. So ist auch KRAVEN THE HUNTER in Gänze furchtbar öde und tischt dem Zuschauer wieder eine klischeebeladene Origin-Story auf, die zwischen albern und völlig belanglos pendelt. Diese wird mittels ausufernder Rückblende in die Kindheit geschildert und zeigt, wie „Kraven“ seine Superkräfte bekam. Mit Tarotkarten, einem mysteriösen Zaubertrank und dem Blut eines Löwens, die allesamt irgendwie eine nicht genauer erklärte Rolle spielen, ist das Ganze im höchsten Maße generisch geraten. Wer sich nun nach satter und blutiger Action sehnt, dürfte enttäuscht werden, denn in KRAVEN THE HUNTER wird vor allem gelabert. Meistens sind die Charaktere damit beschäftigt, Exposition aufzusagen, was sowieso immer viel zu lange dauert aber für Blockbuster-Verhältnisse dann doch etwas seltsam wirkt. Trotz nicht enden wollender Exposition führt KRAVEN THE HUNTER auch zu nichts, denn weder die Transformation zum Jäger mit Superkräften, noch die Love-Story zwischen dem Titelhelden und „Calypso“ oder die Beziehung zu seinem Vater, geben dem Zuschauer irgendeinen Mehrwert.

Man kann es nicht genau erklären aber der Film fühlt sich trotz einer Laufzeit von zwei Stunden einfach nur leer an, gerade weil es einfach keine Highlights gibt.

KRAVEN THE HUNTER beweist auch mal wieder, dass ein R-Rating noch kein Garant für einen guten Film ist. Ja, der Film ist weitaus gewalttätiger und graphischer als die vorherigen Filme des SSU, dennoch handelt es sich lediglich um einzelne Gewaltspitzen, die natürlich allesamt aus dem Rechner stammen. Wenn „Kraven“ einem Widersacher die Nase abbeißt hat das einfach überhaupt keinen Impact, genauso wie die viel zu kurzen und zu rar gesäten Actionsequenzen. Einziges Highlight ist eine Verfolgungsjagd durch London, die nicht nur dynamisch ist, sondern auch Stuntarbeit erkennen lässt. Über viele andere Actionszenen kann man das allerdings nicht sagen. Bei Kravens häufigen Parcour-Einlagen an Häuserwänden sticht so immer wieder der nicht besonders überzeugende Einsatz eines computeranimierten Doubles ins Auge. Ähnlich sieht es bei den zahlreichen CGI-Tieren, die mal ganz ordentlich aber auch immer wieder ziemlich mies getrickst sind. Regisseur J.C. Chandor schafft es kaum, dem Film einen gewissen Drive zu verleihen und besonders im Mittelteil hängt das Ganze derart durch, dass sich KRAVEN THE HUNTER wie eine halbe Ewigkeit anfühlt.

Auch die Darsteller können hier wenig retten. Aaron Taylor-Johnson bringt den Body und auch den Look für die Figur mit, allerdings ist diese derart flach geschrieben, dass auch ein Charisma-Bolzen wie er hier überhaupt nichts reißen kann. Das Gleiche gilt für Ariana DeBose, die völlig verloren scheint. Zwischen ihr und Taylor-Johnson entsteht auch keine Chemie, was es für den Zuschauer umso schwerer macht, in irgendeiner Form investiert zu sein. Lediglich Fred Hechinger bringt mit seiner Spielfreude noch etwas Würze in die Sache. Auch ist KRAVEN THE HUNTER mal wieder der Beweis wie gut Russell Crowe ist. Der Oscarpreisträger spielt hier natürlich nur für den Paycheck aber selbst im sichtbaren Wachkoma steckt der Mime seine Kollegen spielerisch in die Tasche. Das kann man über Alessandro Nivola jedoch nicht sagen, der als „Rhino“ den Antagonisten mimt. Zwar scheint auch er viel Spaß am overacten gehabt zu haben, mit weißem Hemd, Brille und schwarzem Rucksack sieht dieser jedoch weniger wie ein Fiesling, sondern eher wie mein Steuerberater aus.

Plaion Pictures veröffentlicht die Comicverfilmung demnächst auf Scheibe, u.a. als limitiertes 4K-Steelbook. Uns lag zur Sichtung die Blu-ray vor, Bild und Ton sind einwandfrei.

Fazit:

KRAVEN THE HUNTER (2024) schaffte es nicht das qualitativ unterdurchschnittliche SSU wieder in die Spur zu bringen, stattdessen dürfte die gescheiterte und langweilig zusammengeschusterte Comicverfilmung der letzte Sargnagel für ein Franchise gewesen sein, bei dem ich wirklich froh bin, dass es endlich vorbei ist.

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